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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Unrund - Unsichere Dienstpflichtige.

Bomst, unweit der Faulen Obra, hat eine evang. Kirche, eine Synagoge, ein Amtsgericht, viele Windmühlen, Weinbau, Schweinehandel u. (1885) 1604 Ew.

Unrund, im Maschinenbau Bezeichnung für verschiedene Körper, welche von der kreisrunden Form abweichen, z. B. unrunde Räder, Scheiben etc.

Unschattige (Ascii), s. Amphiscii.

Unschlitt, s. v. w. Talg.

Unschuldig Angeklagte und unschuldig Verurteilte für die Nachteile zu entschädigen, welche ihnen durch die Untersuchungshaft oder durch die Vollstreckung eines irrigen Richterspruchs erwachsen sind, wird als eine Forderung der ausgleichenden Gerechtigkeit nach der jetzt herrschenden Ansicht bezeichnet. Doch ist die gesetzgeberische Formulierung dieses Entschädigungsanspruchs sehr schwierig. In Frankreich wurde die Frage schon im vorigen Jahrhundert vielfach erörtert, und in Preußen bestimmte schon 1776 eine Kabinettsorder Friedrichs d. Gr., daß der nachgewiesenen Unschuld das erlittene Ungemach vergütet werden solle. Im englischen Parlament trat Bentham für die Entschädigung unschuldig Verurteilter ein, und die Erörterungen der italienischen Jurisprudenz über diese Entschädigungsfrage führten zur Aufnahme diesbezüglicher Bestimmungen in das Strafgesetzbuch von Toscana und in die Strafgesetzgebung des Königreichs beider Sizilien. In 18 Schweizer Kantonen ist unschuldig Verurteilten eine Entschädigung für die erlittene Haft gesetzlich zugebilligt. Auch die frühere württembergische Strafprozeßordnung anerkannte den Entschädigungsanspruch unschuldig verurteilter Personen. In Deutschland wurde die Sache neuerdings zunächst mit Anknüpfung an die Untersuchungshaft wieder aufgenommen. Der Kriminalist Heinze trat in einer Abhandlung über die Untersuchungshaft (1865) für eine Entschädigung unschuldig Verfolgter bezüglich des durch die Untersuchungshaft erlittenen Nachteils ein, und der deutsche Juristentag nahm 1876 einen Antrag von Jaques und Stenglein dahin gehend an: "Im Fall der Freisprechung oder der Zurückziehung der Anklage ist für die erlittene Untersuchungshaft eine angemessene Entschädigung zu leisten; es sei denn, daß der Angeklagte durch sein Verschulden während des Verfahrens die Untersuchungshaft oder die Verlängerung derselben verursacht hat". In Ergänzung dieses Beschlusses wurde auf einem weitern Juristentag (1882) beschlossen, daß auch für die Strafverbüßung Genugthuung und Ersatz der durch dieselbe entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile vom Staat verlangt werden könne, wenn infolge einer Wiederaufnahme des Verfahrens (s. d.) auf Freisprechung oder auf eine geringere als die verbüßte Strafe erkannt worden sei. In Österreich ergriff 1882 der Abgeordnete Roser die Initiative zum Zweck einer gesetzgeberischen Lösung der Frage, und im deutschen Reichstag brachten in demselben Jahr die fortschrittlichen Abgeordneten Phillips und Lenzmann einen Gesetzentwurf ein, über welchen v. Schwarze 25. April 1883 namens der eingesetzten Kommission ausführlichen Bericht erstattete. Man entschied sich damals in der Kommission für eine Entschädigung sowohl für unschuldig verbüßte Strafhaft als für unschuldig erlittene Untersuchungshaft. Später wurde die Sache wiederholt aufgenommen und im Plenum des Reichstags, aber auch kommissarisch beraten. Ein Antrag "Munkel", welcher 7. März 1888 vom Reichstag angenommen wurde, bezieht sich nur auf den Vermögensschaden, welchen unschuldig Verurteilte durch die Strafvollstreckung erlitten haben, wofern sie nachmals im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen wurden. Hat der Angeklagte seine Verurteilung durch Vorsatz oder grobes Verschulden herbeigeführt, so ist nach dem Munkelschen Antrag ein Anspruch auf Entschädigung ausgeschlossen. Gegen eine Entschädigung wegen unschuldigerweise verbüßter Untersuchungshaft wird namentlich geltend gemacht, daß es sich bei der Verhängung derselben um ein allgemeines staatliches Interesse handle, welchem sich der Einzelne unterordnen müsse; daß der Richter, welcher von der ihm zustehenden Befugnis, die Untersuchungshaft zu verhängen, rechtmäßigen Gebrauch mache, niemand verletze; daß die Energie der strafrechtlichen Verfolgung durch die Aussicht, vielleicht für die Nachteile der Untersuchungshaft einstehen zu müssen, beeinträchtigt werde; daß man durch betrügerische Manipulationen sich durch die Untersuchungshaft und durch die Entschädigung für diese Vorteile verschaffen könne; daß auch der Schuldige für die erlittene Untersuchungshaft entschädigt werden müsse, wenn seine Freisprechung wegen mangelnden Beweises erfolgt. Auf der andern Seite macht man geltend, daß die erlittene Untersuchungshaft bei der Verurteilung angerechnet werden darf, und daß daher folgeweise bei der Freisprechung auch eine Entschädigung am Platz sei. Man weist ferner auf die Zwangsenteignung hin, die ebenfalls im allgemeinen Interesse, aber gegen volle Entschädigung erfolge. Endlich wird die menschliche Unvollkommenheit und die damit zusammenhängende Möglichkeit, daß Untersuchungshaft unbegründeterweise verhängt werde, zur Begründung des Entschädigungsanspruchs wegen unschuldig erlittener Untersuchungshaft mit angeführt.

Die deutschen Regierungen haben sich bisher nach beiden Richtungen hin ablehnend verhalten, auch gegenüber dem Entschädigungsanspruch wegen unschuldig erlittener Strafhaft, und zwar namentlich aus dem Grund, weil auch die nachträgliche Freisprechung im Wiederaufnahmeverfahren keine Garantie dafür biete, daß man es mit einem wirklich Unschuldigen zu thun habe, da dieselbe häufig nur aus dem Grund erfolge, weil das ursprünglich vorhanden gewesene Beweismaterial infolge der natürlichen Wirkung des Zeitablaufs an Kraft verloren habe. Der Bundesrat hat daher bis jetzt seine Zustimmung zu dem vom Reichstag wiederholt beschlossenen Entschädigungsgesetz nicht erteilt, dagegen 17. März 1887 das Vertrauen ausgesprochen, daß in den Bundesstaaten überall in ausreichender Weise für die Beschaffung der Geldmittel Sorge getragen werde, welche erforderlich, um den bei der Handhabung der Strafrechtspflege nachweisbar unschuldig Verurteilten eine billige Entschädigung zu gewähren. Dieser Anregung ist auch von mehreren deutschen Staaten bei der Etatsaufstellung entsprochen worden. Vgl. Jacobi, Wahrheitsermittelung im Strafverfahren und Entschädigung unschuldig Verfolgter (Berl. 1883); Kronecker, Die Entschädigung unschuldig Verhafteter (das. 1883); v. Schwarze, Die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchung und Strafhaft (Leipz. 1883).

Unschuldigen Kindlein, Tag der (Festum innocentium), der kirchliche Festtag zur Erinnerung an den bethlehemitischen Kindermord durch Herodes, 28. Dez.

Unsichere Dienstpflichtige (unsichere Kantonisten), junge Leute, welche sich der Gestellung entziehen, ohne sich der Fahnenflucht schuldig zu machen; verlieren das Losungsrecht und können außerterminlich eingestellt werden, wobei ihre Dienstzeit vom nächsten Einstellungstermin an rechnet.