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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ungarn

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Ungarn (Wappen etc.; Geschichte bis 1061).

(Provinzialisierung) der Militärgrenze 32, Österreich aber 70 (68) Proz. bei. Zur Verzinsung und Amortisation der österreichischen Staatsschuld zahlt U. jährlich eine Summe von 30,312,000 Gulden. Trotz der steten Eröffnung neuer Einnahmequellen ist es nicht gelungen, das Defizit zu beseitigen. Einen Überblick über die Finanzen Ungarns gewährt folgende Zusammenstellung (in Millionen Gulden):

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Jahr Einnahmen Ausgaben Überschuß + Defiz. -

1869 233,7 184,1 +49,6

1874 203,0 247,3 -44,3

1879 222,2 256,4 -34,2

1884 311,9 329,0 -17,1

1885 326,0 337,9 -11,9

1886 329,6 343,6 -14,0

1887 328,2 350,2 -22,0

1888 332,6 345,0 -12,4

1889 350,7 356,8 - 6,1

Im J. 1889 entfallen von den Einnahmen auf

^[Liste]

Mill. Guld.

direkte Steuern 99,40

Indirekte 39,68

Zölle 0,48

Stempel u. Gebühren 27,64

Tabaksmonopol 46,25

Lotto 2,51

Salzmonopol 15,91

Staatsgüter 2,46

Staatswälder 6,54

Montan u. Münzwesen 15,28

Post und Telegraphen 2,35

Ungar. Staatsbahnen 39,90

Von den Ausgaben dagegen auf

^[Liste]

Mill. Guld.

den königl. Hofstaat 4,65

Reichstagsauslagen 1,25

gemeinsame Auslagen 23,02

Staatsschuldenquote 132,77

Grundentlastung 19,40

Auslagen der Gefälle 56,70

Post und Telegraphen 9,23

Unterrichtswesen 6,70

Justiz 12,09

Honvéds (Landwehr) 9,81

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In U. bestehen 14 Finanz-, 3 Berg- und 6 Staatsgüterdirektionen, ferner eine Lottodirektion. Die Staatsschuld beläuft sich (1889) auf 1130, das Staatsvermögen auf 1273 Mill. Guld. Über das Heerwesen vgl. Österreichisch-Ungarische Monarchie, S. 501 f. - Das Wappen Ungarns ist ein mit der (vom Papst Silvester um 1000 dem König Stephan [s. d. 4)] geschenkten) Stephanskrone bedeckter, der Länge nach geteilter Schild, rechts mit vier roten und vier weißen Streifen, links im roten Feld mit silbernem Patriarchenkreuz, das aus einer auf dreifachem grünen Hügel ruhenden Krone hervorgeht (s. Tafel "Österreichisch-Ungarische Länderwappen"). Die Nationalfarben sind Grün, Weiß, Rot (s. Tafel "Flaggen I"). Der einzige ungarische Orden ist der Stephansorden (s. d. 1).

[Litteratur.] Vgl. außer den ältern Werken von Chaplovics (Pest 1829) und Fényes (s. d.): Palugyai, Geschichtliche, geographische und statistische Beschreibungen von U. (ungar., das. 1855, 4 Bde.); J. ^[János] Hunfalvy, Physikalische Geographie des ungarischen Reichs (ungar., das. 1863-65, 3 Bde.); "U. und Siebenbürgen in malerischen Originalansichten" (Stahlstiche von Rohbock, Text von Hunfalvy, Darmst. 1864, 3 Bde.); Keleti, Unser Land und sein Volk (ungar., Pest 1871); Grassauer, Landeskunde von Österreich-U. (Wien 1875); Schwicker, Das Königreich U. (das. 1886); Kronprinz Rudolf, Österreich-U. in Wort und Bild (das. 1887 ff.); für die ethnographischen Verhältnisse: Czoernig, Ethnographie (das. 1855, 3 Bde.); P. ^[Pál] Hunfalvy, Ethnographie Ungarns (deutsch von Schwicker, Budapest 1876); die betreffenden Teile des Sammelwerks "Die Völker Österreich-Ungarns" (Teschen 1881-86) und zwar Bd. 3 (Die Deutschen in U. und Siebenbürgen, von Schwicker), Bd. 5 (Magyaren, von Hunfalvy), Bd. 6 (Rumänen, von Slavici), Bd. 10 (Slowenen, von Suman; Kroaten, von Staré), Bd. 11 (Serben, von Stefanovics), Bd. 12 (Zigeuner, von Schwicker); Vambéry, Der Ursprung der Magyaren (Leipz. 1882); Löher, Die Magyaren und andre Ungarn (das. 1874); ferner Ulbrich, Staatsrecht der österreichisch-ungarischen Monarchie (Freiburg 1884); Schwicker, Statistik von U. (Stuttg. 1876), und die Veröffentlichungen des königlichen ungarischen Statistischen Büreaus; Ditz, Die ungarische Landwirtschaft (Leipz. 1867); Bedö, Wirtschaftliche Beschreibung der ungarischen Staatsforsten (Pest 1878); Gutmann, Ungarisches Montanhandbuch (Wien 1881); M. Wirth, U. und seine Bodenschätze (Frankf. a. M. 1884); über Kurorte und Heilquellen die Werke von Wachtel (Ödenb. 1859) und Chyzer (Stuttg. 1887); Heksch, Führer durch U. und seine Nebenländer (Wien 1882). Karten: Spezialkarte des Königreichs U. (1:144,000 in 140 Blättern, seit 1869); Steinhauser, Orts- und Straßenkarte des Königreichs U. (1:1,296,000, 1882). Vgl. auch die bei Österreich, S. 498 angegebenen allgemeinen Werke und Karten.

Geschichte.

U., das in der Römerzeit die Provinz Pannonien und einen Teil von Dacien bildete, war seit dem Verfall des römischen Reichs das Ziel von Einfällen und dauernden Niederlassungen zahlreicher Völker (Germanen, Hunnen, Slawen, Avaren u. a.), von denen noch beträchtliche Trümmer vorhanden waren, als um 890 die Magyaren (bei den Slawen Ugri, Ungri, bei den Deutschen Ungarn benannt), aus ihren bisherigen Wohnsitzen zwischen Donau und Don von den Petschenegen verdrängt, in U. einfielen und es unter ihrem Herzog Almus und dessen Sohn Arpad 890-898 eroberten. Die Anfänge christlicher Kultur wurden von dem rohen Volk zerstört, das sein Nomadenleben auch in U. fortsetzte und nach Vernichtung des großmährischen Reichs und nach Zurückdrängung der bayrischen Herrschaft bis an die Enns mit seinen schnellen Reiterscharen auf weiten Raubzügen die Nachbarlande, namentlich Italien und Deutschland, verwüstete. Erst ihre beiden Niederlagen durch die Deutschen bei Riade (933) und bei Augsburg (955) bändigten ihre zügellose Kriegslust und zwangen sie, hinter den Grenzen der ihnen entrissenen Ostmark sich zu einem seßhaften Leben zu bequemen. Arpads Urenkel Geisa (972-997) und dessen Sohn Stephan der Heilige (997 bis 1038) rotteten das Heidentum mit Feuer und Schwert aus und organisierten die christliche Kirche; Stephan nahm den Königstitel an, ließ sich mit der vom Papst geschenkten Krone krönen (1001) und gab dem Reich eine Verfassung, durch welche die Krone im Geschlecht Arpads für erblich erklärt und mit der höchsten richterlichen und vollziehenden Gewalt ausgerüstet, ferner Prälaten, Magnaten (hoher Adel) und niederer Adel als die privilegierten Stände anerkannt, aus den beiden ersten der Reichssenat gebildet und das Land in 72 Komitate (Gespanschaften) geteilt wurde. Unter Stephans Neffen, dem Sohn seiner Schwester Maria und des venezianischen Dogen Otto Orseolo, König Peter, bewirkte der nationale Haß gegen die Fremdherrschaft des Italieners und gegen das Christentum eine Reaktion des rohen Heidentums; Peter wurde 1041 und nachdem er von Kaiser Heinrich III., der den an seiner Stelle gewählten heidnischen König Aba 1044 besiegte, wieder zurückgeführt und 1045 in Stuhlweißenburg mit U. belehnt worden war, 1046 von neuem vertrieben. Ihm folgte der Arpade Andreas, der das halb vertilgte Christentum aufrichtete und die deutsche Lehnshoheit wieder abschüttelte, aber 1061 von seinem Bruder Bela gestürzt wurde, welcher die aufrührerischen Großen unterdrückte und das Christentum mit blu-^[folgende Seite]