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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schwein

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Schwein (europäisches Wildschwein, indisches S., Rassen des zahmen Schweins).

nährt sich von Baumfrüchten, Wurzeln, Insektenlarven und richtet in den angrenzenden Äckern durch Umwühlen und Abfressen des Getreides großen Schaden an. Es frißt auch Aas und soll Wildkälber und verwundete Hirsche und Rehe töten. Es läuft ziemlich schnell und am liebsten geradeaus, durchbricht mit Gewalt Dickichte, hört und riecht scharf, sieht aber schlecht. Aus seiner gewöhnlich harmlosen Ruhe geht es sehr leicht zur rasendsten Wut über, nimmt dann den bewaffneten Mann ohne weiteres an und wird durch seine Hauer sehr gefährlich. Das Fleisch ist fein und wohlschmeckend, Kopf und Keulen gelten als Leckerbissen, auch Haut und Borsten sind sehr gesucht, der Schade aber, welchen das Tier anrichtet, überwiegt bei weitem den Nutzen. Man gewährt daher dem Schwarzwild keine Schonzeit, weshalb es mehr und mehr ausgerottet und nur noch in Saugärten in größerer Zahl gehalten wird. Die Fährte des Schwarzwildes unterscheidet sich von der des Rotwildes durch kürzern Schritt (Fig. 1), flachere Ballen und besonders durch die weit auseinander stehenden, stark ausgedrückten Geäfter (Fig. 2). Man erlegt wenigstens stärkere Sauen am sichersten mit der Kugel, weil diese durch Suhlen und Mahlen für Schrot undurchdringliche Schwarten bekommen (gepanzerte Sauen). Angeschossene Sauen setzen sich zur Wehr, die Keiler schlagen mit ihren scharfen Gewehren von unten nach oben, während die Bachen beißen, aber viel weniger gefährlich sind. Von den Jagdmethoden ist der Anstand am lohnendsten, wenn man die Sauen durch Eicheln, Erbsen, Kartoffeln vorher angekirrt hat. Bei Wind und weichem Schnee gelingt es auch, durch Folgen der Fährte die Sauen im Kessel anzuschleichen. Die Treibjagd hat meist nur Erfolg, wenn die Sauen vorher durch Einkreisen bei einer Neue festgespürt sind und Finder benutzt werden, weil sie sonst meist durch die Treibwehr brechen. Vor den Saufindern stellen sie sich dagegen und können von dem den Hund führenden Jäger beschlichen werden, andernfalls werden sie flüchtig und kommen dann den vorstehenden Schützen zu Schuß. Stehen schwere Packer und Hetzhunde zur Verfügung, so hetzt man diese zu, wenn der Finder stellt, d. h. durch Lautgeben auf einer Stelle anzeigt, daß sich das S. vor ihm zur Wehr setzt, und läßt durch diese das S. festhalten (decken), um es abzufangen. Endlich werden die Sauen noch auf der Parfocejagd ^[richtig: Parforcejagd] erlegt und in Saufängen gefangen.

Das indische S. (S. indicus Pall.) ist über das östliche Asien und die Malaiischen Inseln verbreitet. Eine Form desselben, das chinesische S. (S. indicus brachyotis), wird in China seit Jahrhunderten mit Sorgfalt als Haustier gehalten, besitzt einen kurzen, breiten Kopf mit aufrechter Stirn und eingedrücktem oder konkav geformtem Nasenrücken, einen kurzen, breiten Rüssel, starke, fleischige Backen, kurze, zugespitzte, aufrecht stehende Ohren, einen kurzen, dicken Hals, langen Leib, geraden, zwischen Schuft und Becken sogar eingesenkten, breiten Rücken, gerades Kreuz, gewölbte Rippen, einen großen Tiefendurchmesser der Brust, breit gestellte, kurze Schenkel und eine dünne, mit schwachen Borsten besetzte Haut. Es zeichnet sich durch Frühreife und großen Fettansatz aus. Die andre Form, das japanische Maskenschwein (S. pliciceps Gray, S. indicus macrotis), hat ähnliche Schnellwüchsigkeit und Mastfähigkeit, unterscheidet sich aber von dem chinesischen durch dicke Gesichtsfalten, lange, herabhängende Ohren, eine dicke Schwarte, einen etwas flachrippigern Rumpf und höhere, starkknochige Beine. Es ist bei uns vielfach in zoologischen Gärten vertreten; die Versuche, es zur Hebung der deutschen Schweinezucht zu benutzen, sind aber nur mäßig günstig ausgefallen.

Rassen des zahmen Schweins.

Zur Heranbildung der heute in Europa vorkommenden Hausschweine haben beide, das europäische Wildschwein und das indische S., beigetragen. Durch den Einfluß der verschiedenen Klimate und der Züchtung sind dieselben vielfach in ihren innern und äußern Eigenschaften abgeändert worden. Je nachdem nun mehr der Einfluß der Natur oder der der Züchtung in den Formen des Hausschweins zum Ausdruck gelangt, unterscheidet man natürliche (primitive, unveredelte, Land-) Rassen und Kulturrassen (Züchtungs-, künstliche, veredelte Rassen). Zu den natürlichen Rassen gehören: das großohrige, das kurzohrige, das kraushaarige und das romanische S., welche sämtlich auf dem europäischen Kontinent einheimisch sind; zu den Kulturrassen stellt man die modernen englischen Rassen. Bei den drei erstgenannten tritt die Verwandtschaft mit dem europäischen Wildschwein deutlich zu Tage, während das romanische und englische S. den Einfluß vom Typus des Sus indicus nicht verkennen läßt.

1) Das großohrige S. ist charakterisiert durch die nach vorn und unten hängenden Ohren, welche

^[Abb.: Skelett des Schweins.]