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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Serbische Sprache u. Litteratur

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Serbische Sprache u. Litteratur (Neuzeit).

tete, Ignaz Djordjić (gest. 1737), ein vorwiegend didaktischer und religiöser Dichter, und der Lyriker Andreas Kašić-Miočić (gest. 1760), der gleichsam das Bindeglied der alten dalmatischen Dichtung und der serbischen Litteratur bildet, Erwähnung. Eine Ausgabe der Werke der dalmatischen Dichter besorgt die Südslawische Akademie in Agram ("Stari pisci hrvatski", Bd. 1-14, Agram 1869-84).

Die Anfänge eines Wiederauflebens der Litteratur bei den östlichen Serben stehen mit den kriegerischen Erfolgen Österreichs gegen die Türken seit Ende des 17. Jahrh. in Zusammenhang. Der Friede von Poscharewatz (1718) brachte einen bedeutenden Teil Serbiens, wenn auch nur zeitweilig, unter österreichische Herrschaft und dadurch mit der westeuropäischen Kultur in Berührung. Man begann Schulen zu gründen, an denen zum Teil russische Lehrer angestellt wurden, und bald entwickelte sich wieder ein Schrifttum, das indessen den nationalen Bedürfnissen des Volkes noch wenig entsprach. Als bedeutendster Vertreter dieser slaweno-serbischen Litteratur (so genannt, weil sie in dem oben erwähnten Gemisch von Kirchenslawischem und serbischen Dialekten geschrieben war) ist Johann Rajić (1726-1801) zu nennen, dem namentlich seine "Geschichte der slawischen Völker" einen weitverbreiteten Ruf verschafft hat. Die eigentliche moderne Ära der serbischen Litteratur datiert erst von der Erhebung der serbischen Volkssprache zur Litteratursprache, die nach langen Kämpfen endlich siegreich durchgesetzt ward. Der erste, welcher für diesen Zweck seine Kraft einsetzte, war Dositije Obradović (gest. 1811); durchschlagenden Erfolg hatten aber erst Dimitrije Davidović (1789-1838), der 1814-22 eine serbische Zeitung in Wien und einen serbischen Almanach herausgab, und der verdienstvolle Vuk St. Karadžić (1787-1864). Besonders ist letzterer als der eigentliche Schöpfer, wie der neuern Sprache, so auch der neuern Litteratur der Serben zu betrachten, die seitdem, im Anschluß an die europäischen Litteraturen und getragen vom nationalen Bewußtsein, immer mehr festen Boden gewonnen hat. Als die bedeutendsten modernen Dichter sind zu nennen: Lucian Mušicki (gest. 1837), der Sänger nationaler Oden in gelehrten pseudoklassischen Formen; die Legendendichter Vikentije Rakić (gest. 1824) und Gavr. Kovačević, welch letzterer auch den serbischen Aufstand unter Karadjordje und die Schlacht auf dem Amselfeld besang; ferner die Romanschreiber Athan. Stojković und Milovan Vidaković (gest. 1841), der vielseitige Sima Milutinović (1791-1847), dessen litterarischer Hauptruhm auf dem Liedercyklus "Serbijanka", einer Verherrlichung des serbischen Freiheitskampfes, beruht; Jovan St. Popović (gest. 1856), als Lyriker wie als Dramatiker fruchtbar; Lazar Lazarević (geb. 1805), der eins der besten Dramen: "Wladimir und Kosara", schrieb; Jovan Subotić (gest. 1886), der Verfasser von "Stefan Dečanski", worin viele Züge der Volkspoesie geschickt reproduziert sind; endlich als die hervorragendsten Lyriker, deren Dichtungen echt nationales Leben innewohnt: Branko Radičević (gest. 1853) und Peter II. Petrović Njegus, Wladika von Montenegro (gest. 1851), Verfasser der berühmten Dichtung "Gorski vijenac" (s. Njegusch); Jovan Jovanovic, Djra Jakšić (Gedichte, Dramen), Dimitrije Mihajlović, Stephan Frušić, Milica Stojadinović u. a.

Weitaus das bedeutendste poetische Erzeugnis des serbischen Volkes sind aber seine unschätzbaren Volkslieder, auf die sich denn auch bis in die neueste Zeit das Hauptinteresse der andern Völker an der serbischen Litteratur mit Recht konzentriert. Einige dieser Lieder, die in ihrer rohen Kraft Naivität und Gemütlichkeit, orientalische Glut und griechische Plastik wunderbar vereinigen, reichen bis in die Zeit vor Ankunft der Türken in Europa und enthalten noch Überreste alter mythologischer Vorstellungen; andre gehören der Periode an, wo Adrianopel Residenz der türkischen Herrscher war, und schildern den Kampf des Christentums mit den Türken; noch andre stammen aus neuerer Zeit. Es sind teils Heldenlieder zur Verherrlichung der Nationalhelden, namentlich des Marko Kraljewić ^[Marko Kraljewitsch] (s. d.), teils Liebes- und Frauenlieder, welche letztern, meist von Mädchen und Frauen gedichtet, von den jungen Leuten beim Volkstanz (kolo) gesungen werden. Das Versmaß der kleinen Lieder besteht meist aus Trochäen und Daktylen und hat eine merkwürdige Ähnlichkeit mit den Rhythmen anakreontischer Oden, während die Heldenlieder vorwiegend in zehnsilbigen trochäischen Versen abgefaßt sind. Die erste Sammlung und Aufzeichnung der serbischen Volkslieder geschah in musterhafter Weise durch Vuk St. Karadžić in seinem Werk "Narodne srbska pjesme" (2. erweiterte Ausg., Wien 1841-65, 5 Bde.), das in viele fremde Sprachen übersetzt (deutsch von Talvj, 2. Aufl., Leipz. 1853, 2 Bde.; von Kapper, das. 1852, 2 Bde.) und später noch durch einen 6. Band: "Srbske narodne pjesme iz Hercegovine" (Frauenlieder, Wien 1866), ergänzt wurde. Andre Sammlungen serbischer Volkslieder (in Übersetzung) gaben Wessely (Hochzeitslieder, Pest 1826), v. Götze (Petersb. 1827), W. Gerhard (2. Aufl.: "Volkslieder und Heldenmärchen", Leipz. 1877, 2 Bde.) heraus. Die Lieder des bosnischen Volkes veröffentlichten Bogoljub Petranović (drei Sammlungen, Belgr. 1867-70; Serajewo 1867) und Ristić (Belgr. 1873). Auch serbische Märchen wurden am frühsten und am besten von Karadžić herausgegeben (letzte Ausg., Wien 1870).

Eine wissenschaftliche Litteratur der Serben ist erst im Entstehen begriffen; doch hat man auf einigen Gebieten, wie auf dem der Geschichte und Ethnographie, schon Werke von bedeutendem Wert aufzuweisen. Unter den Historikern sind außer den oben erwähnten ältern, Rajić ("Geschichte der slawischen Nationen", 1794) und Milutinović ("Geschichte der Cernagora", 1835, und "Geschichte Serbiens 1813 bis 1815", 2. Aufl. 1888), besonders Paul Jovanović ("Geschichte der wichtigsten Ereignisse in Serbien", 1847), A. Stojačković ("Geschichte des ostslawischen Gottesdienstes", 1847, und "Skizzen aus dem serbischen Volksleben in Ungarn", 1849), Milorad Medaković ("Geschichte Montenegros", 1850), Daniel Medaković ("Geschichte des serbischen Volkes", 1851 bis 1853) u. a. hervorzuheben. Die ethnographischen Studien, als deren Begründer Vuk Karadžić zu nennen ist, wurden in der neuern Zeit besonders gefördert durch v. Bogišić, der sich speziell mit Erforschung des slawischen und namentlich des südslawischen Gewohnheitsrechts beschäftigt ("Die Rechtsgebräuche bei den Slawen", 1867, und "Sammlung der jetzigen Rechtsgebräuche bei den Südslawen", 1874), M. Milićević, Verfasser des gehaltvollen Buches "Das Fürstentum Serbien" (1876), Toma Kovačević ("Beschreibung Bosniens etc.", 1865), Bogoljub Petranović, Franjo Jukić, P. Srećković u. a. Auch das "Geographisch-statistische Wörterbuch von Serbien" von J. ^[Jovan] Gavrilović (1846) sei genannt. Als ein Philolog ersten Ranges erfordert Djuro Daničić (gest. 1886) Erwähnung. Die