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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Storch; Storchnest; Storchschnabel

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Storch - Storchschnabel.

baute Tiere mit langem, kegelförmigem, geradem, an den scharfen Schneiden stark eingezogenem Schnabel, hohen, weit über die Fersengelenke hinauf unbefiederten Beinen, unten breiten Zehen, deren äußere und mittlere bis zum ersten Gelenk durch eine Spannhaut verbunden sind, stumpfen, glatten Krallen, langen, breiten, ziemlich stumpfen Flügeln, in welchen die dritte und vierte Schwinge am längsten sind, kurzem, abgerundetem Schwanz und oft nackten Stellen an Kopf und Hals. Sie sind über alle Erdteile verbreitet, am häufigsten in den heißen; sie bevorzugen ebene, wasserreiche, waldige Gegenden, ruhen nachts und nisten auf Bäumen, einzelne aber mit Vorliebe auf Gebäuden. Sie fliegen sehr schön, gehen schreitend, waten gern im Wasser, schwimmen aber nur im Notfall; ihre Stimme besteht nur in Zischen, dafür klappern sie mit dem Schnabel besonders in der Erregung sehr laut. Sie leben gesellig, manche als halbe Haustiere, ohne indes jemals ihre Selbständigkeit aufzugeben. Sie stellen allen Tieren nach, welche sie bewältigen können, und sind sehr raubgierig; einzelne fressen auch Aas. Der weiße S. (Adebar, Ebeher, Honoter, Haus-, Klapperstorch, C. alba L.), 110 cm lang, 225 cm breit, ist weiß mit Ausnahme der schwarzen Schwingen und längsten Deckfedern; die Augen sind braun, der kahle Fleck um dieselben grauschwarz, Schnabel und Füße sind rot. Er bewohnt Europa mit Ausnahme des höchsten Nordens, auch Vorderasien, Persien, Japan, die Atlasländer und die Kanaren, ist aber höchst selten in England, in fast ganz Griechenland seit dem Unabhängigkeitskrieg ausgerottet; häufig findet er sich in Norddeutschland und Westfalen; im Gebirge ist er unbekannt. Im Winter durchschweift er ganz Afrika und Indien. In Norddeutschland erscheint er etwa Mitte März und weilt bis Mitte August. Er baut sein Nest aus groben Reisern auf starken Bäumen, am liebsten auf den Dächern der Häuser in Städten und Dörfern, und das wiederkehrende Paar bezieht stets das alte Nest wieder. Er nährt sich von Fröschen, Schlangen, Eidechsen, nackten Schnecken, Fischen, Regenwürmern, Mäusen, Maulwürfen, jungen Hasen, mancherlei Insekten (Bienen!), plündert aber auch die Nester aller Bodenbrüter, verschlingt die Eier und die Jungen und zeigt bisweilen große Mordlust. Die unverdaulichen Bestandteile seiner Nahrung speit er in Gewöllen aus. Der angeschossene S. kann Menschen und Hunden gefährlich werden. Die Ehe des Storchenpaars wird im allgemeinen für das ganze Leben geschlossen, doch hat man mehrfach Fälle von Untreue beobachtet. Das einmal begründete Nest wird von demselben Paar lange Jahre benutzt, aber jährlich ausgebessert. Mitte oder Ende April legt das Weibchen 2-5 weiße Eier und brütet sie in 28-31 Tagen aus. Vor dem Abzug versammeln sich alle Störche einer Gegend, und unter großem Geklapper bricht endlich das ganze Heer auf. Man kann die Jungen leicht zähmen, so daß sie auf dem Hof unter dem andern Geflügel herumlaufen. Der schwarze S. (C. nigra Bechst.), 105 cm lang, 198 cm breit, ist schwärzlich, mit grünem und Purpurschiller, an Brust und Bauch weiß; das Auge ist braun, Schnabel und Fuß rot. Er bewohnt Mittel- und Südeuropa, viele Länder Asiens, im Winter Afrika, brütet in ruhigen Waldungen der norddeutschen Ebene, weilt bei uns von Ende März bis August, hat die Lebensweise des Hausstorchs, ist aber viel scheuer und wird oft der Fischerei schädlich. Bei uns brütet er einzeln, in Ungarn aber bildet er Siedelungen, in welchen 20 und mehr Nester in kurzen Entfernungen voneinander stehen. Das Weibchen legt 2-5 Eier und brütet dieselben in vier Wochen aus. Der S. ist allenthalben ein gern gesehener Gast, der mitunter selbst abergläubische Achtung genießt, indem sein Nest das Haus gegen Blitz und Feuersgefahr schützen soll. Auch bei den mohammedanischen Völkern wird er sehr respektiert, weil er zur Verminderung schädlicher Reptilien viel beiträgt. In der Mythologie repräsentiert der S. die regnerische winterliche Jahreszeit. Aus der Wolke oder dem Winter kommt die junge Sonne, das Heldenkind, heraus, daher der deutsche Kinderglaube, daß die Störche die Kinder aus dem Wasser bringen.

Storch, Ludwig, Schriftsteller, geb. 14. April 1803 zu Ruhla bei Eisenach, studierte in Göttingen und Leipzig Theologie, wandte sich jedoch, von Not und Beruf getrieben, früh der schriftstellerischen Laufbahn zu, welche sich äußerlich zu einer vielbewegten gestaltete und ihm den Segen einer ruhigen Existenz und eines festen Aufenthalts nicht zu gewähren vermochte. Am längsten hielt es ihn in Leipzig und Gotha. Seit 1866 lebte er zu Kreuzwertheim in Franken, wo er 5. Febr. 1881 starb. Storchs Talent ist ein begrenztes; doch erfreuen seine "Erzählungen und Novellen" (Leipz. 1853-62, 31 Bde.), wenn sie auch des tiefern poetischen Gehalts ermangeln, ebenso wie seine "Gedichte" (das. 1854) als der Ausdruck eines patriotisch und freisinnig gestimmten Geistes und eines warm empfindenden Gemüts. Die beliebtesten unter den erzählenden Schriften waren: "Der Freiknecht" (Leipz. 1829, 3 Bde.); "Die Freibeuter" (das. 1832, 3 Bde.); "Der Jakobsstern" (Frankf. 1836 bis 1838, 4 Bde.); "Die Heideschenke" (Bunzl. 1837, 3 Bde.); "Max von Eigl" (Leipz. 1844, 3 Bde.); "Ein deutscher Leinweber" (das. 1846-50, 9 Bde.) und "Leute von gestern" (das. 1852, 3 Bde.). Seinen "Poetischen Nachlaß" gab Alex. Ziegler (Eisenach 1882) heraus.

Storchnest, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Posen, Kreis Lissa, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein Demeritenhaus (Disziplinarstrafanstalt für Geistliche) und (1885) 1693 Einw.

Storchschnabel, Pflanzengattung, s. Geranium.

Storchschnabel (Pantograph, früher auch Affe), ein zuerst von Christ. Scheiner 1635 in seiner "Pantographia seu ars delineandi res quaslibet" beschriebenes Instrument zur Übertragung von Zeichnungen in verkleinertem oder vergrößertem Maßstab. Die jetzt üblichste Einrichtung zeigt die beistehende Figur. AB, BC, CD, DA sind vier Lineale, die in den Punkten A, B, C, D drehbar miteinander verbunden sind. Eine Ecke C, auf dem Zeichentisch befestigt, bildet den Drehpunkt (Pivot), die diagonal gegenüberliegende Ecke A trägt den Fahrstift, welcher mittels einer Handhabe auf der zu reduzierenden Zeichnung geführt wird. D und B sind mit Kugeln oder Rollen versehen. Eine fünfte, parallel AD verstellbare Leitschiene trägt den Zeichenstift G, welcher mit AG in gerader Linie liegt. Er wird so eingestellt, daß der Abstand GC zu CA sich verhält wie der Maßstab der reduzierten Zeichnung zur Originalzeichnung. Soll eine Zeichnung vergrößert werden, so wird G der Fahrstift und A der Zeichenstift. Die Schienen erhalten eine einfache Teilung mit Nonien oder eine transversale Teilung. Bei den schweben-^[folgende Seite]

^[Abb.: Storchschnabel (Zeicheninstrument).]