Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Spiritus

166

Spiritus (Darstellung des Trinkbranntweins).

eines Gemisches von Alkohol und Wasser liegt zwischen diesen beiden Punkten und ist im allgemeinen um so höher, je geringer der Alkoholgehalt desselben ist. Wird ein solches der Destillation, d. h. dem Kochen in einem Apparat, unterworfen, welcher die vollständige Wiederverdichtung des gebildeten Dampfes in einem andern Teil des Apparats durch Abkühlung gestattet, so erhält man aus dem Dampf eine Flüssigkeit, ein Destillat, welches im Verhältnis zum Wasser mehr Alkohol enthält als die siedende Flüssigkeit. Der einfachste Destillationsapparat, bei welchem der aus der kochenden weingaren Maische sich entwickelnde Dampf sofort vollständig verdichtet wird, liefert ein alkoholarmes Produkt (Lutter, Läuter, Lauer), aus welchem bei abermaliger Destillation (Rektifikation) ein alkoholreicheres Produkt erhalten werden kann. Die verschiedenen Apparate, welche gegenwärtig bei der Spiritusfabrikation in Anwendung sind, liefern sofort ein alkoholreiches Produkt (bis 95 Proz.) und führen die Verdichtung des letzten alkoholreichen Dampfes in sehr verschiedener Weise und mit sehr verschieden gestalteten Apparatteilen aus. Bei dem einfachsten Destillationsapparat benutzt man zur Verdichtung der Dämpfe kaltes Wasser, bei den vollkommnern aber Maische, die bei dieser Verwendung vorgewärmt wird; anderseits schaltet man zwischen Blase und Kühler Verstärkungsvorrichtungen (Verdampfer und Niederschlagsvorrichtungen) ein und trifft Vorkehrungen, um den vollständigen Abtrieb (namentlich durch Anwendung zweier Blasen) zu sichern. In Deutschland war Pistorius der erste, welcher zwei Brennblasen statt einer anwandte und mit den Blasen Rektifikatoren und Dephlegmatoren auf sehr zweckmäßige Weise verband. Wenn man von einem normal konstruierten Apparat verlangt, daß man mit seiner Hilfe nicht nur allen Alkohol aus der Maische, sondern denselben auch möglichst rein konzentriert und zwar mit dem geringsten Aufwand an Zeit, Arbeitslohn und Brennstoff erhalte, so muß man anerkennen, daß der Apparat von Pistorius viel leistet. Es wird ihm deshalb in Norddeutschland (viel weniger in Süddeutschland, wo mehr der Gallsche Apparat eingeführt ist) meist der Vorzug vor andern Brennapparaten gegeben, zu deren Konstruktion der Pistoriussche Apparat in vielen Fällen der Ausgangspunkt war (vgl. Destillation, S. 721).

Sehr gebräuchliche Apparate sind ferner: der Pistoriussche Apparat mit direkter Feuerung, der Pistoriussche säulenförmige Apparat, der Gallsche Wechselapparat, außerdem die Apparate von Neumann, Dorn, Egrot, Siemens und besonders auch der kontinuierlich arbeitende Apparat von Ilges, der beim ersten Abtrieb S. von mindestens 94 Proz. liefert (s. Destillation, S. 723). Eine besondere Art der zusammengesetzten Apparate bilden die namentlich von Savalle gebauten Säulen- oder Kolonnenapparate, welche besonders in Frankreich und Belgien in außerordentlicher Anzahl verbreitet sind, und deren Hauptteil die verschiedenen Arten Verdampfungskapseln bilden. Die Säulenapparate sind meistens für kontinuierlichen Abtrieb eingerichtet und enthalten in vielen Fällen keine eigentliche Blase. Die Verstärkungseinrichtungen sind bei denselben vielfach nicht sehr ausgeprägt, und sie werden dann nur zur Herstellung von 35-50proz., oft sogar nur von 25proz. Destillaten benutzt. Sie sind vorzugsweise für starken, fabrikmäßigen Betrieb bestimmt und setzen, wenn 80proz. S. erzeugt werden soll, eine zweite Destillation oder die Hinzufügung von in Frankreich und Belgien nicht üblichen Verstärkungseinrichtungen voraus. Ein in Frankreich verbreiteter Apparat für kontinuierlichen Betrieb ist endlich der von Derosne verbesserte von Cellier-Blumenthal (s. Destillation, S. 722). Es ist der älteste dieser Art und war ursprünglich nur für die Destillation von Wein (s. oben) bestimmt; doch dient er jetzt auch zur Destillation von andern gegornen dünnen oder klaren Flüssigkeiten, wie z. B. Rübensaft. Für dicke Maischen, wie die in Deutschland zu verarbeitenden, ist er nicht verwendbar.

Um Trinkbranntwein zu erhalten, wird in zweierlei Weise verfahren: Ein Teil des aus verschiedenen Rohstoffen erzeugten alkoholischen Destillats von 80-82 Proz. (Rohspiritus) wird unmittelbar mit Wasser auf die verlangte Branntweinstärke verdünnt, zuweilen durch eine Filtration über Holzkohle in geringem Maß von den in dem Rohspiritus stets als Nebenprodukt der Gärung enthaltenen, unangenehm riechenden und schmeckenden Fuselölen gereinigt und außerdem öfters mit aromatischen, bittern etc. Stoffen versetzt. In dieser Weise werden nur sehr unreine und fuselig schmeckende Branntweine erhalten. Reinere und ganz reine Branntweine bereitet man aus 90-94proz. Sprit, wie derselbe durch Verfeinerung (Raffinierung) des Rohsprits erhalten wird. Die reinsten in dieser Weise erzielten Produkte sind das Material, aus welchem die Liköre und sonstige zusammengesetzte weingeistige Getränke fabriziert werden. Die weitaus größere Menge eigentlichen Trinkbranntweins wird aber so erhalten, daß man die gewünschte geringe Stärke des Produkts (40-50 Proz.) unmittelbar durch Destillation solcher Maischen erzielt, welche eigens zu diesem Zweck hergestellt werden, und aus welchen dann eigentlicher, reinerer S. nicht gewonnen wird. Diese Art, Trinkbranntwein darzustellen, ist in allen Ländern gebräuchlich, jedoch je nach dem Geschmack des Publikums und der Art des Rohmaterials verschieden. Der Absatz des Branntweins ist an den durch Herkommen und Gewohnheit beliebten Geschmack desselben gebunden, und es haben sich demnach in den verschiedenen Gegenden etwas abweichende Branntweinbrennerei-Methoden herausgebildet, welche, Verbesserung durchweg verschmähend, darauf gerichtet sind, dem Produkt gewisse Beimengungen (meist zu den oben erwähnten Fuselölen gehörig) in sehr geringem Verhältnis zu erhalten, welche den besondern, von dem des reinen, verdünnten Alkohols abweichenden Geschmack bedingen. So wird z. B. in Deutschland in kleinen Brennereien aus der vergornen Weizen- und Gerstenmalzmaische zuerst durch Abtrieb in der einfachen Blase über freiem Feuer Lutter dargestellt und aus diesem durch eine zweite Destillation in derselben Weise Branntwein von der gewünschten Stärke gewonnen. In Belgien wird der sogen. Genever sowohl in kleinen als in kolossalen fabrikmäßigen Brennereien aus Roggenmaische erhalten, welche man zuerst mittels eines kontinuierlich arbeitenden Säulenapparats mit ununterbrochenem Dampfbetrieb zu Lutter von etwa 30-35 Proz. abbrennt. Dieser Lutter wird dann ausnahmslos in ganz einfachen Blasen ohne jede Verstärkung über freiem Feuer abgetrieben und so Branntwein von der gewünschten Stärke erhalten. Wacholder wird nicht zugesetzt. Der Abtrieb des Obstbranntweins aus den verschiedenen Obstmaischen (s. oben) geschieht im Kleinbetrieb (z. B. im Schwarzwald) ausschließlich in ganz kleinen, einfachen kupfernen Blasen, welche auf freiem Feuer erhitzt werden. Es wird zwei- oder dreimal gebrannt, also zuerst aus der Maische (durch