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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Sizilien; Sizilien, Königreich beider

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Sizilien (Insel) - Sizilien, Königreich beider.

herstellen konnte. Von ihrem Waffenplatz Agrigent aus dehnten daher die Karthager ihre Herrschaft immer weiter aus und behaupteten sie auch gegen den anfangs siegreichen König Pyrrhos von Epirus, bis sie in dem Frieden, der dem ersten Punischen Krieg ein Ende machte (241), ihren Anteil an der Insel an die Römer abtreten mußten. Die Osthälfte blieb zunächst unter der Herrschaft von Syrakus und wurde erst nach dessen Eroberung 212 mit dem Westen zur Provincia Sicilia vereinigt.

Als römische Provinz war S. die Kornkammer Italiens; ein Krebsschaden war jedoch die ausgedehnte Sklavenwirtschaft. Wiederholt, am gefährlichsten 136-133 und 103-98, kam die Erbitterung der auf das grausamste behandelten Sklaven in blutigen Aufständen (Sklavenkriegen, s. d.) zum Ausbruch. Der Reichtum der Insel und die Kunstschätze der Städte verführten die Statthalter zu Erpressungen und Räubereien, und nur selten fanden die Geschädigten in Rom einen Fürsprecher, wie in Cicero gegen Verres. Griechische Sprache und Sitten blieben jedoch lange herrschend; erst in der römischen Kaiserzeit wurde die Insel latinisiert. In den letzten Zeiten des weströmischen Reichs von öftern Raubzügen des Vandalenkönigs Geiserich heimgesucht, kam S. mit dem Untergang des Reichs an Odoaker, nach dessen Sturz an die Ostgoten und 551 n. Chr. an das byzantinische Reich. 827 landeten die Araber auf S. und nahmen bis auf Syrakus, das erst 878 nach tapferer Verteidigung erobert wurde, die Insel in Besitz, die ihnen 1062-91 durch die Normannen unter Roger entrissen wurde. Rogers Sohn, Roger II., vereinigte 1130 S. mit Neapel zu einem Königreich (s. Sizilien, Königreich beider). Durch die Sizilianische Vesper (30. März 1282) wurde S. wieder von Neapel getrennt und kam unter die Herrschaft Peters von Aragonien, der es 1285 auf seinen zweiten Sohn, Jakob, vererbte. Als dieser 1291 König von Aragonien wurde, verzichtete er zu gunsten der Anjous auf S.; doch wollten die Sizilianer ihre Unabhängigkeit nicht aufgeben und erhoben Peters jüngsten Sohn, Friedrich II. (1291 bis 1337), auf den Thron, der sich siegreich gegen die Anjous und den Papst behauptete und eine Hauptstütze der Ghibellinen in Italien war. Nach der kurzen Regierung seines Sohns Peter II. (1337-42) folgten dessen Söhne Ludwig (1342-55) und Friedrich III. (1355-77), welch letzterer, um vom Kirchenbann losgesprochen zu werden, die Oberlehnsherrlichkeit des Papstes und Neapels anerkannte und sich zur Zahlung eines Zinses an letzteres verpflichtete. Unter der Herrschaft von Friedrichs III. Tochter Maria, welche minderjährig war, wurde S. von Parteiungen zerrissen, indem ein Teil der Barone einem italienischen Prinzen die Hand der Königin und die Herrschaft verschaffen wollte, ein andrer zu Aragonien hinneigte. Letztere Partei siegte, indem Maria mit dem Enkel Peters IV. von Aragonien, Martin, vermählt wurde; doch starb dieser schon 1409, ohne männliche Erben zu hinterlassen, und nun fiel S. an Aragonien, das unter Alfons V. 1442 auch Neapel erwarb. Während dieses 1458-1501 wieder selbständig wurde, blieb S. mit Aragonien vereinigt und stand bis 1713 unter der Herrschaft Spaniens. Im Frieden von Utrecht (1713) wurde S. als Königreich dem Herzog von Savoyen zugeteilt, 1720 aber von demselben gegen Sardinien an Österreich abgetreten, das nun Neapel und S. unter seiner Herrschaft vereinigte und beide Lande 1738 den spanischen Bourbonen als Sekundogenitur überließ. Als König Ferdinand IV. 1806 von Napoleon seines Throns entsetzt wurde, floh er nach S., das er unter dem Schutz der englischen Flotte behauptete, und dem er auf Verlangen des englischen Befehlshabers Lord Bentinck 1812 auch eine freisinnige Verfassung gab. 1815 wurde die Insel mit Neapel zum Königreich beider Sizilien (s. d.) vereinigt. Als 1820 in Neapel die Revolution ausbrach, versuchte S. sich wieder loszureißen; nur durch Personalunion wollte es mit Neapel verbunden sein. Doch wurde der Aufstand mit der Eroberung Palermos (5. Okt.) unterdrückt. Anfang 1848 erneuerte es den Versuch, sagte sich 13. April förmlich von den Bourbonen los und wählte 11. Juli den Herzog von Genua zum König. Indes wurde es im Mai 1849 von den Neapolitanern wieder unterworfen. 1860, als Garibaldi in Marsala landete, schloß sich S. ihm sofort an und ermöglichte hierdurch den Sturz des bourbonischen Königreichs. Doch stieß die italienische Regierung in S. auf große Schwierigkeiten, da der gesetzlose Sinn der Bevölkerung der Errichtung einer kräftigen Verwaltung und gerechten Handhabung der Gesetze widerstrebte. Die Korruption und der Widerstand gegen Gesetz und Recht waren in der Mafia (s. d.) förmlich organisiert und konnten auch durch energische Ausnahmemaßregeln nicht ausgerottet werden. Vgl. di Blasi, Storia del regno di Sicilia (Palermo 1844, 3 Bde.); San Filippo, Compendio della storia di Sicilia (7. Aufl., das. 1859); La Lumia, Studi di storia siciliana (das. 1870, 2 Bde.); Duca di Serradifalco, La antichità della Sicilia (das. 1835-42, 5 Bde.); Holm, Geschichte Siziliens im Altertum (Leipz. 1870-74, 2 Bde.); Amari, Storia dei Musulmani di Sicilia (Flor. 1853-73, 3 Bde.); Derselbe, Biblioteca arabo-sicula (Par. u. Leipz. 1856 ff.; ital. 1880, 2 Bde.; Nachtrag 1889); Bazancourt, Histoire de la Sicile sous la domination des Normands (Par. 1846, 2 Bde.); Graf v. Schack, Geschichte der Normannen in S. (Stuttg. 1889, 2 Bde.); Amari, La guerra del Vespro Siciliano (9. Aufl., Mail. 1885, 3 Bde.); Derselbe, La Sicile et les Bourbons (Par. 1849); Querner, Die piemontesische Herrschaft auf S. (Bern 1879); "Documenti per servire alla storia di Sicilia" (Pal. 1879 ff.).

Sizilien, Königreich beider (Königreich Neapel), bis 1860 selbständiger Staat, seitdem zum Königreich Italien gehörig, zerfiel in das Gebiet diesseit der Meerenge (Neapel im engern Sinn) und das jenseit der Meerenge (Insel Sizilien), umfaßte die Landschaften (compartimenti) Abruzzen und Molise, Kampanien, Apulien, Kalabrien und Sizilien und hatte einen Flächenraum von 111,900 qkm (2033 QM.) mit 8,703,000 Einw. In ältester Zeit von Iapygiern und Sikulern, dann von Oskern und Sabellern erobert, zugleich von den Griechen kolonisiert und Großgriechenland benannt, teilte Unteritalien seit seiner Eroberung durch die Römer (275-266 v. Chr.) die Geschicke Italiens bis zur Zertrümmerung des weströmischen Reichs. Als Belisar 535 das ostgotische Reich angriff, wurden Sizilien und Unteritalien sofort für das oströmische Reich erobert und blieben mit einer geringen Unterbrechung in dessen Besitz, bis 568 die Langobarden in Italien einbrachen, welche in Benevent, Capua, Neapel, Salerno u. a. O. Fürstentümer errichteten. Sizilien und ein Teil des Festlandes (Apulien und Kalabrien) blieben dem byzantinischen Reich und wurden von einem kaiserlichen Statthalter verwaltet, der den Titel Patricius führte und fast unabhängig von Konstantinopel regierte. 827 landeten die Araber auf Sizilien und eroberten es; auch in Kalabrien drangen sie ein. Die langobardischen Fürstentümer hatten inzwischen die Oberhoheit des Hei-^[folgende Seite]