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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Verdauungsbeschwerden - Verden.

rend der V. reichlicher ergossen. Um die 3.-5. und um die 13.-15. Stunde nach der Mahlzeit fließt sie am stärksten. Die reichste Gallensekretion zeigt sich nach Genuß von Fleisch mit etwas Fett, geringere nach Pflanzenkost, sehr geringe nach reinem Fettgenuß; im Hungerzustand hört sie auf, Wassertrinken vermehrt die Menge unter gleichzeitiger Verminderung der festen Bestandteile. Die Galle wirkt wesentlich auf die Resorption der Fette durch die Darmwand. Sie verwandelt dieselben in eine feine Emulsion u. nimmt fette Säuren unter Bildung von Seifen auf, welche die emulgierende Kraft der Galle erhöhen. Frische Galle verwandelt auch Stärkemehl in Dextrin und Zucker, sie wirkt anregend auf die Muskulatur des Darms, wodurch die gesamte Resorption erhöht wird; durch ihre reichliche Ergießung bewirkt sie den hinreichenden Wassergehalt der Exkremente, so daß diese leicht entleert werden können, während der schlüpfrige Schleim der Galle ein leichteres Fortrücken des Darminhalts begünstigt. Endlich schränkt die Galle die faulige Zersetzung des Darminhalts ein, zumal bei Fettkost. Zu Bauchspeichel und Galle gesellt sich schließlich noch der ebenfalls stark alkalische Darmsaft, welcher die zuckerbildende Thätigkeit des Speichels und des Bauchspeichels fortsetzt, Eiweißkörper peptonisiert, Fette teilweise emulgiert und sie später zerlegt. Neben den Verdauungssäften sind im Darmkanal niedere Organismen (Spaltpilze), welche mit den Speisen und Getränken hinein gelangen, als Gärungs- und Fäulniserreger thätig. Sie finden im Darm, resp. in den Verdauungsprodukten sehr günstige Bedingungen für ihre Entwickelung und veranlassen Zersetzungen, die unter Entbindung von Gasen verlaufen. Gewisse Bakterien erregen Milchsäure-, Buttersäure- und alkoholische Gärung, von andern werden Cellulose und Stärkemehl gelöst, Stärkemehl in Zucker verwandelt, Fette in Glycerin und fette Säuren gespalten, Salze organischer Säuren zersetzt. Eiweißkörper liefern bei der Fäulnis fette Säuren, Ammoniak, Indol, Phenol, Skatol und viele andre Substanzen. Diese Fäulnisprodukte wirken selbst antiseptisch, und bei einer gewissen Konzentration schränken sie wieder die Fäulnis ein. Immerhin überwiegen im dicken Gedärm die Fäulnis- und Gärungsprozesse über die eigentlichen Verdauungsumsetzungen; dazu kommt, daß hier die aufsaugende Thätigkeit der Dickdarmwandung größer ist als die absondernde, so daß der Darminhalt, welcher am Anfang des Dickdarms noch breiig-wässerig ist, allmählich fester wird. Geformt werden die Exkremente, welche die unverdaulichen Reste, nicht verdaute Bestandteile und der Resorption entgangene Verdauungsprodukte enthalten, erst im untern Abschnitt des Dickdarms.

Verdauungsbeschwerden, die bei Verdauungsschwäche (s. Dyspepsie) entstehenden Beschwerden.

Verdauungsferment, s. v. w. Pepsin (s. d.).

Verdauungsfieber, der nach reichlichen Mahlzeiten während der Verdauung eintretende und mit ihr vorübergehende Zustand von leichter Störung des Allgemeinbefindens, verbunden mit geringer Erhöhung der Körpertemperatur, erhöhter Pulsfrequenz und Unaufgelegtsein zu geistigen und körperlichen Anstrengungen. Daher das Sprichwort: plenus venter non studet libenter (»ein voller Bauch studiert nicht gern«). In höherm Grade tritt das V. bei schon geschwächten Personen, in der Rekonvaleszenz nach Krankheiten der verschiedensten Art (namentlich nach Typhus) und bei sonst vorhandener Neigung zu Magen- und Darmkatarrhen ein.

Verdauungsschwäche, s. v. w. Dyspepsie (s. d.).

Verde antico (ital.), grüne, im Altertum zu Ornamenten benutzte Gesteine, besonders ein Diabasporphyrit des südlichen Peloponnes zwischen Lebetsova und Marathonisi mit olivengrüner Grundmasse, grünlichweißem Labradorit und dunkelgrünem Augit (Marmor lacedaemonium viride des Plinius); auch s. v. w. Ophicalcit, ein kleinkörniger Marmor mit edlem Serpentin; auch s. v. w. Patina.

Verdeck, s. Deck.

Verdeckte Batterien, früher gebräuchliche Geschützbatterien, welche durch eine zweite Brustwehr gedeckt oder verdeckt sind, in der sich den hintern Scharten entsprechende Vorscharten befinden. Der Vorteil der so erreichten bessern Deckung gegen das feindliche Feuer wurde durch die nachteilige Beschränkung des Gesichtsfeldes meist aufgehoben.

Verdeckte Oktaven und Quinten, s. Parallelen.

Verde di Corsica (ital.), Art Gabbro (s. d.).

Verden (spr. fehrden), früher Bistum, dann ein jetzt zur preuß. Provinz Hannover gehöriges Herzogtum, das im wesentlichen außer der Stadt V. die Ämter V. und Rotenburg in den jetzigen Kreisen gleiches Namens umfaßt und von der Weser, Aller und Wümme bewässert wird. Die Gründung des Bistums wird Karl d. Gr. zugeschrieben; mit Sicherheit kann erst Haruth (808-830), der 829 auf einer Synode in Mainz anwesend war, als Bischof von V. gelten. Otto III. verlieh 983 dem Stift Markt-, Münz- und Zollrecht, und Heinrich IV. gewährte ihm 1106 die Immunität für alle seine Besitzungen. Der Bischof war ursprünglich Suffragan von Hamburg, später von Mainz. Die Reformation fand früh im Stift Eingang; doch erhielt sich das Domkapitel in der Herrschaft, bis 1631 Bischof Franz Wilhelm mit der katholischen Geistlichkeit vertrieben wurde. 1644 wurde V. von den Schweden besetzt, 1648 säkularisiert und als Herzogtum an Schweden abgetreten; 1720 fiel es an Hannover, 1810 an das Königreich Westfalen; 1813 kam es wieder unter hannöversche Herrschaft, 1866 mit Hannover an Preußen. Vgl. Kobbe, Geschichte und Landesbeschreibung der Herzogtümer Bremen und V. (Götting. 1825, 2 Bde.); Pfannkuche, Ältere und neuere Geschichte des vormaligen Bistums V. (Hamb. 1830-34, 2 Bde.); Hodenberg, Verdener Geschichtsquellen (Celle 1856-57).

Verden (spr. fehrden), Kreisstadt im preuß. Regierungsbezirk Stade, an der Aller, 4 km vor deren Mündung in die Weser und an der Linie Wunstorf-Bremerhaven der Preußischen Staatsbahn, 23 m ü. M., hat 3 evang. Kirchen (darunter der 1290-1490 erbaute gotische Dom), einen kath. Betsaal, ein Gymnasium, ein evang. Schullehrerseminar, eine Präparandenanstalt, ein Landgericht, ein Hauptsteueramt, eine Handelskammer, Tabaks-, Zigarren- und Lichtefabrikation, Bierbrauerei, Fischerei, Schiffahrt, lebhaften Handel und (1885) mit der Garnison (zwei Abteil. Feldartillerie Nr. 26) 8594 Einw. Zum Landgerichtsbezirk V. gehören die 21 Amtsgerichte zu Achim, Ahlden, Bassum, Blumenthal, Bruchhausen, Dorum, Geestemünde, Hagen, Hoya, Lehe, Lesum, Lilienthal, Nienburg, Osterholz, Rotenburg, Stolzenau, Sulingen, Syke, Uchte, V. und Walsrode. Schon zur Zeit Karls d. Gr. wird der Ort (lat. Fereda, Ferda oder Warduum, Vardunum) genannt und ist besonders durch das Blutbad bekannt geworden, welches der fränkische König unter den gefangenen Sachsen zur Strafe für ihren Aufruhr 782 anrichtete. Später gehörte die Stadt dem Bischof von V. Vgl. Ortenberg, Aus Verdens Vergangenheit (Stade 1876).