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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Tumult - Tungusische Sprache.

Rechte, trat 1830 in das Regiment Garde du Korps ein und machte später seine Karriere hauptsächlich im Generalstab. Von 1853 an kommandierte er die Gardekürassiere, von 1854 an das 1. Gardeulanenregiment, als Oberst dann die 11. Kavalleriebrigade. 1863 führte er als Generalleutnant die 5. Division nach Schleswig-Holstein, kommandierte dieselbe Division mit Auszeichnung im österreichischen Feldzug 1866, in dem er bei Gitschin 29. Juni schwer verwundet wurde, und erhielt zu Beginn des Kriegs von 1870/71 als General der Kavallerie das Kommando des 6. Armeekorps, fand aber wenig Gelegenheit, sich auszuzeichnen. 1883 zur Disposition gestellt, starb er 13. Febr. 1884 in Thalstein bei Jena.

Tumúlt (lat.), s. v. w. Aufruhr; tumultuarisches Verfahren, diejenige Behandlung eines Prozesses, in welcher die prozessualischen Handlungen nicht in der ordnungsmäßigen Reihenfolge geschehen.

Tumulus (lat.), Erd-, Grabhügel; s. Gräber, prähistorische.

Tun (spr. tönn), engl. Flüssigkeitsmaß für Wein, = 252 Gallons, für Bier = 216 Gallons (s. d.).

Tûn, ansehnliche Stadt in der pers. Provinz Chorasan, unter 34° nördl. Br. gelegen und mit einem für jene wüsten Gegenden bedeutenden Kulturgürtel umgeben. Obwohl eine der festesten Städte Persiens, vermag sie doch einem regelrechten Angriff nicht standzuhalten, weil die Werke total vernachlässigt sind. Sie mißt ca. 6 km im Umfang (wovon jedoch nur etwa ein Achtel mit Häusern bedeckt ist) und zählt etwa 8000 Einw. Produziert wird viel Tabak, Opium und auch Seide.

Tunbridge (Tonbridge, spr. tönnbriddsch), Stadt in der engl. Grafschaft Kent, am schiffbaren Medway, hat eine 1554 gegründete Lateinschule, ein Schloß mit normännischem Thorweg, Fabrikation von lackierten Holz- und Drechslerwaren und (1881) 9317 Einw.

Tunbridge Wells (spr. tönnbriddsch), Stadt in der engl. Grafschaft Kent, 8 km südlich von Tunbridge, nächst Bath der älteste Badeort Englands, aber mehr wegen seiner guten Luft als seiner Stahlquellen besucht, hat einen Kursaal, Badeanstalten, zahlreiche Villen, liegt malerisch auf drei Hügeln, hat Fabrikation von lackierten Holz- und Drechslerwaren und (1881) 24,309 Einw.

Tundra ("Moossteppe"), die im nördlichsten Asien und Europa jenseit der Baumgrenze gelegenen weiten Landstrecken mit kümmerlichem Pflanzenwuchs, der hauptsächlich aus Moosen und Flechten besteht. Bedingt wird diese mangelhafte, mit einem Vorwiegen der Kryptogamenflora und einem Zurücktreten der Phanerogamen verbundene Entwickelung der Vegetation einerseits durch die Bodenform und Höhenlage der betreffenden Gebiete, anderseits durch das Klima und die mangelhafte Wirkung der Sonnenstrahlen. Letztere vermögen den Boden nur bis zu sehr geringer Tiefe aufzutauen, die Luft nur dicht am Boden zu erwärmen, so daß die Existenz tiefwurzelnder und hochstämmiger Pflanzen unmöglich wird. In neuester Zeit wird der Name T. auch auf die gleichartigen Barren Grounds von Nordamerika angewandt.

Tundscha, Fluß in Ostrumelien, entspringt auf dem Balkan bei Kalifer, fließt erst östlich zwischen Balkan und Tscherna Gora, dann südlich und fällt bei Adrianopel links in die Maritza.

Tunesien, s. Tunis.

Tungbaum, s. Aleurites.

Tungrer (Tungri), german. Völkerschaft in Gallia Belgica, welche die Sitze der 53 vernichteten Eburonen an der mittlern Maas einnahm, mit dem Ort Aduatuca Tongrorum (jetzt Tongern).

Tungstein, s. Scheelit.

Tungsteinsäure, s. Wolfram.

Tungting, See, s. Hunan.

Tunguragua, Provinz des südamerikan. Staats Ecuador, umfaßt die Hochebene von Ambato (2573 m) und den Ostabhang der Kordillere und hat ein Areal von 5050 qkm (91,7 QM.) mit (1885) 79,526 Einw. Genannt ist die Provinz nach dem noch thätigen Vulkan von T. (5087 m) in der östlichen Kordillere. Hauptstadt ist Ambato.

Tunguragua, 1) Vulkan der Kordilleren im südamerikan. Staat Ecuador, nordöstlich von Riobamba, 5087 m hoch; 1873 von A. Stübel zum erstenmal bestiegen. Ein furchtbarer Ausbruch, bei welchem mehrere Berggipfel zusammenstürzten, erfolgte 1797. -

2) Fluß, s. Amazonenstrom, S. 444.

Tungusen (s. Tafel "Asiatische Völker", Fig. 11), zur mongol. Rasse gehöriges Jägernomadenvolk in Sibirien, das in ganz Ostsibirien verbreitet ist und in zahlreiche, nach Sprache und Sitte mehr oder weniger weit auseinander gegangene Stämme zerfällt. Ihre eigentliche Heimat scheint das Amurland zu sein, in welchem sie das höchste Maß der ihnen bisher zugänglichen Kultur erreicht, und von wo aus sie sich bis zum Jenissei, den Eismeerküsten und Kamtschatka verbreitet haben. Sie sind von mittlerm Wuchs mit verhältnismäßig ziemlich großem Kopf, breiten Schultern, etwas kurzen Extremitäten und kleinen Händen und Füßen; ihre Konstitution ist eine trockne, hagere, sehnig-muskulöse; fettleibige Gestalten findet man unter ihnen nicht. Die Hautfarbe ist mehr oder weniger gelbbräunlich, das Auge braun, das Haar schwarz, schlicht, struppig und stark, das Barthaar auf Lippen, Backen und Kinn sehr spärlich; die Kopfbildung ist entschieden, wenn auch abgeschwächt, mongolisch. Das Gesicht trägt den Ausdruck der Gutmütigkeit und Indolenz. Ihre Zahl wird auf 70,000 geschätzt. Unter den verschiedenen Stämmen lassen sich in sprachlicher Beziehung vier Gruppen bilden: 1) Dauren und Solonen, Stämme mit starker mongolischer Beimischung; 2) Mandschu, Golde, Orotschen; 3) Orotschonen, Manägirn, Biraren, Kile; 4) Oltscha, Oloken, Negda, Samagirn (s. Tungusische Sprache). Die beiden ersten Gruppen bilden den südlichen oder mandschurischen Ast des tungusischen Volksstammes, die beiden andern umfassen Zweige seines nördlichen, bis zum Jenissei, dem Eismeer und Kamtschatka verbreiteten sibirischen Astes. Der Hauptreichtum der T. ist das Renntier, die Jagd auf Pelztiere ihre Hauptbeschäftigung; ihre Hauptnahrung besteht in Fleisch und Milch des Renntiers, getrockneten Fischen, einer Art Käse und Butter u. dgl. Ihre Kleidung setzt sich zusammen aus Beinkleidern, der Parka, einer Art Bluse, die vorn geschlossen ist und über den Kopf weg angelegt wird, der Dacha, einem Mantel ohne Ärmel, alles aus Renntierfell, wobei die beiden letztern Stücke mit den Haaren nach außen getragen werden. Dazu eine Pelzmütze und Stiefel und Strümpfe von demselben Material wie Parka und Dacha. Wenige T. sind Christen, die Mehrzahl bekennt sich zum Schamanismus. Vgl. Hiekisch, Die T. (2. Aufl., Dorpat 1882); F. Müller, Unter T. und Jakuten (russische Olenek-Expedition, Leipz. 1882); Schrenck, Die Völker des Amurlandes (St. Petersb. 1881).

Tungusische Sprache. Tungusisch im weitern Sinn heißen alle zur tungusischen Gruppe des uralaltaischen Sprachstammes (s. d.) gehörigen Sprachen, von denen die Mandschusprache (s. d.) die hervorra-^[folgende Seite]