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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Spirito; Spiritualen; Spiritualis; Spiritualisieren; Spiritualismus

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Spirito - Spiritualismus.

ist diejenige durch Musik, die wichtigste von allen aber die durch mechanische Wirkungen, weil man darauf eine Verkehrsmethode, eine wirkliche Unterhaltung mit den Geistern basiert. Die Antworten werden entweder durch eigentümliche Klopftöne im Sitzungstisch oder in andern Möbeln etc. gegeben, um dadurch die Folge der Buchstaben festzustellen, oder kürzer mit dem Manulektor oder Psychographen (s. d.) direkt geschrieben. An dessen Stelle ist in neuester Zeit namentlich durch das Medium Slade die unsichtbare Niederschrift der Antwort auf eine unter den Tisch oder hinter den Rücken gehaltene Schiefertafel getreten. Jedes Medium hat in der Regel seine besondere Art, zu "arbeiten", und man unterscheidet danach Klopfmedien, Schreibmedien etc. Die Spiritisten geben allgemein zu, daß die Geisterantworten oft ungemein albern, zuweilen auch neckisch sind; aber sie erklären sich dies dadurch, daß es auch unwissende, unorthographisch schreibende und boshafte Geister gebe. Weitere mechanische Leistungen der Geister sind: die Entfesselungen gebundener Medien, Knotenknüpfen in beiderseits festgehaltenen Schnüren, Ineinanderbringen hölzerner Ringe, die aus einem Stück bestehen, das Erheben der Möbel und andrer schwerer Gegenstände (s. Tischrücken), Transportierungen derselben, Schweben der Medien und ähnliche Manifestationen, in denen besonders das Medium Home sehr geschickt gewesen sein soll. Zum Gelingen dieser Versuche gehören in der Regel besondere Vorbedingungen, so z. B., daß die Teilnehmer einer Soiree durch Berühren der Hände eine Kette schließen, um angeblich eine Ansammlung und Zirkulation jenes Fluidums zu erzeugen und damit das Medium zu unterstützen, welches durch Ausgabe seines Perisprits oft gänzlich erschöpft werden soll. Manche Versuche gelingen auch bloß im Dunkeln, weil das Licht angeblich die Materialisationen hindert. Der in vielen Fällen selbst den berühmtesten Medien (Home, Slade u. a.) nachgewiesene Betrug hindert die große Gemeinde der Spiritisten nicht, der Sache ferner ihr Zutrauen zu schenken. Was die Geschichte dieser merkwürdigen Bewegung betrifft, so fanden sich ähnliche Praktiken schon seit alten Zeiten in China, Indien, Griechenland und Rom, woselbst man zum Teil in sehr ähnlicher Weise Geisterschriften und Orakel zu erlangen wußte; aber der neuere Anstoß ging von dem quäkerischen Sektenwesen mit seinem Geister- und Erleuchtungsglauben aus, welches sich seit Jahrhunderten in Amerika ausgebreitet hat. Die Geschwister Fox zu Hydesville bei New York sind die Entdecker der Geisterklopferei (1849). Fast gleichzeitig damit begann das Tischrücken (s. d.) für die spiritistischen Anschauungen Propaganda zu machen. Diese "Offenbarungen" gewannen in Amerika in der That sehr bald zahlreiche Anhänger, die eine förmliche Kirche bildeten und ihre Überzeugungen durch eine große Menge Zeitschriften und Broschüren stärkten. Man erzählt von vielen Millionen; doch lassen sich solche Angaben begreiflicherweise nicht kontrollieren, wenn auch zugegeben werden muß, daß die höhern Klassen infolge einer natürlichen Reaktion gegen die herrschenden materialistischen und sozialistischen Lehren der Gegenwart den S. überall mit offenen Armen aufnehmen und in ihm zum Teil das einzige Rettungsmittel der Gesellschaft sehen. In Amerika wirkten als spiritistische Schriftsteller insbesondere Andreas Jackson Davis durch eine Unzahl von Offenbarungen triefender Schriften (z. B. "Der Reformator", "Der Zauberstab", "Die Prinzipien der Natur" etc.), Richter Edmonds, Prof. Hare, Owen ("Das streitige Land") u. a. In Philadelphia soll auf Grund eines größern Legats sogar eine Professur für spiritistische Philosophie errichtet werden. In Europa wollte der S. lange Zeit keinen Eingang gewinnen, und bloß einzelne Medien, wie Home, zogen in den europäischen Hauptstädten umher, um in hohen und allerhöchsten Privatzirkeln "Sitzungen" abzuhalten. Durch Allan Kardec in Paris nahm die Sache mehr den Charakter der reinen Magie, durch den Baron Güldenstubbe, der in seiner "Positiven Pneumatologie" 194 Totenbriefe aus allen Zeiten und in den verschiedensten Sprachen veröffentlichte, denjenigen der Nekromantie und durch den Rendanten Hornung in Berlin das Ansehen einer Burleske an. In neuerer Zeit sind indessen in England namhafte Naturforscher, wie Wallace, der Mitbegründer der Darwinschen Theorie und Verfasser der spiritistischen Schriften: "Die wissenschaftliche Ansicht des Übernatürlichen" und "Eine Verteidigung des modernen S.", sowie der Chemiker Crookes ("Der Spiritualismus und die Wissenschaft") dafür eingetreten und haben sehr viele Bekehrungen im Gefolge gehabt. In Deutschland sind erst durch die Bemühungen des russischen Staatsrats Aksakow und seines litterarischen Gehilfen Wittig diese Lehren heimisch geworden, sofern dieselben, in ihrem Vaterland gesetzlich an solchen Bestrebungen verhindert, bei uns eine spiritistische Zeitschrift ("Psychische Studien", Leipz. 1874 ff.) begründeten und Anregung zur Bildung von Vereinen gaben. Schriftstellerisch haben außerdem M. Perty. Zöllner, K. du Prel, Baron Hellenbach u. a. in dieser Richtung gewirkt, und eine neue Monatsschrift: "Die Sphinx" (hrsg. von Hübbe-Schleiden, Hamb. 1886 ff.), dient der weitern Ausbreitung. Ob dieser von der streng kirchlichen wie von der liberalen und fortschrittlichen Presse gleich lebhaft angefeindeten Bewegung irgend welche nicht durch die bekannten Kräfte erklärbare Thatsachen zu Grunde liegen, wie Hare, Wallace und Crookes behaupten, oder ob eine noch ununtersuchte Nerventhätigkeit, resp. das sogen. Od (s. d.), wie andre wollen, dieselben erklären kann, oder ob alles auf bewußter und unbewußter Täuschung beruht, mag der Zukunft anheimgestellt bleiben. Vgl. A. Aksakow und K. Wittig, Bibliothek für Spiritualismus (Leipz. 1867-77, bisher 14 Bde.); Dixon, Neuamerika (a. d. Engl., Jena 1868); Perty, Der jetzige Spiritualismus (Leipz. 1877); I. H. ^[Immanuel Hermann] Fichte, Der neue Spiritualismus (das. 1878); Zöllner, Wissenschaftliche Abhandlungen (das. 1877-81, 4 Bde.); K. du Prel, Philosophie der Mystik (das. 1885); Hellenbach, Geburt und Tod (Wien 1885); A. Bastian, In Sachen des S. (Berl. 1886); polemische Schriften von Wundt, Vogel, Nagel, E. v. Hartmann u. a. Über die gewöhnlichen Betrügereien und Entlarvungen der Medien haben Home (1877), der später selbst wegen Betrug und Erbschleicherei verurteilt wurde, und Erzherzog Johann von Österreich (1884) geschrieben.

Spirito (ital.), Geist; con s., mit Feuer.

Spiritualen (neulat.), Sittenaufseher in den Priesterseminaren; dann Partei der strengern Franziskaner (s. d.).

Spiritualis (lat.), geistig, dem Materiellen entgegengesetzt; daher Spiritualien, geistige oder geistliche Angelegenheiten, Glaubenssachen.

Spiritualisieren (franz.), begeistern; vergeistigen, spiritualistisch auffassen oder gestalten.

Spiritualismus (lat.), dasjenige metaphysisch-psycholog. System, welches die menschliche Seele für ein rein geistiges oder absolut immaterielles Wesen