Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Vereinigte Staaten von N.-A.

125

Vereinigte Staaten von N.-A. (Geschichte 1862-1874).

nur entschlossen fort, sondern verkündeten nun auch offen die Aufhebung der Sklaverei und die völlige Niederwerfung der Rebellion als Ziele desselben. Lincoln erließ 22. Sept. 1862 eine Proklamation, welche alle in den Südstaaten gehaltenen Sklaven vom 1. Jan. 1863 ab für frei erklärte. Bei der neuen Präsidentenwahl 1864 siegte Lincoln glänzend über den Kandidaten der Versöhnungspartei, Mac Clellan; zum Vizepräsidenten wurde Andrew Johnson gewählt. So konnte der siegreiche Ausgang des Kriegs nicht zweifelhaft sein, wenn auch die völlige Besiegung der konföderierten Heere noch nicht gleich erfolgte. Der neue Oberbefehlshaber der Unionstruppen, Grant, brach, nachdem er durch den Sieg bei Chattanooga (November 1863) den ganzen Westen den Rebellen entrissen hatte, Anfang Mai 1864 gegen Richmond auf, lieferte Lee in der »Wildnis« (Wilderneß) und bei Spottsylvania eine Reihe blutiger Gefechte mit wechselndem Erfolg und überschritt, nachdem der Übergang über den Chickahominy durch die Niederlage vom 3. Juni vereitelt worden, den Jamesfluß, um Petersburg anzugreifen, das er nach einem vergeblichen Überrumpelungsversuch belagerte. Unter fortwährenden blutigen Gefechten gelang es ihm endlich im Herbst, im Verein mit dem im Shenandoathal operierenden Sheridan, Lees Defensivstellung bei Richmond zu durchbrechen und sich auf dem rechten Ufer des Jamesflusses zu behaupten. Gleichzeitig drang Sherman vom Westen her in Georgia ein, besetzte im September 1864 Atlanta und unternahm von hier aus den kühnen Marsch nach Savannah am Atlantischen Ozean, wo er 21. Dez. einzog und die Verbindung mit der Unionsflotte herstellte. Im Januar 1865 rückte er durch Süd- und Nordcarolina nach Norden, zog 22. März bei Goldsboro' ein Unionsheer unter Shofield an sich und vollendete Ende März die Einschließung Lees, der nur noch 60,000 Mann bei sich hatte. Am 3. April rückten die Bundestruppen in Petersburg und Richmond ein, und 9. April streckte Lee bei Appomatox-Court-House vor Grant, 27. April Johnston mit dem Reste der konföderierten Truppen bei Raleigh vor Sherman die Waffen. Damit war der Bürgerkrieg nach vierjähriger Dauer beendet. Derselbe hatte etwa 500,000 Menschen hinweggerafft und der Union eine Schuldenlast von 3 Milliarden Dollar aufgebürdet; denn die Rüstungen waren schließlich in so großartigem Maßstab betrieben worden, daß die Unionsarmee am Ende des Kriegs über 1 Mill. Mann, die Flotte 671 Schiffe zählte. Aber die Union war durch den Krieg nicht nur erhalten, sondern auch gekräftigt, der Zankapfel, die Sklaverei, beseitigt worden.

Die neueste Zeit.

Mitten in der Siegesfreude ward Lincoln 14. April 1865 im Theater zu Washington von einem fanatischen Konföderierten, dem Schauspieler Booth, erschossen. Ihm folgte der Vizepräsident Andrew Johnson, ein früherer Demokrat. Derselbe hegte die durchaus richtige Absicht, den besiegten, durch den Krieg und die Aufhebung der Sklaverei wirtschaftlich ruinierten Süden durch Versöhnlichkeit und Milde zu beruhigen, und wollte alle Südstaaten, welche ihren Sonderbestrebungen entsagten und die Aufhebung der Sklaverei anerkannten, als vollberechtigte Mitglieder wieder aufnehmen. Das Mißtrauen jedoch, welches die herrschende republikanische Partei gegen Johnson hegte, trat ihm hindernd entgegen, und der Präsident steigerte es durch ungeschickte Schroffheit gegen den Kongreß. Als derselbe beschloß, daß die Teilnehmer an der Rebellion von dem Stimmrecht ausgeschlossen werden sollten, legte er sein Veto ein und widersetzte sich auch dem weitern Beschluß, daß alle in den Vereinigten Staaten Gebornen oder Naturalisierten, also auch die frühern Sklaven, das politische Stimmrecht erhalten sollten. Auch gegen die Rekonstruktionsbill von 1867, welche den Süden in fünf Militärbezirke teilte und die Wiederaufnahme eines Staats von der Anerkennung voller Gleichberechtigung der Neger abhängig machte, legte Johnson sein Veto ein, und als das Gesetz dennoch rechtskräftig wurde, suchte er seine Ausführung auf alle Weise zu hindern. Er unternahm Agitationsreisen, um das Volk gegen den Kongreß aufzureizen, setzte den Kriegsminister Stanton zweimal ab und führte einen so leidenschaftlichen, hartnäckigen Krieg gegen den Kongreß, daß das Repräsentantenhaus 1868 gegen ihn die Anklage des Hochverrats und Verfassungsbruchs erhob. Der Senat verurteilte Johnson 16. Mai, aber nur mit 35 gegen 19 Stimmen; da die Zweidrittelmehrheit für eine Verurteilung erforderlich war, mußte die Anklage fallen gelassen werden. Doch war Johnsons Rolle ausgespielt, und mit Hohn und Spott bedeckt verließ er 4. März 1869 das Weiße Haus in Washington.

Inzwischen hatten die meisten Südstaaten (außer Mississippi, Virginia und Texas) ihre Verfassung den Beschlüssen des Kongresses gemäß umgestaltet und den Negern politische Gleichberechtigung eingeräumt, mit deren Hilfe sodann die Wahlen meist republikanisch ausfielen. Auch bei der Präsidentenwahl 1868 siegte die republikanische Partei glänzend, und der neue Präsident, Grant, der, 1872 wieder gewählt, 1869-1877 die Regierung leitete, begann seine Amtsführung unter günstigen Auspizien. Handel und Gewerbe hatten einen mächtigen Aufschwung genommen; das Gebiet der Union vergrößerte sich durch die Staaten Nevada und Colorado und das Territorium Alaska, das von Rußland gekauft wurde. England mußte 1872 zur Entschädigung für die Verluste, welche die in seinen Häfen ausgerüsteten Kreuzer der amerikanischen Schiffahrt zugefügt hatten, 15 Mill. Dollar bezahlen (s. Alabamafrage). Indes im Süden ließ sich die herrschende Partei manche Ungerechtigkeiten zu schulden kommen. Die Ausführung des 15. Amendements zur Bundesverfassung vom 30. März 1870, welches den 4 Mill. Negern das volle Stimmrecht gewährte, erregte im Süden große Unzufriedenheit. Die Behörden und Volksvertretungen der Südstaaten, aus bestechlichen Beamten und habgierigen Abenteurern aus dem Norden (den sogen. Carpet-baggers) und aus Farbigen zusammengesetzt, schalteten rücksichtslos mit den Staatseinkünften und unterdrückten jeden Widerstand. Als sich eine geheime Verschwörung unter den Weißen in Südcarolina bildete, der sogen. Kuklux-Clan (s. d.), wurde sie 1871 von den Bundesbehörden gewaltsam erstickt. Grant ließ die republikanische Partei ruhig gewähren und duldete es, daß die Mitglieder derselben ihre Herrschaft über die Union in immer frecherer Weise ausbeuteten und die Ämter nach Willkür an die strammen Anhänger der Partei (Stalwarts) vergaben, die sich dann straflos Pflichtversäumnis, Bestechlichkeit und Unterschlagung erlauben durften. Alle Klagen und Anträge auf Untersuchung der Mißbräuche im Beamtenwesen wurden im Kongreß begraben, und alle Versuche einer neuen Partei, der Liberal-Republikaner oder der Reformpartei (Mugwumps) unter Schurz, Trumbull, Sherman u. a., der Korruption ein Ende zu machen, blieben fruchtlos. Im Volk aber wuchs die Erbitterung gegen