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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Verpflichtungsschein; Verplatinieren; Verpuffung; Verpuppung; Verquicken; Verrat; Verrenkung

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Verpflichtungsschein - Verrenkung.

Verpflichtungsschein (Bon, Gutschein), im allgemeinen jede Urkunde, durch welche sich jemand zu einer Leistung verbindlich macht, daher s. v. w. Schuldschein; im engern Sinne nur Bezeichnung für den kaufmännischen V. (franz. billet à ordre, engl. promissory note), d. h. für das schriftliche einseitige Summenversprechen eines Kaufmanns. Der kaufmännische V. kann nach deutschem Handelsrecht durch Indossament (Giro) auf andre übertragen (begeben) werden, wofern folgende Voraussetzungen begründet sind. Der V. muß von einem Kaufmann ausgestellt sein und auf eine Geldleistung (Geldsummenschein) oder auf die Lieferung einer Quantität andrer vertretbarer Sachen oder Wertpapiere (Warensummenschein, Quantitätenschein) lauten. Er muß auf Order lauten und darf die Leistung nicht von einer Gegenleistung abhängig machen. Der eigne (trockne) Wechsel (s. d.) stellt sich hiernach als eine Art des Verpflichtungsscheins dar. Das deutsche Wechselstempelsteuergesetz vom 10. Juni 1869 (§ 24) unterwirft aber jeden Geldsummenschein an Order der Wechselstempelsteuer. Vgl. Deutsches Handelsgesetzbuch, Art. 301.

Verplatinieren, Metall und andre Gegenstände mit Platin überziehen. Eisen und Stahl werden durch eine ätherische Lösung von Platinchlorid, Stahl, Messing, Kupfer durch Reiben mit einem Brei aus Platinsalmiak und Weinstein verplatiniert. Eine mit kohlensaurem Natron schwach alkalisch gemachte Lösung von Platinchlorid platiniert bei 60° poliertes Messing, auch Kupfer, Stahl und Neusilber. Der Überzug muß gut gespült und sofort mit trocknem weichen Leder abgerieben werden. Kupfer, Messing, Tombak werden schön verplatiniert, wenn man sie beizt, blank scheuert, in eine kochende Lösung von Platinsalmiak und Salmiak in Wasser taucht, mit Schlämmkreide putzt etc. Sehr schwache Platinüberzüge erhält man in dem einfachen galvanoplastischen Apparat, während man für stärkere eine Batterie mit einem Platinblech am Zinkpoldraht anwenden muß. Zum galvanischen V. dient eine mit etwas Salmiakgeist versetzte Lösung von Platinsalmiak in heißem Wasser oder von Kaliumplatinchlorid in starker Kalilauge. Zur Kontaktverplatinierung versetzt man eine Lösung von Platinchlorid mit Kochsalz und etwas Ätznatronlauge, legt den kupfernen oder messingenen Gegenstand hinein und berührt ihn innerhalb der Flüssigkeit mit Zink. Zum V. von Porzellan benutzt man gefälltes Platin mit basischem Wismutnitrat als Flußmittel. Glanzplatin (Platinlüster) erhält man durch Auftragen von Platinsalmiak mit Lavendelöl oder Schwefelbalsam und Einbrennen. Über Platinspiegel s. Spiegel, S. 136.

Verpuffung (Detonation), die von mäßigem Knall und gewöhnlich von Licht- und Wärmeentwickelung begleitete Vereinigung oder Zersetzung zahlreicher Körper, unterscheidet sich von der Explosion nur durch den geringern Grad der Heftigkeit.

Verpuppung, die Verwandlung der Insektenlarve in die Puppe; s. Insekten, S. 979.

Verquicken, s. v. w. amalgamieren, s. Quecksilberlegierungen.

Verrat (Verräterei, Proditio), Verletzung schuldiger Treue durch Überlieferung der Person, der Sachen, der Geheimnisse eines andern an dessen Feinde, um ihm zu schaden. Das moderne Strafrecht kennt ein allgemeines Verbrechen des Verrats nicht mehr, wohl aber sind Hoch- und Landesverrat (s. Majestätsverbrechen) sowie der Kriegsverrat mit schwerer Strafe bedroht.

Verrenkung (Luxatio), das Ausweichen eines beweglichen Knochens aus seiner Gelenkverbindung, kommt als angebornes Übel meist bei gleichzeitig anderweit mißgebildeten Kindern vor, in einzelnen Fällen entsteht sie spontan bei Gelenkkrankheiten, in der weitaus größten Mehrzahl der Fälle entsteht sie als traumatische durch äußere Gewalteinwirkung. Die V. wird als eine vollständige oder unvollständige bezeichnet, je nachdem die Gelenkflächen in gar keiner Berührung mehr miteinander stehen oder zum Teil noch miteinander zusammenhängen. An die unvollständige V. schließt sich die Verstauchung an, bei welcher die Gelenke zwar voneinander abgewichen, aber durch die natürliche Zusammenziehung der Gelenkbänder und Muskeln von selbst wieder in die richtige Lage gebracht worden sind. An den Kugelgelenken, wie an der Schulter, Hüfte, ist die V. meist eine vollständige, an den Scharniergelenken, wie am Fuß, Knie, Ellbogen, meist eine unvollständige. Einfach heißt eine V., wenn keine anderweite Verletzung oder Erkrankung des betreffenden Gliedes, wie Verwundung, Quetschung, Knochenbruch, Entzündung, Eiterung etc., damit verbunden ist, kompliziert dagegen, wenn letzteres der Fall ist. Man erkennt eine V. an der ganz fehlenden oder wenigstens sehr verringerten Beweglichkeit des verrenkten Gliedes, besonders aber an den anatomischen Veränderungen desselben, welche von außen sichtbar oder fühlbar sind, indem die Gelenkhöhle oder Pfanne durch das Ausweichen des Gelenkkopfes leer und der letztere an einer andern Stelle befindlich ist, das verrenkte Glied daher entweder zu lang oder zu kurz, durch den Zug der gezerrten Muskeln gebeugt oder verdreht erscheint. Weitere Symptome sind in frischen Fällen Geschwulst, Entzündung, Blutergießung und heftige Schmerzen in der Umgebung des Gelenks. Je freier die Beweglichkeit eines Gelenks ist, um so mehr ist es der V. ausgesetzt, daher das verhältnismäßig häufige Vorkommen derselben am Schultergelenk. Bei alten Leuten kommen Verrenkungen seltener vor als bei jüngern, weil bei jenen die Gelenkenden der brüchig gewordenen Knochen eher abbrechen, als ausweichen. Bei vollständiger V. besteht regelmäßig ein Einriß in die Gelenkkapsel, je stärker die Gewalt war, um so ausgedehnter kommen Zerreißungen der umliegenden Weichteile, Muskeln, Nerven und Gefäße vor. Erste und Hauptaufgabe der Behandlung ist die Einrichtung (Einrenkung, Repositio) des Gliedes, die so schleunig wie möglich geschehen muß, nicht allein weil es dann leichter zu bewerkstelligen und weniger schmerzhaft ist, sondern auch weil vollständige Heilung dann eher zu erwarten steht. Man sucht bei der Einrichtung den ausgewichenen Knochen auf demselben Weg in seine Gelenkpfanne zurückzubringen, auf welchem er aus derselben ausgetreten ist, zu welchem Behuf derjenige Knochen, von welchem der andre ausgewichen ist, fixiert und der ausgewichene scharf ausgezogen wird, bis er wieder in die Richtung des verlassenen Gelenks kommt, um in dessen Pfanne zurückgleiten zu können. Der durch die Ausziehung des Knochens wieder beweglich gewordene Gelenkkopf springt oft wie von selbst, in andern Fällen unter Anwendung geschickter Kunstgriffe mit hörbarem Geräusch in die Pfanne zurück. Zur richtigen Ausführung der dazu erforderlichen Manipulationen ist die genaueste Kenntnis der betreffenden Teile, die sorgfältigste Untersuchung der Art der V. und das Geübtsein in den eben erwähnten Kunstgriffen notwendig, weshalb dieselbe nur einem geschickten Arzt oder Wundarzt zu übertragen ist. Nach geschehener