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Türkisches Reich (Handel).
ter Art statt. Mit Ausnahme der für den täglichen Verkehr unentbehrlichen Gewerbe sind letztere, soweit sie überhaupt in der Türkei betrieben werden, auf gewisse Orte und gewisse Personen beschränkt; fabrikmäßiger Betrieb findet fast nirgends statt. Früher bezog das Abendland eine Menge kostbarer Stoffe (Seidenstoffe, Teppiche, Fayencearbeiten etc.) aus der Türkei; jetzt hat dies nicht nur aufgehört, sondern es werden auch dieselben Stoffe und zwar von besserer Qualität und um wohlfeilern Preis aus dem Ausland eingeführt. Die industrielle Thätigkeit beschränkt sich jetzt auf Herstellung der notwendigen Verbrauchsartikel durch die bäuerliche Bevölkerung selbst und in einigen Gegenden auf die nach ererbten Mustern betriebene Hausindustrie. Inländische und ausländische Spekulanten haben wiederholt versucht, irgend eine Industrie ins Leben zu rufen; aber jedesmal scheiterten alle diese Projekte an dem bösen Willen der Provinzialstatthalter, welche in ihrem Fremdenhaß die Auswärtigen fern hielten, während das inländische Kapital mit Steuerpachten, Lieferungen und Börsenspiel leichter und besser sich verzinste. Grundsätzlich wurden z. B. Ausländer vom Betrieb der Bergwerke fern gehalten. Erst neuerdings ist eine kleine Wendung zum Bessern eingetreten.
Handel und Verkehr.
Haupthindernis des für die Türkei sehr wichtigen Land- und Seehandels sind die immer noch mangelhaften Verkehrsmittel. Kunststraßen besitzt die Türkei, von den neuerdings erbauten Eisenbahnen abgesehen, nur wenige, und die Landwege sind selbst in der Gegend von Konstantinopel so schlecht, daß sie fast nur Saumwege und für das landesübliche Fuhrwerk benutzbar sind. Für den Binnenhandel sehr förderlich sind die Messen und Märkte, die in verschiedenen Orten abgehalten werden, und deren wichtigste vom 23. Sept. bis 2. Okt. zu Usundscha Owa, nordwestlich von Adrianopel, stattfindet. Der Handel mit Mittel- und Westeuropa befindet sich vorwiegend in den Händen Fremder, besonders der Griechen; im Levantiner und Küstenhandel sind dagegen auch viele türkische Unterthanen beschäftigt. Bankier- und Wechselgeschäfte werden fast nur von Armeniern und Griechen betrieben, in deren Händen sich auch fast ausschließlich der Binnenhandel befindet. Im Frühjahr 1882 hatte das türkische Reich sämtliche Handelsverträge gekündigt und 1884 und 1885 vorläufig einen einheitlichen 8proz. Wertzoll eingeführt, welcher seit 24. April 1888 auch im Verkehr mit Ostrumelien in Kraft getreten ist. Von Waren, welche vom Ausland kommen, werden 7/8 des 8proz. Wertzolls (bei den über Trapezunt gehenden der gesamte Zoll) zurückerstattet, wenn die Wiederausfuhr nach dem Ausland innerhalb sechs Monaten nach der Einfuhr erfolgt. Erst neuerdings ist es wieder zum Abschluß von neuen Handelsverträgen gekommen, nach welchen jeder Staat auf die Einfuhr des andern die mit einem dritten vereinbarten niedrigsten Zölle anwendet, nämlich mit Rumänien (ratifiziert 12. Jan. 1888) und Serbien (ratifiziert 28. Aug. 1888). Die Statistik über Aus- und Einfuhr ist noch keineswegs eine befriedigende zu nennen; doch veröffentlicht das "Journal de la chambre de commerce de Constantinople" seit 1881 offizielle Tabellen, die einen gewissen Anhalt geben. Danach nehmen in der Ausfuhr bei weitem die erste Stelle ein die Rosinen, dann folgen Seide, Wolle, Mohair, Valonen, Opium, Häute, Feigen, Kokons, Wein, Olivenöl, Erze, Datteln, Teppiche, Seife, Haselnüsse etc. Es betrug der Wert der Ausfuhr in Millionen Piaster (zu 16-17 Pfennig):
1885/86 1886/87 1887/88
Rosinen 146 183 172
Mohair 59 86 50
Opium 90 80 42
Seide 77 79 84
Baumwolle 55 53 31
Valonen 43 51 46
Wolle 34 50 57
Häute 30 37 38
Feigen 34 35 30
Kokons 27 34 39
Wein 23 31 29
Olivenöl 38 27 36
Erze 14 16 18
Datteln 17 15 21
Teppiche 13 14 16
Seife 16 14 10
Haselnüsse 15 13 7
Im ganzen aber übersteigt die Einfuhr den Export: das Verhältnis beider ist wie 10:6. Eingeführt werden besonders Tuche, Baumwollwaren, Garne, Eisen- und Stahlwaren, Droguen, Farben, Öle, Zucker, Getränke, Lebensmittel, Spiritus, Petroleum, Stearinlichte, Zündwaren, Glaswaren, Papier, Bijouterien, Arzneien, Parfümerien, Möbel, Waffen, Kurzwaren, Modeartikel etc., vorzüglich englischen, französischen, österreichischen, deutschen und schweizerischen Ursprungs. Nach offiziellen Angaben, welche indessen wegen der vielen Betrügereien der Beamten und der Defraudationen um ein Viertel zu niedrig ausfallen sollen, betrug, unter Ausschluß Ägyptens, der Waffen etc. für die Regierung, der Gegenstände für Gesandte, Konsuln, Schulen, Stiftungen, der Maschinen und Geräte für Gewerbe und Ackerbau etc., der Wert der
1884/85 1885/86 1886/87 1887/88
Einfuhr 2063,8 2000,4 2070,3 2010,6 Mill. Piaster
Ausfuhr 1279,8 1207,6 1270,7 1128,9 " "
Davon entfällt mehr als ein Drittel allein auf Konstantinopel. Hauptausfuhrplätze sind ferner: Saloniki und Dedeaghatsch und in der asiatischen Türkei Smyrna, Trapezunt, Mersina, Alexandrette und Beirut. Von diesem Handelsverkehr besorgt den Hauptanteil Großbritannien (1887/88: 42,38 Proz. der Einfuhr, 31,66 Proz. der Ausfuhr); dann folgen Frankreich mit 12,06, bez. 37,26 Proz. und Österreich-Ungarn mit 19,14, bez. 8,79, dann Rußland (11,25, bez. 2,56 Proz.), endlich Italien, Ägypten, Griechenland etc. Die Sendungen aus und nach dem Deutschen Reich, ebenso wie der Schweiz und Belgiens gehen gewöhnlich über Marseille und Triest und werden darum als französische und österreichische Provenienzen, resp. Ausfuhr bezeichnet, was bei nachstehender Tabelle zu berücksichtigen ist. Der Anteil der wichtigsten Länder an der Handelsbewegung der Türkei beträgt in Tausenden Piaster:
Einfuhr Ausfuhr
1886/87 1887/88 1886/87 1887/88
Großbritannien 894028 851812 434923 357444
Deutsches Reich 2513 3802 729 216
Österreich-Ungarn 417600 384771 111718 99314
Italien 63514 48976 37351 33461
Persien 48867 53402 1070 1206
Amerika 12352 15596 15333 12751
Belgien 38395 42913 28 203
Bulgarien 49370 50974 2325 2292
Tunesien 7742 10353 12 382
Rußland 178614 226155 30715 28910
Rumänien 32238 25903 10770 13094
Serbien 7266 7006 1019 623
Niederlande 3389 2878 12771 10245
Frankreich 250079 242483 473802 420701
Ägypten 1957 1770 90527 87765
Griechenland 41138 37739 46519 59108
Die türkische Handelsmarine selbst ist unbedeutend, und es existieren darüber keine sichern Angaben. 1879 wurde ihr Gesamtinhalt auf 181,500 Ton. geschätzt; 1886 umfaßte sie nur 17 Dampfer (7297 T.), 416 große Segelschiffe (69,627 T.) und eine große Anzahl kleiner Küstenfahrzeuge.