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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Venezuela

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Venezuela (geographisch-statistisch).

guata zu 2782 m auf. In der südlichen Kette erhebt sich im Ostteil der Turumiquiri 2048 m hoch. Parallel den eben erwähnten beiden Ketten dieses Gebirges ist noch eine nördlichere, größtenteils submarine Kette, welche in den der Küste vorliegenden Inseln, in den felsigen Vorgebirgen der Provinz Coro und in der Sierra Aceite auf der Halbinsel Goajira westlich vom Golf von Maracaibo in ihren höchsten Spitzen hervortritt und an mehreren Punkten (Macanao, Copey, Aceite, San Luis) eine Höhe von 1000-1300 m ü. M. erreicht (vgl. Amerika, S. 460). Das dritte, völlig isolierte System ist das der Sierra Parima (s. d.) in der südöstlichen Provinz Guayana. Die Form der Tiefebene tritt in V. in eigentümlich ausgeprägtem Charakter auf in den Llanos und Sabanas. Die Llanos (s. d.) nehmen den vierten Teil des ganzen Gebiets der Republik ein und dehnen sich von dem südlichen Abfall der Küstengebirgskette und der Kordillere von Merida ununterbrochen bis zu den Urwäldern Guayanas. Eigentümlich sind dem Land niedrige Plateaus (mesas), von denen das von Guaribe im NW. des Staats Bermudez, welches sich 200-260 m ü. M. erhebt und sich von NO. nach SW. erstreckt, das bedeutendste ist. Im Zusammenhang mit diesem Plateau, auf welchem die Wasserscheiden zwischen den zahlreichen Flüssen liegen, die dem Antillenmeer, dem Orinoko und dem Golf von Paria zufließen, steht ein ganzes System weniger ausgedehnter Plateaus, die sich zwischen 225 und 390 m erheben und bis in die ehemaligen Provinzen Cumaná und Guarico reichen. Obgleich thätige Vulkane und eigentliche vulkanische Eruptionsmassen in V. nicht vorkommen, so sind doch Erdbeben nicht selten und mitunter höchst verderblich gewesen (z. B. für Carácas). Die Bewässerung ist sehr reich, und zwar sind acht Becken zu unterscheiden: das Gebiet des Orinoko, des Cuyuni (Essequibo), des Rio Negro, des Sees von Maracaibo, des Sees von Valencia, der Golfe von Cariaco und Paria und das maritime oder das der Küstenflüsse des Antillenmeers. Bei weitem das größte und wichtigste Becken ist das des Orinoko, zu welchem fast 4/7 des ganzen Landes gehören. Die klimatischen Verhältnisse anlangend, so nimmt die heiße Region (tierra caliente) in V. den weitaus größern Teil des Landes ein. Sie reicht bis zu ungefähr 700 m ü. M. und hat eine Durchschnittswärme von 26° C. Mehrere Punkte sind noch wärmer, wie La Guaira (29°), Puerto Cabello (28°) und Maracaibo (29° C.). Die gemäßigte Region (tierra templada) liegt zwischen 700 und 2000 m; die wärmsten Monate sind April und Mai (mit selten mehr als 25° C.), die kühlsten Dezember und Januar, in welchen die Temperatur am Morgen und Abend oft auf 15° C. sinkt. Die kalte Region (tierra fria) endlich beginnt in einer Höhe von 2200 m und reicht bis zur Schneegrenze, welche in V. zwischen 6 und 8° nördl. Br. in einer Höhe von 4520 m liegt, jedoch in kühlern Jahren 400 m tiefer sinkt. Die mittlere Temperatur beträgt hier 2-3° C. In den Llanos des Südens fällt die Regenzeit auf Mai bis Oktober, während im Gebirge zwar in allen Monaten Regen fällt, aber doch eine eigentliche, auf die Monate Juni bis November sich erstreckende Regenzeit sich geltend macht. Im allgemeinen ist das Klima in V. nicht ungesund zu nennen, was besonders von den höher gelegenen Gegenden gilt. Auch in der heißen Küstengegend tritt das gelbe Fieber nur selten auf und nie mit solcher Heftigkeit wie z. B. in manchen Küstenstädten Brasiliens. Die Ausdehnung der unbewohnbaren Tierra fria ist in V. nicht bedeutend, denn sie beschränkt sich auf die Sierra Nevada von Merida, deren höchste Gipfel sich kaum 60 m über die Schneelinie erheben. Die Pflanzenwelt ist infolge der klimatischen Unterschiede eine sehr reiche und mannigfaltige. In der heißen Region bietet die wilde Vegetation dieselbe Mannigfaltigkeit und Fülle dar wie in Kolumbien und Zentralamerika, besonders in den Urwäldern, die auch reich an Bau- und Nutzhölzern und offiziellen oder technisch wichtigen Gewächsen sind (Sassaparille, Kautschuk, Sassafras, Vanille, Tonkabohnen, Fieberrinde, verschiedene Gummi- und Harzarten, Farbstoffe, Tolubalsam). Die gemäßigte Region ist dem Gedeihen fast aller dem Menschen nützlichen Gewächse günstig und ganz besonders zur Kaffeekultur geeignet. Auch finden sich hier wie in dem angrenzenden Teil der kalten Region die besten Cinchona-Arten. Die Kultur des Weizens beginnt in einer Höhe von 540 m und reicht bis in die kalte Region hinein, indem sie erst in einer Höhe von 2925 m aufhört. Sievers unterscheidet im nordwestlichen Bergland vier Regionen: Palmenwälder oder Kakteen bis 1000 m, Farnwälder bis 1800 und 2000 m, Hochwald mit Cinchonas bis 2400 m und Grasfluren bis zu den Berggipfeln. In der Region der Llanos beschränken sich die Wälder auf die Flußläufe. Nicht weniger reich und mannigfaltig ist die Fauna und zwar sowohl an nützlichen als an schädlichen Tieren. Unter den letztern sind namentlich die Moskitos hervorzuheben, welche in den feuchten Flußthälern eine wahre Landplage und dem Wachstum der Bevölkerung mehr hinderlich sind als die Hitze und Fieberluft. Die Ströme und die Meeresküsten sind reich an Fischen.

Areal und Bevölkerung. Die Republik besteht seit 1881 neben dem Bundesgebiet (Caracas) aus 8 Staaten und 6 Territorien:

Staaten etc. QKilometer QMeilen Einw. 1886 Auf 1 QKil.

Bundesgebiet (Carácas) 17 0,3 70078 4123

Staaten:

Los Andes 41672 756,8 317195 7,6

Bermudez 83572 1517,8 285377 3,4

Bolivár 220000 3995,4 57169 0,2

Carabobo 7732 140,4 167499 21,7

Falcon 93815 1703,8 198260 2,1

Guzmán Blanco 87881 1596,0 515418 5,9

Kolonie desgl. 555 10,1 1599 2,9

Lara 24085 437,4 245439 10,2

Zamora 74984 1361,8 245457 3,3

Territorien:

Colon (kleinere Inseln) 431 7,8 137 0,3

Goajira 9348 169,8 36500 3,9

Delta 65700 1193,2 - -

Yuruari 210200 3817,4 19852 0,1

Alto Orinoco 310300 5635,3 38340 0,1

Amazonas 236000 4286,0 / /

Zusammen: 1466292 26629,3 2198320 1,5

Beim Areal sind indes 381,000 qkm eingeschlossen, die von den Nachbarstaaten Kolumbien, Brasilien und England (Britisch-Guayana) beansprucht werden, und innerhalb der auf der großen Karte von Südamerika in Stielers »Handatlas« angegebenen Grenzen mißt das Areal nur 1,043,900 qkm. Die Bevölkerung ist vorwiegend eine Mischlingsrasse, und Sambos sind zahlreicher als in andern südamerikanischen Staaten. Seit 1881 ist die Bevölkerung nur um 123,075 Seelen (5,93 Proz.) gestiegen. Es kamen damals 1064 Weiber auf 1000 Männer, und man zählte 34,916 Ausländer (11,544 Spanier, 8807 Süd-^[folgende Seite]