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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Tiberias; Tiberinus; Tiberius; Tiberius Claudius Nero

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Tiberias - Tiberius Claudius Nero.

pagna, welche durch rasches Schneeschmelzen und langes Regenwetter bei weitgehender Entwaldung des Flußgebiets verursacht werden. Den Lauf des Flusses zu regeln und diese Überschwemmungen zu verhüten, ist eine der schwierigsten noch ungelösten Aufgaben der italienischen Wasserbaumeister. Der T. ist von der Mündung der Nera an schiffbar, von Rom aus auch für kleine Dampfer und Segelschiffe bis zu 180 Ton. Sein Wasserstand ist auch im Sommer höher, als man erwarten sollte, und es ist anzunehmen, daß er durch unterirdische Zuflüsse aus dem Kalkgebirge genährt wird. Er ist beständig trübe und von den Thonmassen gelblichweiß gefärbt, welche er von den umbrischen Bergen und Ebenen mitführt, um sie an seiner Mündung abzulagern. Er schiebt deshalb sein Delta sehr rasch ins Tyrrhenische Meer vor und hat alle Hafenanlagen ausgefüllt und unbrauchbar gemacht; die älteste, Ostia, liegt jetzt 6½ km vom Meer. Vgl. Smith, The T. and its tributaries (Lond. 1877); Nissen, Italische Landeskunde, Bd. 1 (Berl. 1883).

Tiberias, Stadt in Palästina (Galiläa), am westlichen Gestade des Sees Genezareth, der daher auch See von T. heißt, Gründung und gewöhnliche Residenz des Herodes Antipas, der ihr dem Kaiser Tiberius zu Ehren den Namen gab, war durchaus im römisch-griechischen Geschmack erbaut, mit Amphitheater, Rennbahn etc. und daher den strenggläubigen Juden zuerst verhaßt. Nach dem Untergang des jüdischen Staats war T. Jahrhunderte hindurch Sitz einer berühmten jüdischen Akademie und Mittelpunkt der jüdischen Nation, wo Mischna und Talmud entstanden. Das Christentum fand nur langsam seit Konstantin Eingang. 637 fiel die Stadt den Arabern in die Hände. Während der Kreuzzüge galt sie als eins der wichtigsten Bollwerke der Kreuzfahrer; aber 4. Juli 1187 erlitten die Christen bei Hattin unweit T. durch Saladin eine entscheidende Niederlage, welche die Übergabe der Stadt zur Folge hatte. Jetzt Tabarieh, ein ärmlicher, schmutziger Ort mit verfallenem Kastell, dicker Stadtmauer und 3000 Einw., zur größern Hälfte Juden, deren Begräbnisplatz, ½ Stunde westlich der Stadt, die Gräber der berühmtesten Talmudisten (Maimonides, Rabbi Akiba etc.) enthält.

Tiberinus (Paton T.), der Gott des Tiberflusses, nach der römischen Sage ein alter König des Landes, der in dem seither nach ihm Tiberis genannten Fluß Albula ertrank und zum Gott wurde. Der Mythus ließ ihn die in den Tiber gestürzte Mutter des Romulus und Remus, Rea Silvia, zu seiner Gemahlin und zur Stromgöttin erheben. Sein Heiligtum war auf der Tiberinsel, wo ihm 8. Dez. geopfert wurde; besondere Spiele feierten ihm zu Ehren am 7. Juni die Fischer.

Tiberius, Name zweier oströmischer Kaiser: 1) T. Constantinus, ein Thraker, Befehlshaber der Leibwache unter Justin II., wurde von diesem 574 zum Mitkaiser erhoben und folgte ihm 578 in der Regierung. Er unterdrückte einen von Justins Gemahlin Sophia angestifteten Aufstand und führte ein kräftiges und gerechtes Regiment, er kämpfte mit Glück gegen den Perserkönig Chosru, welcher 579 den Krieg erneuerte, aber von T.' Feldherrn Justinian wiederholt besiegt und bis in die Nähe seiner Hauptstadt verfolgt wurde. T. starb schon 582.

2) T. Apsimarus, von dem gegen den Kaiser Leontios aufständischen Heer 698 zum Kaiser ausgerufen, stürzte Leontios, wurde aber 705 von dem mit bulgarischer Hilfe aus dem Exil heimkehrenden Justinian II. gestürzt und grausam hingerichtet.

Tiberius Claudius Nero, röm. Kaiser, geb. 42 v. Chr., Sohn eines gleichnamigen Vaters und der Livia Drusilla und nach deren Verheiratung mit Augustus (38) Stiefsohn des Kaisers, unterwarf mit seinem Bruder Drusus zusammen 16-15 die Rätier und Vindelizier, unterdrückte in drei Feldzügen 12-10 einen Aufstand der Pannonier und Dalmatier und machte 8 einen Einfall in das Gebiet der Sigambrer, die er schlug, und von denen er 40,000 auf das linke Rheinufer verpflanzte. Er war 12 nach dem Tode des Agrippa mit Julia, der Tochter des Augustus, verheiratet worden, und 6 wurde ihm die tribunizische Gewalt auf fünf Jahre verliehen. In demselben Jahr aber wurde er durch die Ausschweifungen der Julia und durch Eifersucht auf die bevorzugten Enkel des Augustus, Gajus und Lucius Cäsar, bewogen, sich gegen den Willen des Kaisers nach Rhodos in ein freiwilliges Exil zu begeben. Erst 2 n. Chr. kehrte er von da zurück, und nun wurde er, nachdem Gajus und Lucius Cäsar gestorben waren, 4 von Augustus adoptiert und damit zum Nachfolger auf dem Kaiserthron designiert; zugleich wurde ihm die tribunizische Gewalt auf weitere fünf Jahre (sodann 9 auf Lebenszeit) übertragen. Sonach fiel ihm, nachdem er 6-9 einen neuen, langen und schwierigen Krieg in Pannonien und Dalmatien geführt und 11 die Rheingrenze gegen die Deutschen geschützt hatte, 14 nach dem Tode des Augustus die Herrschaft von selbst zu, welche er hierauf 23 Jahre mit Klugheit und Energie und nicht ohne einen gewissen Gewinn für die Provinzen, aber mit Härte und Mißgunst gegen jedermann und mit Grausamkeit geführt hat. In den ersten Jahren seiner Regierung wurde er zu einiger Zurückhaltung durch die Rücksicht auf Germanicus, den Sohn seines Bruders Drusus, bestimmt, den er auf Anordnung des Augustus adoptiert, und der durch zwei glänzende, obwohl erfolglose Feldzüge gegen die Deutschen (15 und 16) seinen Argwohn erregt hatte. Nachdem aber Germanicus 19 gestorben und die Regierung immer mehr in die Hand des Sejanus, des Präfekten der Prätorianer, gelangt war, der diese in einem festen Lager in Rom selbst vereinigte, um durch sie einen Druck auf die Hauptstadt auszuüben, nahmen die Verfolgungen der angesehensten Männer durch die Delatoren, d. h. die Angeber, welche im Dienste des T. alle, die dessen Verdacht erweckten, anklagten und ihre Verurteilung im knechtisch gesinnten Senat bewirkten, immer mehr zu. Zwar wurde 31 Sejanus gestürzt, der, um sich selbst den Weg zur Herrschaft zu bahnen, schon 23 Drusus, den Sohn des T., durch seine Gemahlin hatte vergiften lassen, der 26 den T. bewogen hatte, sich nach Capreä (Capri) zurückzuziehen, und der die Familie des Germanicus zum großen Teil zu beseitigen gewußt hatte. Indessen diente dies nur dazu, die Zahl der Hinrichtungen zu vermehren, indem alle diejenigen, welche der Mitschuld an den Plänen des Sejanus geziehen wurden, der Grausamkeit des T. zum Opfer fielen, bis endlich T. 16. März 37, als er schon im Todeskampf lag, von Macro, dem Nachfolger des Sejanus in der Gunst des Kaisers, in den Kissen seines Lagers erstickt wurde. Vgl. Stahr, Tiberius' Leben, Regierung, Charakter (2. Aufl., Berl. 1873); L. Freytag, T. u. Tacitus (das. 1870), welche beide den T. durch Herabsetzung des Tacitus zu rechtfertigen gesucht haben; dagegen Pasch, Zur Kritik der Geschichte des Kaisers T. (Altenb. 1866), und Beulé, T. und das Haus des Augustus (deutsch von Döhler, Halle 1873); Deppe, Kriegszüge des T. in Deutschland (Bielef. 1887).