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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Totenbestattung

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Totenbestattung (Leichenverbrennung).

in Japan) thönerne oder metallene Puppen mit ins Grab gelegt wurden. Hier und da, wie in Dahomé und bei nordamerikanischen Indianern, wurden sogar den bereits begrabenen Häuptlingen noch Botschafter und Diener durch Ermordung am Grab nachgesandt. Mit diesen Ideen über das Fortleben im Einklang findet man bereits bei Naturvölkern einen verhältnismäßig außerordentlichen Luxus bei der T., dem Toten werden seine wertvollsten Waffen und Schmuckstücke, die besten Kleider etc. mitgegeben, bei den fortgeschrittenern Stämmen selbst Gold und Edelsteine. Die ältesten Kulturvölker trieben diesen Luxus auf die Spitze. Bei den Ägyptern wohnten die Lebenden in Lehmhütten, die Toten in Palästen. Die Reichern dachten schon im Leben daran, sich ein prächtiges, behagliches Grabgewölbe zu bauen, und die Behandlung der Leichen (s. Mumien) verschlang große Summen. Die Mumiensärge wurden, wie die neuern Ausgrabungen gezeigt haben, oft mit guten Porträten der Toten in Wachsmalerei versehen, außerdem gab man hier, wie bei vielen andern Völkern, den Toten Masken (s. d.) als Schutzmittel mit. Auch die Meder und Assyrer verwandten auf prächtige Grabmäler große Summen, und auf den Gipfel stieg dieser Gräberluxus bei den kleinasiatischen Fürsten, wie denn das Mausoleum (s. d.) zu Halikarnassos der ganzen Gattung prächtiger Grabdenkmäler den Namen gegeben hat. In den letzten Jahren sind mehrere solcher kleinasiatischer Prachtgrabmäler bekannt gemacht worden. Auch bei Griechen und Römern maß der Volksglaube der Art der Bestattung einen Einfluß auf das Los der Verstorbenen im jenseitigen Leben bei, indem man wähnte, der unbestattete Tote müsse hundert Jahre ruhelos an den Ufern des Styx umherirren. Darum hielten es die Überlebenden für eine Pflicht der Humanität, jedem irgendwo gefundenen Toten wenigstens durch Aufwerfen von drei Handvoll Erde zur Ruhe zu verhelfen. Bei den Spartanern wurden die Toten auf den Schilden hinausgetragen, und alles Leichengepränge war durch die Gesetze verpönt. Bei den Athenern aber fanden feierliche Leichenbegängnisse statt und zwar unter dem Geleit der in schwarze Gewänder gehüllten Verwandten und Freunde, von Klageweibern (penthetriae, praeficae), Musikchören und seit Solons Zeit auch von Lobrednern. Vor der eigentlichen Bestattung ward der Tote dreimal gerufen, dann zur Erde gesetzt, wo liebende Hand sein Antlitz bedeckte und seine Augen schloß. Auch ward ihm ein Stück Geld (Obolos) als Fahrlohn für Charon (s. d.) in den Mund und ein Stück aus Honig und Mehl bereiteten Kuchens zur Beschwichtigung des Kerberos (s. d.) in die Hand gegeben. Vor dem Trauerhaus ward der Persephone, der Königin des Totenreichs, ein Opfer dargebracht. Ein den Verwandten im Haus bereitetes Leichenmahl (perideipnon, lat. silicernium, visceratio) beschloß die Trauerfeier. Nach vollendeter T. wurde das Haus sorgfältig gereinigt. Noch zu Platons Zeiten wurden die Leichen häufig beerdigt; aber mit Verbreitung des Glaubens, daß die Seele einer Reinigung bedürfe, um in die Wohnungen der Seligen zu gelangen, ward später, ungefähr seit dem Beginn des 4. Jahrh. v. Chr., das Verbrennen allgemeiner Gebrauch. Auch bei den Römern waren feierliche Leichenbegängnisse üblich und später sogar mit blutigen Gladiatorenkämpfen verbunden. Seit dem Ende der Republik wurde bei ihnen die Verbrennung allgemein und Kolumbarien zur gemeinsamen Aufbewahrung der Asche erbaut, nur ganz kleine Kinder und vom Blitz erschlagene Personen wurden stets beerdigt und nicht verbrannt. Der Leiche folgten außer einem Mimen, der Gang und Gebärde des Verblichenen nachahmte, die Klageweiber, welche noch jetzt in manchen Teilen Italiens im Gang sind. Der Luxus der Begräbnisse stieg in den Kaiserzeiten so hoch, daß er durch Gesetze eingeschränkt werden mußte, weil man Schiffsladungen mit Spezereien verbrannte. Bei der Beerdigung wurde der Leichnam in Särgen aus Holz, Thon oder Stein (s. Sarkophag) ins Grab gesenkt oder in gemauerten oder aus dem Felsen gehöhlten Grabkammern beigesetzt. Bei der Leichenverbrennung wurde die Asche des Verstorbenen in einer Urne aufbewahrt und in dem Grabmal beigesetzt (s. Urne und Grabmal). Bei den Völkern des Orients war und ist die T. im allgemeinen einfacher. Ja, die Perser sollen, damit durch Begraben eines Toten die von Ormuzd rein geschaffene Erde nicht verunreinigt werde, früher ihre Toten den Hunden und Raubvögeln vorgeworfen haben, was bei den Gebern in Indien noch heute Brauch ist (s. Parsen). Bei den alten Hebräern wurden alle menschlichen Leichname als unrein angesehen, daher die Beschleunigung der T. und Anlegung der Totenäcker möglichst fern von den Wohnungen der Lebendigen. Doch war auch die Leichenverbrennung bei den Juden üblich, wie man aus Jer. 34, 5 und andern Bibelstellen ersieht. Es war, wie bei den Römern, die vornehmere, weil kostspieligere Begräbnisform. Bei den Christen wurden die Toten, schon aus Opposition gegen das Heidentum, von jeher beerdigt, nie verbrannt, wobei wohl der früh ausgebildete Glaube an die Auferstehung des Leibes mitgewirkt haben mag. Überall, wo das Christentum und der Mohammedanismus sich ausgebreitet haben, schafften sie die heidnische Leichenverbrennung ab, so später bei den Germanen, und noch Karl d. Gr. verbot den Sachsen jene bei Todesstrafe. Seitdem das Christentum herrschende Religion geworden, beging man die T. feierlich mit Gesang von Hymnen auf Tod und Auferstehung, woran sich später bei weiterer Ausbildung der kirchlichen Zeremonien Totenopfer, Seelenmessen, Exequien nebst Almosenspenden und Leichenmahlzeiten anschlossen. Särge machten die Deutschen in vorchristlicher Zeit einfach aus einem Baumstamm, indem sie ihn durchschnitten, die eine Hälfte aushöhlten und die andre als Deckel benutzten (Baumsärge, Totenbaum). Holzsärge in Kastenform, neben denen auch Steinsärge (Sarkophage) vorkommen, wurden seit Einführung des Christentums häufiger. Aus dem Reliquienkultus mit seinen Heiligengerippen entwickelte sich seit dem 4. Jahrh. die gefährliche Unsitte, Geistliche, Patrone, Kirchenwohlthäter und angesehene Personen überhaupt in den Krypten der zum gottesdienstlichen Gebrauch benutzten Kirchen, ja in diesen selbst beizusetzen, ein Verfahren, gegen welches anfangs die Konzile von Prag, Arles, Meaux etc. eiferten, bis es etwa seit 1000 überall unbeanstandet blieb und erst seit hundert Jahren völlig aufgehört hat. Seitdem findet die T. allgemein auf den Begräbnisplätzen statt, die sich nur noch auf den Dörfern zuweilen im unmittelbaren Umkreis der Ortskirche befinden, in neuerer Zeit aber mehr und mehr außerhalb der Ortschaften angelegt wurden (s. Begräbnisplatz).

[Leichenverbrennung.] In neuerer Zeit ist die Bestattungsfrage vom sanitären Standpunkt der Gegenstand zahlreicher Erörterungen gewesen. Nachdem 1849 Jak. Grimm in einer öffentlichen Rede die Vorzüge und die Erhabenheit der altgermanischen Feuerbestattung geschildert, hat sich eine langsam an-^[folgende Seite]