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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Silber

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Silber (Geschichtliches, Gesamtproduktion).

duktion des Chlorsilbers mittels eines andern Metalls. Man bindet ein Stück Zink, an welchem ein Silber- oder Platindraht befestigt ist, in eine feuchte Tierblase, legt es in das mit sehr schwacher Schwefelsäure übergossene Chlorsilber und läßt den aus der Blase hervorragenden Draht in letzteres eintauchen. Das reduzierte S. wird mit etwas Salpeter und Borax geschmolzen, auch wohl mit der Knallgasflamme destilliert. Reines S. ist weiß, in sehr dünner Schicht blau durchscheinend, gut polierbar, auf dem Bruch mehr geflossen und dicht als hakig, härter und fester als Gold, weicher und weniger fest als Kupfer. Hart gezogener Draht trägt pro QMillimeter Querschnitt 32-41 kg, geglüht 18-19,5 kg. Das S. ist höchst dehnbar und hämmerbar, Atomgewicht 107,66, spezifisches Gewicht gegossen 10,447-10,622, schmilzt leichter als Gold und Kupfer, bei etwa 1040°, ist in hoher Temperatur flüchtig, absorbiert geschmolzen an der Luft Sauerstoff, der beim Erstarren unter Spratzen entweicht, zieht sich beim Erstarren stark zusammen, oxydiert sich nicht an der Luft, sondern nur im Sauerstoffgebläse, verbindet sich direkt mit Chlor, Brom und Jod, läuft durch Schwefel- und Phosphorwasserstoff an, schmilzt leicht mit Schwefel zusammen, löst sich in konzentrierter Schwefelsäure und in mäßig konzentrierter Salpetersäure, gibt mit Chromsäure rotes chromsaures Silberoxyd, wird durch viele Metalle und Reduktionsmittel, auch durch organische Substanzen, aus seinen Lösungen gefällt (dendritisch aus Lösungen abgeschiedenes S. bildet den Silberbaum [Dianenbaum], welcher sich sehr schön beim Übergießen von Quecksilber mit einer Lösung von salpetersaurem Silberoxyd ausbildet). Das S. ist einwertig; man kennt ein Oxydul Ag4O2 ^[Ag_{4}O_{2}] ein Oxyd Ag2O ^[Ag_{2}O] und ein Superoxyd AgO. Die Lösungen wirken ätzend giftig, doch kommt fast nur das salpetersaure Silberoxyd in Betracht. Man benutzt das reine S. fast nur zu chemischen Geräten; im übrigen wird zu Münzen, Schmuckwaren etc. legiertes S. verarbeitet, und aus diesem bereitet man zahlreiche Präparate für die Photographie und Medizin, zum Versilbern von Metall und Glas (Silberspiegel), zu Glas- und Porzellanfarben etc.

[Geschichtliches.] Das S. gehört zu den dem Menschen am frühsten bekannt gewordenen Metallen und wurde mehrfach in staunenswerter Menge verwendet, wie z. B. nach dem Bericht des Polybios in Ekbatana. Die alten Fundorte des Silbers waren zum Teil wohl dieselben wie die des Goldes. Ägypten beutete Gruben in Nubien und Äthiopien aus; die Athener fanden das S. in Attika (Laurion), auch Epirus hatte Silbergruben. Weitaus die größten Mengen des edlen Metalls holten aber Phöniker, Karthager und Römer aus Spanien, und Hannibal sammelte dort die Mittel zum Kriege gegen das römische Reich. Im Mittelalter lieferten die Länder des heutigen Österreich das meiste S. Die Gruben in Schemnitz und Kremnitz, vielleicht schon von den Römern betrieben, wurden 745, resp. 770 (wieder) eröffnet. Im 16. Jahrh. erhielt man eine reiche Ausbeute in Joachimsthal; damals wurde auch bei Brixen S. gewonnen und bereits seit 1131 bei Mies; wichtiger aber ist die Silbergewinnung aus Bleiglanz bei Přibram. Die Erze Sachsens wurden im 10. Jahrh. entdeckt und seit 1169 abgebaut; bei Schneeberg sollen im 15. Jahrh. kolossale Schätze gehoben worden sein. Auch die Entdeckung der Rammelsberger Erze datiert aus dem 10. Jahrh., die Eröffnung des Bergbaues aber wohl erst vom Ende des 12. Jahrh.; 1520 kam Andreasberg hinzu, und 1554 wurde die Frankenscharner Silberhütte bei Klausthal erbaut. In Spanien ging die seit dem Altertum berühmte Grube bei Guadalcanal in die Hände der Fugger über, welche ungeheure Reichtümer aus derselben zogen, bis sich die Grube mit Wasser füllte und dann verlassen wurde. 1839 wurden die Gruben der Sierra Almagrera in der Provinz Almeria und 1843 die von Hiendelencina in Guadalajara entdeckt, und seit Einführung des Pattinsonschen Prozesses gewinnt man viel S. aus den Bleierzen der Sierra de Gador und von Cartagena. Die Silberbergwerke Norwegens und Schwedens waren lange berühmt, sind neuerdings aber weniger ergiebig geworden; die größte Ausbeute lieferten die Gruben von Kongsberg, deren Entdeckung wohl von 1623 datiert. In Großbritannien gewinnt man größere Mengen S. erst seit der Anwendung von Pattinsons Prozeß auf die Bleierze. Dieser Prozeß gewann seit 1833 überhaupt großen Einfluß auf die Silbergewinnung Europas, nicht minder die auf Versuche von Karsten (1841) sich stützende, 1850 von Parkes in Vorschlag gebrachte Anwendung von Zink, welche in jüngster Zeit durch Rosway, Cordurié u. a. ausgebildet und in die Technik eingeführt wurde. Die großartigste Umgestaltung erfuhr die Silberproduktion durch die Entdeckung Amerikas, nachdem Cortez in Mexiko eingedrungen war; 30 oder 40 Jahre später waren dort die Gruben in vollem Gang, und auch Peru lieferte alsbald viel Gold und S., besonders seit 1545 die berühmten Gruben von Cerro de Potosi entdeckt worden waren. Die mexikanischen und peruanischen Gruben übertrafen wohl alles, was damals an Gold und S. gewonnen wurde; aber ihre Erträge sind in keiner Weise mit den ungeheuern Schätzen zu vergleichen, welche in neuester Zeit aus dem westlichen Nordamerika und Australien gezogen wurden. Erheblich gesteigert wurde die amerikanische Produktion durch Einführung des Amalgamationsprozesses, welcher 1557 von Bartholomäus Medina entdeckt und seit 1566 im großen ausgeführt wurde. Im 17. Jahrh. wurden die Silberbergwerke zu Yauricocha oder Pasco im nördlichen Peru eröffnet und lieferten reiche Erträge. Als dann die Kämpfe begannen, welche zur Trennung Perus von Spanien führten, sank die Silberproduktion und hob sich erst wieder in bedeutenderm Maß, als die Quecksilberfunde in Kalifornien die Ausbeutung erleichterten. Durch die Silberentdeckungen in den Vereinigten Staaten wurde aber schließlich alles Bisherige weit übertroffen. In Nevada, Utah, Colorado, Kalifornien, Arizona, Montana, Idaho, Neumexiko, Oregon und Washington wurden reiche Erze entdeckt, und namentlich der Comstockgang bei Virginia City in Nevada lieferte seit 1859 enorme Mengen S. u. Gold. Die gesamte Silberproduktion seit der Entdeckung Amerikas betrug 1492-1803: 17,168 Mill., 1803-48: 4728 Mill. und 1848-76: 5576 Mill. Mk. Vgl. Edelmetalle.

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Die Silberproduktion betrug 1884 in

Mexiko 785000 kg 117750000 Mk.

Peru, Bolivia, Chile 450000 67500000

Vereinigte Staaten 1174205 176130000

Deutschland 248117 37218000

andern Ländern 300000 45000000

Zusammen: 2957322 kg 443598000 Mk.

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Im Deutschen Reich wurden 1887 produziert 367,633, davon in Preußen 230,130, in Sachsen 89,265 kg.

Vgl. Percy, Metallurgie des Silbers und Goldes (deutsch, Braunschw. 1881, Bd. 1); Eggleston, The metallurgy of silver, gold etc. in the United States, Bd. 1 (New York 1887) und die metallurgische Litteratur bei Hüttenkunde.