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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Tastwerkzeuge; Tat; Tatar-Bazardschik; Tatarei; Tataren

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Tastwerkzeuge - Tataren.

Kälte oder anhaltender Hitze. Objektive Temperaturempfindungen entstehen somit nicht bloß bei Veränderungen der Hauttemperatur, sondern auch beim Durchgang bedeutender Wärmemengen durch die konstant temperiert bleibende Haut. Wir vermögen zwischen 14 und 29° R. noch Temperaturunterschiede von 1/5-1/6°, jedoch nur bei sehr großer Aufmerksamkeit, zu erkennen. Am bevorzugtesten sind in dieser Beziehung die Zungenspitze, die Gesichtshaut, die Finger. Die Fähigkeit für Temperaturwahrnehmungen wird durch verschiedene Umstände vorübergehend beeinträchtigt, so z. B. schon durch Eintauchen der Hand in Wasser von einigen 50 Grad, durch Schmerzen verschiedener Art u. dgl. Ist eine Hautstelle durch Eintauchen in niedrig temperiertes Wasser (z. B. von 10°) abgekühlt worden, so empfindet man beim Einbringen derselben in Wasser von z. B. 16° einige Sekunden hindurch Wärme, so lange nämlich, als die Hauttemperatur von 10 auf 16° steigt. Dann erst folgt anhaltendes Kältegefühl. Die jeweilige Temperatur der Haut veranlaßt also falsche Beurteilungen der objektiven Temperatur. Schnelle Temperaturveränderungen der Haut bedingen lebhaftere Empfindungen. Kalte Körper, welche die Wärme gut leiten, wie Metalle, halten wir deshalb (weil sie der Haut die Wärme schnell entziehen) für viel kälter als andre gleich kalte, welche schlechte Wärmeleiter sind, wie z. B. Holz, Stroh etc. Die Hand empfindet das gleiche Gefühl des Brennens bei Luft von 120°, bei Holz von 80° und bei Quecksilber von 50°, weil die Luft langsamer als das Holz, dieses langsamer als das Quecksilber die Wärme an den Körper abgibt. Kleine Hautstrecken verursachen schwächere Temperatureindrücke als größere. Taucht man z. B. einen Finger der linken Hand in Wasser von 32° R., die ganze rechte Hand dagegen in ein solches von 28½°, so erscheint uns letzteres gleich wohl wärmer als das erstere, während der Unterschied sofort den wirklichen Verhältnissen entsprechend erscheint, wenn man beide Hände ganz eintaucht. Die Fundamentalarbeit über den T. verdanken wir E. H. Weber: "Über T. und Gemeingefühl" in Wagners "Handwörterbuch der Physiologie".

Tastwerkzeuge (Tastorgane), die zum Tasten oder Fühlen dienenden Einrichtungen des tierischen Körpers, liegen ausnahmslos in der Haut und bestehen aus besondern Hautzellen, welche nach innen zu mit einer Nervenfaser in Verbindung stehen, um den empfangenen Reiz zur Wahrnehmung zu bringen, nach außen gewöhnlich ein Haar oder sonst eine Vorrichtung zur Erleichterung der Berührung mit einem Fremdkörper tragen. Bei den meisten Tieren ist nicht die ganze Haut in gleichem Maß mit Tastwerkzeugen ausgestattet, sondern diese finden sich meist an besondern Anhängen (Fühlern, Tentakeln, Gliedmaßen) und dann oft in großer Anzahl. Bei den Wirbeltieren speziell sind die T. besonders entwickelt in der Umgebung des Mundes (sogen. Barteln mancher Fische, Tasthaare oder Schnurrhaare mancher Säugetiere) und vielfach auch an den Händen und Füßen. Wegen der eigentümlichen Tastkörperchen s. Haut, S. 232.

Tat, iranischer Volksstamm, welcher mit den verwandten Guran den äußersten Westen von Iran bewohnt und dort dieselbe Stelle einnimmt wie die Tadschik im äußersten Osten. Sie treiben Ackerbau in der Provinz Baku, wohin sie unter den Sassaniden aus Aserbeidschân eingewandert sein sollen, die Guran im Zagros. Die Sprache beider Völker nähert sich dem Persischen.

Tatar-Bazardschik, Stadt in Ostrumelien, an der Maritza und der nach Konstantinopel führenden Eisenbahn, hat starken Reisbau und (1887) 15,659 Einw. (ca. ¼ Türken). In der Umgegend viel Weinbau. T. wurde um 1420 von Tataren gegründet, welche Sultan Mohammed von Brussa dorthin verpflanzte.

Tatarei (unrichtig Tartarei), im Mittelalter Name Innerasiens, dessen gegen W. heranstürmende Horden man unter dem Gesamtnamen der Tataren (s. d.) begriff. Später nannte man die Kleine oder europäische T. die russischen Gouvernements Krim, Astrachan und Kasan, im engern Sinn aber insbesondere die Krim und die Gegenden am untern Dnjepr und Don. Die Große oder asiatische T., seit dem 13. Jahrh. von ihrem Beherrscher, dem Sohn Dschengis-Chans, auch Dschagatai genannt, führt jetzt in den geographischen Werken den allgemeinen Namen Zentralasien (s. d.), teilweise auch Turkistan (s. d.). Die Namen chinesische oder Hohe T. für das östliche und Freie T. für das westliche (russische) Turkistan sind jetzt außer Gebrauch.

Tataren, ursprünglich Name eines mongol. Volksstammes, der aber im weitern Verlauf nicht nur auf die Mongolen überhaupt, sondern infolge des politischen Übergewichts, welches dieselben nach Dschengis-Chan in Asien besaßen, auch auf die ihnen unterworfenen verwandten Völker übertragen ward. Gegenwärtig bezeichnet man mit dem Namen T. einen Zweig des uralaltaischen Volksstammes, der von den Gestaden des Mittelländischen und Schwarzen Meers bis an die Ufer der Lena in Sibirien eine Reihe von Völkerschaften umfaßt, als: die Jakuten, die nordöstlichsten Glieder des Zweigs, an der Lena; die Buruten oder schwarzen Kirgisen, im chinesischen Turkistan; die Kirgisen oder Kasak (in drei Horden); die Uzbeken, von Bochara bis zum Kaspischen Meer; die Turkmenen, südlich vom Oxus bis Kleinasien; die Karakalpaken, südlich vom Aralsee; die Kumüken, im nordöstlichen Kaukasus; die Osmanen, die türkischen Bewohner der europäischen Türkei und teilweise Kleinasiens, und die T. im engern Sinn. Die letztern werden nach ihrer Lebensweise als ansässige und nomadisierende T. unterschieden. Ihre Zahl wird geschätzt auf 1,200,000 im europäischen Rußland, 100,000 im Kaukasus und 70,000 in Sibirien; sie sind alle Mohammedaner. Die Kasanschen T. haben durch ihre Vermischung mit Finnen und Russen ihren mongolischen Typus mehrfach eingebüßt; sie zeichnen sich durch Nüchternheit, Gastfreiheit und Arbeitsamkeit aus, sind sehr begabt, können alle lesen und schreiben und ernähren sich vorzugsweise durch den Handel; ihre Zahl wird auf 450,000 angegeben. Die Krimschen T. werden in Steppen- und Bergtataren eingeteilt, von denen die erstern den mongolischen Typus recht rein erhalten haben. Sie beschäftigen sich vorzugsweise mit Viehzucht, namentlich Schafhaltung; einige unter ihnen bauen auch Tabak, Arbusen und Melonen. Der Reichtum der Bergtataren besteht in Frucht- und Obstgärten. Ihr häusliches Leben ist durch Sauberkeit und Ordnungsliebe ausgezeichnet. Ihre Zahl wird auf 250,000 geschätzt. Die stark mit Mongolen vermischten Nogaiischen T. oder Nogaier wohnen, 50,000 Seelen stark, zwischen dem Schwarzen und dem Kaspischen Meer an den Flüssen Kuban, Kuma, Wolga und in der Krim. Die Sibirischen T. sind zum größten Teil ansässig, nur ein kleiner Teil nomadisiert. Ein Hauptstamm derselben sind die Tureliner, aus denen man die eigentlichen T. und die nach den von ihnen bewohnten Gegenden benannten Taraischen, Tobolskischen, Tjumenschen und Tomskischen T. unterscheidet. Zum Teile leben sie in Städten und