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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Tanger; Tangermann; Tangermünde; Tangerwicke; Tangieren; Tanguten

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Tanger - Tanguten.

Die Horizontalstellung des Fernrohrs ist sehr sorgfältig konstruiert und beruht auf der Horizontalkorrektur einer Stützplatte als der Grundlage für die Messungen, auf welcher die Ständer für das Fernrohr befestigt sind, und auf der darauf selbständig zu bewirkenden Horizontalstellung des Fernrohrs selbst, also mittels zweier Libellen. Auf der Stützplatte ist am Objektivende des Fernrohrs ein Lineal (gerade, nicht Kreisbogen) senkrecht befestigt, an welchem bei Hebungen das Objektivende auf- und niedergeht und zwar mit einem entsprechend sich schiebenden Index und Nonius. Bei 0 des Index auf 0 des Lineals und im übrigen einspielenden Libellen ist die Fernrohrachse horizontal und das Instrument unmittelbar zum gewöhnlichen Nivellieren mit der Latte zu benutzen. Erhebt oder senkt man das Fernrohrende, so wird an dem geraden Lineal nun nicht der Höhen- oder Tiefenwinkel angegeben, wie man ihn zu Höhenmessungen braucht (mit Theodolit oder Kippregel), sondern man liest direkt dessen Tangente ab, kann also bei bekannter Horizontalentfernung des Instruments vom Objekt sofort den Höhenunterschied ermitteln. Vgl. Prüsker, Der T. (Wien 1879).

Tanger (arab. Tandscha), Seestadt in der marokkan. Provinz Hasbat, am westlichen Eingang der Straße von Gibraltar, amphitheatralisch am Abhang eines kahlen Kalkgebirges erbaut, hat meist unregelmäßige, enge und steil aufsteigende Straßen, schöne Moscheen, ein Franziskanerkloster mit Kapelle, dem einzigen christlichen Gotteshaus im ganzen Reich, mehrere Synagogen und Häuser europäischer Agenten, eine alte, teilweise verfallene Citadelle, aber bedeutende Befestigungen am Hafen. Dieser ist zwar klein und von geringer Tiefe, die Reede aber schön und ziemlich geräumig. T. ist der bedeutendste Seehandelsplatz Marokkos und unterhält namentlich einen sehr lebhaften Verkehr mit Gibraltar. Es liefen 1887: 806 Schiffe von 168,598 Ton. ein; der Wert der Ladungen betrug im Eingang 8,52, im Ausgang 4,4 Mill. Mk. Die Konsuln (darunter auch ein deutscher) in T. haben dort eine bedeutendere Stellung als an irgend einem andern Orte, da sie die politischen Vertreter ihrer Staaten beim Sultan von Marokko sind. Da letzterer nicht gestattet, daß Europäer in seiner Hauptstadt residieren, so läßt er seinen Minister der auswärtigen Angelegenheiten in T. wohnen, wo derselbe zugleich Gouverneur ist. Die Einwohner, 20,000 an der Zahl, sind meist Mauren; dazu kommen Juden spanischen Ursprungs und wenige Europäer. - T. hieß bei den Römern Tingis und ward unter Kaiser Claudius Hauptstadt der Provinz Tingitana oder des westlichen Mauritanien. Die Westgoten eroberten es im 5. Jahrh., im 8. Jahrh. kam es an die Araber. Die Portugiesen brachten es 1471 in ihre Gewalt. 1662 ward es als Brautschatz der portugiesischen Infantin Katharina bei deren Vermählung mit Karl II. von England an letzteres abgetreten, aber wegen der kostspieligen Unterhaltung 1684 aufgegeben, worauf es die Mauren wieder in Besitz nahmen. Am 6. Aug. 1844 ward es von einer französischen Flotte bombardiert, worauf 10. Nov. daselbst der Friede zwischen Frankreich und Marokko abgeschlossen ward.

Tangermann, Wilhelm (pseudonym Victor Granella), altkathol. Theolog und Schriftsteller, geb. 6. Juli 1815 zu Essen an der Ruhr, bezog 1840 die Akademie Münster, vollendete hier den philosophischen Kursus und begann das Studium der Theologie, das er 1842-43 in München unter Döllinger, Görres und Haneberg beendete. Darauf in das erzbischöfliche Klerikalseminar zu Köln aufgenommen, erhielt er 1845 die Priesterweihe und ward 1846 Kaplan in Neuß, 1862 in Unkel. Infolge seiner Weigerung, die vatikanischen Dekrete vom 18. Juli 1870 anzuerkennen, wurde er seines Amtes entsetzt, zog nach Bonn und übernahm 1872 das Pfarramt bei der neuen altkatholischen Gemeinde zu Köln. Von seinen Schriften nennen wir: "Wahrheit, Schönheit und Liebe", philosophisch-ästhetische Studien (Leipz. 1867); "Patriotische Lieder und Zeitgedichte" (Bonn 1871); "Aus zwei Welten", Wahrheit und Dichtung (Leipz. 1871); "Diotima", eine kulturhistorische Novelle (Köln u. Leipz. 1873); "Zur Charakteristik der kirchlichen Zustände" (das. 1874); "Herz und Welt", Dichtungen (das. 1876); "Philosophie und Christentum in ihren Beziehungen zur Kultur- und Religionsfrage" (das. 1876); "Das liberale Prinzip in seiner ethischen Bedeutung für Staat und Kirche etc." (3. Aufl., Köln 1883); "Sions Harfenklänge" (Bonn 1886); "Philosophie und Poesie", Sonettenkränze (Köln 1886); "Neuer Frühling, neues Leben. Zeitbetrachtungen" (Essen 1889). Alle diese Schriften stehen mit der geistigen Richtung, als deren unerschrockener Streiter T. eingetreten ist, im Zusammenhang, offenbaren aber über ihren tendenziösen Zweck hinaus eine poetische Anlage u. vertiefte Bildung.

Tangermünde, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Magdeburg, Kreis Stendal, am Einfluß der Tanger in die Elbe und an der Eisenbahn Stendal-T., hat Mauern und Thore aus dem Mittelalter, die 1376 begonnene gotische Stephanskirche, ein Schloß, ein spätgotisches Rathaus, eine Schifferschule, ein Amtsgericht, Zuckerraffinerie, Öl- und Schrotfabrikation, Bierbrauerei, Schiffbau, Schiffahrt, Getreidehandel, Fischerei und (1885) 5852 Einw. In der Nähe an der Tanger und der Linie Leipzig-Wittenberge der Preußischen Staatsbahn die Tangerhütte mit Raseneisensteingräberei, Eisengießerei, einem Emaillierwerk und (1885) 200 Einw. - T. erscheint schon im 12. Jahrh. als Stadt. Die dortige Burg war wiederholt Residenz der Markgrafen von Brandenburg, besonders zur Zeit Kaiser Karls IV., wurde aber 1640 von den Schweden größtenteils zerstört; von dem alten Bau ist noch der Kapitelsturm übrig. Vgl. Götze, Geschichte der Burg T. (Stendal 1871).

Tangerwicke, s. v. w. Lathyrus tingitanus.

Tangieren (lat.), berühren; Eindruck machen.

Tanguten (bei den Chinesen Sifan, d. h. westliche Barbaren), ein den Tibetern nahe verwandtes Volk in den Alpenländern westlich von den chinesischen Provinzen Schensi und Setschuan, am obern Lauf der Zuflüsse des Huangho und Jantsekiang. Sie werden seit 634 n. Chr. in den chinesischen Annalen öfters erwähnt und sind gegenwärtig den Chinesen tributpflichtig. Die T. sind von mittlerm, aber kräftigem Wuchs, mit schwarzem Haar und starkem, kurzgeschornem Bart, gerader Nase, großen, nicht schmal geschlitzten Augen und dicken, oft aufgeworfenen Lippen. Ihre Kleidung, bei beiden Geschlechtern dieselbe, besteht in einer Art Schlafrock aus Tuch oder Schaffellen. Ihre Unsauberkeit überschreitet alle Grenzen. Die Sprache der T. gehört zur tibetischen Gruppe der einsilbigen Sprachen. Die T. sind Nomaden, welche sich vornehmlich mit Schafzucht befassen; nach der Farbe der Zelte, unter welchen sie wohnen, unterscheidet man schwarze oder gelbe T. Ihre Religion ist ein durch allerhand Aberglauben entstellter Buddhismus. Alle T. werden von eignen Beamten regiert, welche einem chinesischen Beamten in Sinin (Kansu) unterstellt sind.