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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Teerbutt - Tegel.

rekt in den T. leitet. Der Wasserdampf reißt die flüchtigen Kohlenwasserstoffe dampfförmig mit sich fort und wird mit ihnen zugleich in Kühlapparaten verdichtet. Die erste Verwertung des Teers zur Gewinnung von Leuchtölen datiert von 1839, wo Selligue und de la Haye in Autun den T. von bituminösem Schiefer in dieser Weise verarbeiteten. Zu Ende der 40er Jahre stellte Young bei Glasgow aus Bogheadkohlenteer ein Mineralöl (Hydrokarbür) und Paraffin dar, und um dieselbe Zeit entstanden die irischen Öl- und Paraffinfabriken, welche Torf verarbeiteten. Seit 1850 entwickelte sich die Paraffinindustrie in Deutschland (vgl. Paraffin). Steinkohlenteer wurde zuerst etwa 1846 destilliert, um karbolsäurehaltiges Teeröl zur Imprägnierung von Eisenbahnschwellen zu gewinnen. Das leichte Teeröl wurde nur von Brönner als Fleckwasser benutzt und galt als lästiges Nebenprodukt, bis es um 1856 durch die Entwickelung der Anilinfarbenindustrie allmählich der wichtigste Bestandteil des Teers wurde. Die erste größere Fabrik zur Verarbeitung von Steinkohlenteer in Deutschland wurde 1860 in Erkner bei Berlin gegründet. Erst später gewannen wieder die schwerer flüchtigen Teerbestandteile, wie Karbolsäure, Naphthalin und Anthracen, erhöhte Bedeutung. Die leichten Steinkohlenteeröle werden wegen ihres Gehalts an Benzol und Toluol hauptsächlich in der Farbenindustrie benutzt, schwerere karbolsäurehaltige Öle dienen zum Imprägnieren des Holzes, schwere Kohlenwasserstoffe als Schmieröl, Naphthalin und Anthracen finden Verwendung in der Farbenindustrie, ebenso das Phenol, welches aber auch zu sehr vielen andern Zwecken, namentlich zur Darstellung von Salicylsäure und in der Medizin, benutzt wird. Aus Toluol und Naphthalin stellt man auch Benzoesäure dar. Der Asphalt wird zur Darstellung von Asphaltröhren und Briketten, zum Belegen von Fußböden etc. benutzt, außerdem dient Steinkohlenteer auch zu konservierenden Anstrichen, zum Vertreiben von Ungeziefer, und wo er keinen Absatz findet, verbrennt man ihn in Gasanstalten zum Heizen der Retorten. Der Steinkohlenteer der Berliner Gasanstalten liefert:

^[Liste]

Benzol und Toluol 0,80

Sonstige wasserhelle Öle 0,60

Kristallisierte Karbolsäure 0,20

Kresol etc. 0,30

Naphthalin 3,70

Anthracen 0,20

Schwere Öle 24,00

Steinkohlenpech 55,00

Wasser und Verlust 15,20

Die Teermenge beträgt bei der Leuchtgasfabrikation 5 Proz. vom Gewicht der Steinkohlen, und da nun in Berlin jährlich 6 Mill. Ztr. Kohle verarbeitet werden, so erhält man 300,000 Ztr. T., dessen Beschaffenheit aber von der Beschaffenheit der Kohle abhängig ist. In England verarbeitet man jährlich 3,5, in Frankreich 1, in Deutschland 0,75, in Belgien und Holland 0,45, zusammen 5,7 Mill. Ztr. T., welche an Ausbeute ergeben: Anthracen 19,000, Benzol 57,000, Naphtha 42,700 Ztr. Von großer Bedeutung dürfte der T. werden, welcher beim Raffinieren des Erdöls als Rückstand bleibt, insofern derselbe, wenigstens derjenige von südrussischem Erdöl, Produkte liefert, die reich an Benzol, Toluol und Anthracen sind und daher für die Teerfarbenindustrie ein wertvolles Rohmaterial bilden. Vgl. Lunge, Destillation des Steinkohlenteers (Braunschw. 1867); Derselbe, Industrie der Steinkohlenteerfabrikation (3. Aufl., das. 1888); Bolley-Kopp, Chemische Verarbeitung der Pflanzen- und Tierfasern (das. 1867-74); Wagner, Übersicht der Produkte der trocknen Destillation der Steinkohlen (Würzb. 1873); Schultz, Chemie des Steinkohlenteers (2. Aufl., Braunschw. 1887 ff., 2 Bde.),

Teerbutt, s. v. w. Flunder, s. Schollen.

Teerfarben, aus Teerbestandteilen dargestellte Farben, also die farbigen Derivate des Anilins (welches aus Benzol gewonnen wird), Naphthalins, Anthracens, Phenols etc. Vgl. Schultz, Chemie des Steinkohlenteers, Bd. 2 (2. Aufl., Braunschw. 1887 ff., 2 Bde.); Nietzki, Organische Farbstoffe (Bresl. 1886); Schultz und Julius, Übersicht der künstlichen organischen Farbstoffe (Berl. 1888); Heumann, Die Anilinfarben und ihre Fabrikation (Braunschw. 1888).

Teerfeuer (Blüse), Feuerzeichen in der Nähe von Sandbänken, Untiefen, Klippen.

Teergalle, s. v. w. Harzgalle, s. Harzfluß.

Teerjacke, Spitzname der Matrosen (vgl. Jack).

Teeröl, s. Teer.

Teerpappe, s. Dachpappe.

Teerseife, Hebras flüssige, s. Kaddigöl.

Tees (spr. tihs), Fluß im nördlichen England, entspringt am Croß Fell in Westmoreland, durchfließt das romantische Teesdale und mündet nach einem Laufe von 153 km unterhalb Middlesbrough in die Nordsee. Seine Einfahrt schützen zwei große aus Schlacken gebildete Wellenbrecher, je 3292 m lang.

Teetotalismus (neuengl., spr. ti-), das System der vollständigen Enthaltsamkeit von dem Genuß alkoholischer Getränke, wie es Joseph Livesay 1. Sept. 1832 zu Preston begründete. Die Vorsilbe scheint auf den an die Stelle des streng verbotenen Branntweingenusses empfohlenen Thee hindeuten zu sollen. Vgl. Mäßigkeitsvereine.

Tef, s. Eragrostis.

Teffe (früher Ega), kleine Stadt in der brasil. Provinz Amazonas, an einer seeartigen Erweiterung des Flusses T., der 10 km unterhalb in den Amazonenstrom mündet. Handel mit Waldprodukten und Viehzucht bilden die Haupterwerbsquellen.

Tefilla (hebr.), s. Siddur.

Tefnut, ägypt. Göttin, löwenköpfig und mit dem Diskus auf dem Haupte dargestellt, gewöhnlich die Gefährtin des Gottes Schu.

Tegal (Tagal), niederländ. Residentschaft auf der Nordküste der Insel Java, 3800 qkm (69 QM.) groß mit (1885) 986,544 Einw., worunter 706 Europäer, 6859 Chinesen und 380 Araber. Das Land ist außerordentlich fruchtbar und vortrefflich kultiviert. Die gleichnamige Hauptstadt hat einen Hafen, ein Fort, nicht unbedeutenden Handel und 30,000 Einw.

Tegea, feste Stadt im alten Arkadien, mit eignem Gebiet (Tegeatis), hatte früher eigne Könige und war die bedeutendste Stadt Arkadiens, öfters (560, 479, 464) mit Sparta im Kampf, aber im Peloponnesischen Krieg dessen treuer Verbündeter. Nach der Schlacht von Leuktra trat es gezwungen in den Achäischen Bund. Ruinen 6 km südöstlich von Tripolitsa (s. d.). In T. stand ein berühmter Prachttempel der Athene Alea, von Skopas 394 v. Chr. gebaut.

Tegel, Lokalname für einen kalkhaltigen Tertiärthon des Wiener Beckens, s. Tertiärformation.

Tegel, Dorf im preuß. Regierungsbezirk Potsdam, Kreis Niederbarnim, am gleichnamigen Havelsee, 11 km von Berlin und mit diesem durch eine Pferdebahn verbunden, hat eine evang. Kirche, eine Schiff- und Maschinenbauanstalt, eine große Mühle, Wasserwerke für die Stadt Berlin und (1885) 1652 meist evang. Einwohner. Dabei das durch Schinkel 1822 bis 1824 umgebaute Schloß T., ehedem Besitzung und Wohnstätte Wilhelms v. Humboldt, mit sehenswerten Kunstschätzen und schönem Park, welcher die Grabstätte der Brüder Humboldt enthält. Vgl. Waagen, Schloß T. und seine Kunstwerke (Berl. 1859).