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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Serbien

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Serbien (Bergbau, Industrie, Handel, Staatsverfassung).

doch ist die Behandlung des Weinstocks und seines Produkts noch sehr mangelhaft. Von Handelsgewächsen wird im Kreis Podrinje an den Ufern des Jadar und der Save, dann auch in dem Morawathal im Kreis Alexinatz etwas Tabak gebaut, der zum größten Teil im Land selbst verbraucht wird. In demselben Kreis und in den Kreisen Nisch und Wranja wird auch viel Hanf gebaut. Von hoher Wichtigkeit ist die Viehzucht, welche einen sehr bedeutenden Exportartikel liefert. Der einheimische Pferdeschlag (1879: 159,850 Stück) ist zwar nicht besonders schön, aber von seltener Ausdauer und Kraft. Das Rind ist von mittlerer Größe und schlank und wird, außer für die Ausfuhr, besonders als Arbeitstier gezogen. Man zählte 1879: 963,850 Stück Hornvieh. Schafe werden in großer Anzahl (1879: 3,480,500 Stück) gehalten und versehen das Haus mit Milch, Butter, Käse und Wolle. Sehr bedeutend ist die Schweinezucht (1879: 1,678,500 Stück), in den gebirgigen Gegenden werden auch viele Ziegen gehalten (1879: 586,580 Stück). Bienenzucht gibt es nur in einigen Kreisen, und die Zahl der Bienenkörbe vermindert sich immer mehr (1867 im ganzen nur 109,152), wogegen die Seidenzucht immer mehr in Aufschwung kommt. Die Fischerei in den Gebirgsbächen und Flüssen liefert Forellen in Menge, die in der Donau besonders Hausen zur Kaviargewinnung. Die Jagd beschränkt sich meist auf Geflügel; Wild ist nur wenig vorhanden, wohl aber hausen in den Gebirgen noch Bären und Wölfe. Das Land hat zwar große Waldungen (1885: 582,453 Hektar), doch hat der für die Zukunft zu besorgende Holzmangel zu einer polizeilichen Beaufsichtigung der Waldbestände geführt, wie sich auch die Staatsgewalt von einem großen Teil der Waldungen das Eigentumsrecht vorbehalten hat. Der Bergbau, früher von großer Bedeutung, ist erst neuerlich wieder etwas in Aufnahme gekommen. Er ist Regal und wird von der Staatsregierung als Monopol betrieben. Das Eisen- und Kupferwerk in Majdanpek ist seit 1868 auf 90 Jahre einer englischen Gesellschaft zum Betrieb übergeben, welche vorderhand nur Kupfer gewinnt. Ein andres Werk, Majdan Kutschajna, ist ebenfalls in die Hände der Engländer übergegangen. Wichtig ist das Eisenbergwerk zu Massaritza (Kreis Wranja), ebenso die zu Krupanj im Podrinjer Kreis 1872 mit großem Aufwand gegründete Bleihütte. Auf andre Mineralien als Eisen, Kupfer und Steinkohlen, welche sich bei Dobra und Duboka im Kreis Poscharewatz befinden, wird bis jetzt nicht gebaut. Ein großartiges Steinkohlenlager befindet sich im Kreis Tschupria beim Dorf Senje und ist von der größten Wichtigkeit für den serbischen Eisenbahnbetrieb. Gewerbliche Industrie ist in dem nur Landwirtschaft treibenden Land erst in schwachen Anfängen vorhanden; doch zeigt das Volk ein ungewöhnliches Geschick zu mechanischen Arbeiten, welches sich in der bedeutend entwickelten Hausindustrie der Landbewohner bethätigt. Dieselbe liefert Leinen-, Woll- und Seidengewebe und gewirkte Zeuge sowie Metall- und Holzwaren aller Art, und beinahe in jedem Dorf trifft man Maurer, Zimmerleute, Dachdecker, Wagner, Huf-, Sensen- und Waffenschmiede, Böttcher, Schneider etc. Eigentliche Gewerbsleute sind nur in den Städten ansässig. Nach der Gewerbeordnung vom 14. Aug. 1847 sind 20 Gewerbe für zünftig erklärt, die daher nur von geschlossenen Korporationen betrieben werden dürfen, während alle übrigen frei sind und zu ihrem Betrieb bloß polizeiliche Konzession erforderlich ist. Größere industrielle Etablissements sind: eine Staatsdruckerei und lithographische Anstalt zu Belgrad, eine Stückgießerei zu Kragujewatz, eine Pulvermühle zu Stragari, eine Tuchfabrik zu Uschitza und Paratschin, eine Glasfabrik zu Jagodina, Fabrikation von Teppichen in Pirot, von Seilerwaren zu Wranja und eine große Bierbrauerei und Spiritusbrennerei in Belgrad.

Der Handel ist vornehmlich Ausfuhrhandel und gewinnt täglich größere Bedeutung. Die Einfuhr ist bei dem unbedeutenden Bedarf ausländischer Erzeugnisse gering und beschränkt sich auf Salz, feineres Mehl und einige Kolonial- und Manufakturwaren, namentlich Kaffee, Eisen- und Glaswaren, Waffen und Schießbedarf. Die Hauptausfuhrartikel sind: Rindvieh, Schweine, Blutegel, Schaf- und Ochsenhäute, Wolle, Talg, Wachs, Honig und Knoppern. Die Haupthandelsplätze des Landes sind: Belgrad (der Stapelplatz für ganz S.), Schabatz, Smederewo, Poscharewatz, Negotin, Nisch, Pirot und Wranja. 1887 wurden ausgeführt: 43,093 Stück Rinder, 216,230 Stück Schweine, 91,290 Schafe und Ziegen. In der Periode 1884-87 betrug der durchschnittliche Wert der jährlichen Ausfuhr 38,610 Mill. Frank und der der Einfuhr 44,898 Mill. Fr., dagegen in der Periode 1871-75 der Wert der jährlichen Ausfuhr 35,014 Mill. Fr. und der Einfuhr 31,219 Mill. Fr. Der größte Teil der Ausfuhr geht nach Österreich, von wo wieder das meiste eingeführt wird. Märkte werden in jedem Kreis an einem bestimmten Ort abgehalten; die besuchtesten sind die zu Waljewo und Tschupria. Unbedeutend ist der Durchfuhrhandel. 1875 war der Gesamtwert der durchgeführten Artikel 5,957 Mill. Fr., 1887 dagegen nur 959,368 Fr. Der vom Finanzministerium verwaltete Staatsfonds vertritt die Stelle einer Hypothekenbank. Eine Handels- und Gewerbekammer wurde 28. Febr. (12. März) 1857 in Belgrad als Organ des Handels- und Gewerbestandes gegründet. Außerdem bestehen solche Institute noch in Schabatz, Smederewo, Poscharewatz und Waljewo. Belgrad verbindet die Eisenbahn mit Konstantinopel und mit Saloniki. Die Linie Belgrad-Nisch-Wranja ist 366,5 km lang, die Zweigbahnen Nisch-Pirot 97,5, Lapovo-Kragujewatz 29,2 und Velika Plana-Smederewo 44,6, im ganzen 537,8 km. Wenigstens die Hauptorte sind durch gute Landstraßen verbunden; als Wasserstraßen für den Verkehr werden nur die Donau und Save benutzt. Handelsfreiheit ist durch das Staatsgrundgesetz als Nationalrecht anerkannt. In S. ist nach dem Münzgesetz vom 10. Dez. 1878 die Dinar (Frank-) Rechnung eingeführt, und kursieren folgende einheimische Münzen: Kupfermünzen zu je 5 und 10 Para, Silbermünzen zu ½, 1, 2 und 5 Dinaren (Fr.) und Goldmünzen zu 20 und 10 Dinaren (Milansdor). Durch das Gesetz vom 1. Dez. 1873 wurde in S. das metrische System der Maße angenommen und ist jetzt ausschließlich im Gebrauch.

Verfassung und Verwaltung.

Was die Staatsverfassung anlangt, so ist S. seit 6. März 1882 ein konstitutionelles Königreich und hat seit der Abdankung des Königs Milan I. (6. März 1889) gegenwärtig zum König dessen minderjährigen Sohn Alexander (geb. 1876), für welchen eine Regentschaft eingesetzt wurde (s. unten, S. 881). Nach der Staatsverfassung (Ustav) vom 22. Dez. 1888 (a. St.) ist die Königskrone in der Familie Obrenowitsch erblich. Der König ist der Träger der Staatsgewalt und übt das Recht der Gesetzgebung mit der Volksvertretung, die vollziehende Gewalt aber allein und durch Minister aus, welche ihm und der Volksvertretung verantwortlich sind. Der Senat besteht aus 16 Mitgliedern, welche in der Weise gewählt werden,