Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

549

Tauschwirtschaft - Tautochronische Erscheinungen.

Tauschwirtschaft wird oft die heutige auf Privateigentum und Arbeitsteilung beruhende gesellschaftliche Ordnung genannt, bei welcher die meisten oder alle für Befriedigung der eignen Bedürfnisse erforderlichen Güter auf dem Weg des Tausches (Kaufs) beschafft werden.

Tausend, Einheit der dritten höhern Ordnung im dekadischen Zahlensystem. Beim Handel mit Stab- und Faßholz sowie mit Schieferplatten unterscheidet man das Großtausend, = 1200, von dem ordinären T., = 1000 Stück.

Tausendfuß, s. v. w. Vielfuß.

Tausendfüßer (Myriopoda, Myriopoden), Klasse der Gliederfüßer (Arthropoden), landbewohnende, flügellose Tiere mit zahlreichen Körperringen und Füßen. Der Kopf ist vom Rumpf deutlich abgesetzt, dagegen zerfällt der letztere nicht, wie bei den Insekten, in Brust und Hinterleib, sondern bildet einen gleichförmigen, runden oder platt gedrückten Cylinder. Am Kopf, welcher dem der Insekten sehr ähnlich ist, befinden sich die zwei Fühler, die Augen und zwei Kieferpaare. Am Rumpf trägt jeder Ring ein Paar sechs- bis siebengliederiger Beine, nur bei der Abteilung der Chilognathen (s. unten) ein jeder, mit Ausnahme der drei ersten, zwei Paare. Im innern Bau stimmen die T. in den meisten Punkten mit den Insekten überein. Das Nervensystem besteht aus dem Gehirn und der sehr langen Bauchganglienkette; die Augen sind nur selten echte zusammengesetzte (facettierte), gewöhnlich Gruppen von Einzelaugen, fehlen aber auch wohl gänzlich. Der Darm durchzieht fast immer in gerader Linie den Leib vom Mund zu dem am hintern Körperende gelegenen After und zerfällt in die Speiseröhre mit den in sie mündenden Speicheldrüsen, den Magendarm mit kurzen Leberschläuchen und den Enddarm, in welchen auch die zwei oder vier Harnkanäle (sogen. Malpighische Gefäße) ihren harnartigen Inhalt entleeren. Das Herz erstreckt sich als pulsierendes Rückengefäß durch den ganzen Rumpf. Zur Atmung dienen die Tracheen (s. d.), deren Luftlöcher (Stigmen) an fast allen Ringen vorhanden sind. Die Geschlechtsorgane (Hode, resp. Eierstock) sind meist lange, unpaare Schläuche und münden entweder mit einfacher Öffnung am hintern Körperende oder mit doppelter (rechter und linker) Öffnung an dem zweiten Beinpaar aus. Die Eier werden abgelegt; die aus ihnen hervorkommenden Jungen haben erst wenige (bei den Chilognathen sogar nur drei) Beinpaare und Ringe, erhalten dieselben aber durch eine Reihe von Häutungen nach und nach, indem hinten stets neue Ringe sich abschnüren. Die T. leben unter Steinen oder Baumrinde, an feuchten, dunkeln Orten und in der Erde; die Chilopoden ernähren sich räuberisch von Insekten und andern kleinen Tieren, die Chilognathen von vegetabilischer Kost, besonders von modernden Pflanzenteilen und Aas. Man kennt 500-600 Arten, welche meist den Tropen angehören. Fossile Reste findet man im Jura, viel zahlreicher aber im Bernstein. Man teilt die T. in zwei Gruppen: 1) die Schnurasseln oder Chilognathen (Chilognatha); je zwei Beinpaare an den mittlern und hintern Leibesringen; hierher unter andern die Gattung Julus (Vielfuß, s. d.); 2) die Lippenfüßer oder Chilopoden (Chilopoda); an jedem Ring nur ein Beinpaar; die beiden ersten Paare als Kieferfüße dicht an den Mund gerückt (daher der Name Lippenfüßer); hierher unter andern die Gattung Scolopendra (Skolopender, s. d.). Vgl. Latzel, Die Myriopoden der österreichisch-ungarischen Monarchie (Wien 1880-84, 2 Bde.).

Tausendgraufläschchen, s. Spezifisches Gewicht.

Tausendgüldenkraut, s. Erythraea.

Tausendjähriges Reich, s. Chiliasmus.

Tausendschön, s. Amarantus und Bellis.

Tausendundeine Nacht, berühmte alte Sammlung morgenländ. Märchen und Erzählungen, über deren Ursprung viel gestritten worden ist. Man hat sie für indischen, persischen, arabischen Ursprungs gehalten; jedenfalls haben alle diese Länder ihre Beiträge dazu geliefert. Die jetzige Gestalt des Ganzen bietet ein anschauliches Bild arabischen Lebens dar. Das Werk scheint in seinen Grundzügen im 9. Jahrh. n. Chr. entstanden zu sein, und es mag ihm die ältere persische Sammlung "Hesâr efschâne" ("Die 1000 Märchen") des Rasti zu Grunde liegen. Das Ganze in seiner jetzigen Gestalt stammt aus Ägypten und zwar aus dem 15. Jahrh. und wurde im Abendland erst durch Gallands "Les mille et une nuits" (Par. 1704-1708, 12 Bde.; in den verschiedenen Auflagen vermehrt von Caussin de Perceval u. a.) bekannt. Die vollständigste deutsche Übersetzung der Gallandschen Bearbeitung ist die von Habicht, v. d. Hagen und Schall (5. Aufl., Bresl. 1840, 15 Bde.). Neue, selbständig nach dem Original gearbeitete Übersetzungen ins Deutsche lieferten Weil (neueste Ausg., Stuttg. 1889, 4 Bde.) und König (neue Ausg., Brandenburg 1876, 4 Bde.), ins Englische Lane (neueste Ausg., Lond. 1877, 3 Bde.). Eine Ausgabe des Originals besorgten Habicht und Fleischer (Bresl. 1825-1843, 11 Bde.) sowie Macnaghten (Kalk. 1839-42, 4 Bde.). Unter den mannigfachen Nachbildungen der Sammlung sind Petit de la Croix und Lesages "Mille et un jours" (Par. 1710, 5 Bde.; deutsch von v. d. Hagen, Prenzl. 1836, 11 Bde.), ferner "Les mille et une heures" (Amsterd. 1733, 2 Bde.) und "Les mille et un quart d'heure" (Haag 1715-17, 3 Bde.) zu nennen.

Tausig, Karl, Klavierspieler, geb. 4. Nov. 1841 bei Warschau, war bis zum 14. Jahr Schüler seines Vaters, genoß später in Wien noch den Unterricht Boklets, Thalbergs und Liszts, machte Kunstreisen, lebte dann in Dresden, 1861-62 in Wien und von 1866 an als königlicher Hofpianist in Berlin, wo er bis 1870 eine Akademie für Klavierspiel leitete. Er starb bereits 17. Juli 1871 in Leipzig. Als genialer Virtuose von keinem seiner Zeitgenossen übertroffen, ließ sich T. so wenig wie sein Vorbild Liszt dazu verleiten, seine Kraft jemals anders als im Dienste der reinsten Kunst zu verwenden. Gleich groß als Interpret der klassischen wie der modernen Klaviermusik, konnte er auch als Lehrer nach allen Seiten anregend wirken und einen für die Kürze seiner Künstlerlaufbahn außerordentlichen Einfluß ausüben. Von seinen Kompositionen sind nur wenige veröffentlicht. Weite Verbreitung fanden seine Klavierbearbeitungen Wagnerscher Opern (z. B. der Klavierauszug der "Meistersinger") und die von ihm veranstaltete Ausgabe des Clementischen "Gradus ad parnassum". Vgl. Weitzmann, Der letzte der Virtuosen (Berl. 1868).

Tautazismus (griech.), Häufung von gleichen Anfangslauten in nacheinander stehenden Silben oder Wörtern.

Tautochrōne (Isochrone, griech.), Linie gleicher Fallzeit, s. Cykloide und Fall, S. 16.

Tautochrōnische Erscheinungen, in der Astronomie Erscheinungen, welche für alle Beobachter in demselben absoluten Moment stattfinden, wie die Mondfinsternisse, die Verfinsterungen der Jupitermonde; auch solche, welche, wie die Schwingungen eines Pendels, in genau gleichen Zeiträumen stattfinden.