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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Turkistan

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Turkistan (Russisch-T.: Geschichte).

tenteils in Taschkent und in Kasalinsk und in sehr beschränkter Anzahl in den übrigen Flecken etc.: nur 4000 (ca. 1 Proz. der Bevölkerung) bewohnen den Bezirk Serafschan, 1184 (1 Proz.) den Amu Darja-Distrikt als Kolonisten der Uralkosaken, 1229 den Ferghanabezirk. Tataren sind das Handel treibende Element in den Städten. Sarten, angesiedelte Nomaden, beschäftigen sich mit Ackerbau und Handel und bilden den Kern der eingebornen Stadt- und Landbevölkerung in den südlichen Kreisen des Sir Darja-Bezirks und in ganz Ferghana sowie im Serafschanbezirk; in Semiretschinsk kommen sie nur vereinzelt vor. Kirgisen treiben als Nomaden Viehzucht, nur die armen Stämme (die Igintschamen) sind angesessen und treiben Ackerbau; sehr ungleichmäßig verteilt, bilden sie in Semiretschinsk 78 Proz., im Sir Darja-Distrikt 62, im Amu Darja-Distrikt 29, in Ferghana 17 und in Serafschan nur 0,2 Proz. der Bevölkerung. Kuraminzen bewohnen als Ackerbauer den Kuraminzkischen Kreis der Provinz Sir Darja. Kiptschak wohnen als Handel und Ackerbau treibend ausschließlich im nördlichen Teil von Ferghana. Nomadisierende Uzbeken treten in größerer Masse im Kreis Serafschan, dann am rechten Ufer des Amu Darja und in geringer Anzahl in der Provinz Sir Darja auf. Karakalpaken haben sich als Ackerbauer und Viehzuchttreibende hauptsächlich im Amu Darja-Distrikt angesiedelt. Turkmenen leben ausschließlich als halbangesessene Nomaden in der Provinz Amu Darja. Die Tarantschen nehmen das Ilithal ein und siedeln jetzt zum großen Teil aus dem an China abgetretenen Kuldschadistrikt auf russisches Gebiet über, Dunganen hauptsächlich in dem an China abgetretenen Kuldschadistrikt, dann aber auch in der Provinz Ferghana und im Kreis Serafschan; die größte Ansiedelung, 4000 Seelen, befindet sich im Thal Karakunuß im Kreis Tokmak. Kalmücken nomadisieren in den Kreisen Wlärnyl und Issi-kul der Provinz Semiretschinsk. Tadschik gibt es im Kreis Chodshent, im Kreis Serafschan, im Kreis Kurama in dem Gebirge und in Ferghana. Perser, früher Sklaven, kommen im Kreis Serafschan und im Kreis Amu Darja vor. Inder sind in den Handelszentren verteilt; es sind nur Männer. Zigeuner und Juden wohnen hauptsächlich im Kreis Serafschan. Araber führen ein halbangesessenes Leben in der Umgegend von Samarkand und Kattykurgan. Nach den Glaubensbekenntnissen teilt sich die Einwohnerschaft des Generalgouvernements T. in 2,900,000 Mohammedaner (hauptsächlich Sunniten), 57,000 Griechisch-Orthodoxe, 2000 Katholiken, 1000 Protestanten, 50,000 Heiden, 3000 Juden. 1877 betrug die angesessene Bevölkerung 1,620,535, die nomadisierende 1,417,584. Vgl. Kostanco, Turkestan; Materialien für die Geographie und Statistik Rußlands (russ., Petersb. 1880).

[Geschichte.] Die ersten Beziehungen Rußlands zu Mittelasien, speziell zu Chiwa (s. d.), datieren aus der Regierungszeit Peters d. Gr. Einen positiven Erfolg hatten dieselben nur insofern, als die zwischen der Wolga und dem Ural wohnenden Kirgiskasaken russische Unterthanen wurden. 1725 lief die russische Grenze in Asien längs der Flüsse Ural und Mijas mit Kurgas und Omsk, längs des Irtisch und der Vorberge des Altai zwischen Biisk und dem Telezkischen See hindurch, an den Quellen des Abankan vorbei nach der jetzigen Grenzlinie mit China hin. In Mittelasien hatte Rußland somit damals noch keine Besitzungen. 1732 erlangte Rußland südlich dieser Grenze die Herrschaft über die Kleine und Mittlere Horde der Kirgisen. Um diese nur nominellen zu wirklichen Unterthanen zu machen, legte man 1820 befestigte Punkte an zum Schutz der neuen Grenze und zur Aufrechterhaltung der Ordnung in dem neuerworbenen Gebiet. So entstand eine Linie in der Mittlern und die ilezkische Linie in der Kleinen Horde der Kirgisen. Die unbotmäßigen Kirgisen fanden Unterstützung an dem Chan von Chiwa. Infolgedessen fand die unglückliche Expedition des Generals Perowski 1839 nach Chiwa (s. d.) statt. Vorher jedoch hatte man den Posten Nowo-Alexandrowsk an der Kaidakbucht des Kaspischen Meers, den Embaposten 400 km südlich von Orenburg und Akbulak etwa 160 km noch weiter südlich nach dem Ust-Urt-Plateau zu angelegt. Nach dem niedergeworfenen Kirgisenaufstand 1846 erhielten Embinsk und Akbulak feste Garnisonen, und in der Steppe entstanden die Posten Uralskoje und Orenburgskoje. 1846 erkannten auch die Kirgisen der Großen Horde die russische Oberherrschaft an: Kopal südöstlich des Balchaschsees wurde als Stützpunkt angelegt. Raimskoje an der Mündung des Sir Darja entstand um dieselbe Zeit. 1847 zog die russische Grenze von Osten nach Westen über den Ilifluß zum Alataurücken und längs des Tschu zum Sir Darja. Es begannen die Kämpfe mit Chokand (s. d.). Schon 1854 war die Linie des Sir Darja durch die Forts Nr. 1 (Raimskoje war aufgegeben), 2 und Perowski, etwa 350 km östlich vom Aralsee gelegen, gut befestigt. 1860 unterwarf man von Kopal her die Karakirgisen und nahm an der Sirlinie die Forts Djulek und Jany-Kurgan. 1864 wurden Aulinata, die Städte T. und Tschimkent genommen. Anfang 1865 wurde das neuerworbene Land mit der Sir Darja-Linie und den am See Issi-kul gelegenen Erwerbungen, wo man vom Fort Wiernoje aus bis an den Naryn vorgegangen war, zu dem Grenzgebiet T. verbunden. Am 10. März 1865 fiel Taschkent. Jetzt trat Bochara (s. d.) in den Kampf mit Rußland ein. Am 8. Mai 1866 wurde der Emir auf der Ebene Ir Djar geschlagen, die Stadt Chodshent 24. Mai erstürmt; 2. Okt. fiel Dschisak, am 18. Ura-Tjube, beides strategisch wichtige Befestigungen an Pässen des Kaschgar-Dawan. Zu Ende dieses Jahrs war letzterer die Südgrenze Rußlands. Im Frühjahr 1867 wurde Jany-Kurgan besetzt. Ein Ukas vom 11. Juli d. J. verfügte die Organisation des bis dahin dem Generalgouverneur von Orenburg unterstellt gewesenen mittelasiatischen Gebiets zu einem selbständigen Generalgouvernement T., das in den Sir Darinskischen und Semiretschinskischen Oblaßtj geteilt wurde. Die Friedensverhandlungen mit Bochara hatten keinen Erfolg, und so fielen im März 1868 Samarkand, Kurgan, Katty-Kurgan und Tschilek und wurden später als Serafschanbezirk einverleibt; am 2. Juli wurde endlich die letzte bocharische Armee auf den Höhen von Schachrissiabs total geschlagen. Waren so Bochara u. Chokand Vasallenstaaten Rußlands geworden, so widerstand noch Chiwa. Russischerseits verschaffte man sich zunächst Stützpunkte im Osten dieses Chanats. 1869 entstand das russische Fort Krassnowodsk an dem Ostufer des Kaspischen Meers. Im Frühjahr 1870 besetzte man das in dem Balchangebirge gelegene Tasch-Arwat mit den beiden Etappen Michael und Mulla-Kari-Posten. Im Herbste desselben Jahrs führte eine Expedition die Russen schon 200 km weiter nach Osten, um die mit Chiwa verbündeten Turkmenen für deren Räubereien zu strafen. Weitere Rekognoszierungen in der Richtung auf den See Sary-Kamysch fanden 1871 statt; das Fort Tschikischljar an der Mündung des Atrek wurde angelegt.