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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Verres; Verri; Verrières, Les; Verrĭus Flaccus; Verrocchio

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Verres - Verrocchio.

Einrichtung wird ein Verband angelegt, welcher das betroffene Glied in der richtigen Lage hält und vorzeitige Bewegung desselben hindern soll. Wie lange dies geschehen muß, hängt von der Besonderheit des Falles ab. Gleich nach erfolgter Verletzung ist die Anwendung kalter Umschläge nötig, um stärkere Schwellung zu verhüten. Ist die starke Kontraktion der Muskeln der Einrichtung hinderlich, so sind erschlaffende Mittel (warme Bäder, Brechweinstein etc.) oder auch Chloroformierung anzuwenden, um die Anspannung der Muskeln zu heben. Die Chloroformierung erspart auch dem Kranken die meist sehr empfindlichen Schmerzen bei der Einrichtung. Ist die Reposition bald nach der Verletzung unterblieben, so heilen die Risse der Gelenkkapsel sowie der den ausgetretenen Gelenkkopf umgebenden Weichteile; liegt der Kopf (Oberarm oder Oberschenkel) einem andern Knochen fest an, z. B. dem Schulterblatt oder Hüftbein, so bildet sich mittlerweile eine neue Gelenkgrube und ohne Kunsthilfe ein erträglicher Grad von Brauchbarkeit aus. Die spätere Einrichtung derartiger veralteter Verrenkungen erfordert ungleich größere Kraft, Übung und Vorsicht als die frischen Fälle; oft bleibt sie trotzdem erfolglos. Bei Verstauchung eines Gliedes werden zuvörderst kalte Umschläge gemacht; dann folgt das Anlegen eines festen Verbandes, damit das Glied in seiner normalen Lage verharre, die etwa zerrissenen oder sonst beschädigten Bänder wieder zusammenheilen und nicht eine abnorme Beweglichkeit des Gliedes zurückbleibe, welche später leicht zu einer wirklichen V. führen kann, wie z. B. Verstauchung des Fußes leicht V. desselben zur Folge hat.

Verres, Gajus (Cornelius?), röm. Ritter, diente 82 v. Chr. im Kriege gegen Sulla als Quästor in der Armee des Carbo, verließ aber dann die Volkspartei und ging zu Sulla über, begab sich 80 mit Gnäus Dolabella als dessen Legat in die Provinz Kilikien, bekleidete 74 die Prätur und übernahm 73 als Proprätor die Verwaltung der Provinz Sizilien, die er drei Jahre lang unter den größten Ausschweifungen und Erpressungen führte. Auf Bitten der Provinzialen, die V. deshalb wegen Erpressung (repetundarum) belangten, übernahm Cicero die Anklage und führte sie trotz der Verteidigung durch die angesehensten Männer der Stadt glücklich durch (Verrinische Reden, sieben an der Zahl, von denen aber fünf von Cicero nur geschrieben, nicht wirklich gehalten worden sind), so daß V. schon nach der ersten Rede die Stadt verließ und nachher zur Verbannung und zu 40 Mill. Sesterzien (etwa 8 Mill. Mk.) Schadenersatz verurteilt wurde. Er starb im Exil, jedenfalls nach 43, da er noch von Antonius auf die Liste der Proskribierten gesetzt wurde.

Verri, Alessandro, Graf, ital. Dichter und Schriftsteller, geb. 1741 zu Mailand, studierte Jurisprudenz und wurde Advokat, beteiligte sich eifrig an dem von Beccaria gegründeten Journal »il Caffè«, welches Fragen der Philosophie, Naturwissenschaften und Litteratur behandelte, und begab sich um 1766 nach Paris, wo er mit Beccaria viel im Kreis der Encyklopädisten verkehrte. Nachdem er noch London besucht, ließ er sich in Rom nieder, wo er fast seine ganze Thätigkeit der Litteratur und den Wissenschaften widmete. Er veröffentlichte zunächst zwei Tragödien: »Pantea« und »La congiura di Milano«, die in der Art der Shakespeareschen Dramen gehalten waren und von einem ungewöhnlichen Talent zeugten, aber keine besondere Aufnahme fanden, da Alfieri bereits die Theater beherrschte. Weiter folgte sein Hauptwerk, die »Notti romane« (1780), eine Dichtung in Dialogen zwischen den großen Römern (Cicero etc.), welche die Früchte seiner Studien über das politische und gesellschaftliche Leben Altroms enthält. Eine »Kulturgeschichte Italiens«, von dem Ursprung Roms bis zur Gegenwart, der er fünf Jahre widmete, ist nur in französischer Übersetzung (von Lestrade, 1827) erschienen. Weitere Werke von V. sind: der Roman »Avventure di Saffo«, worin er das Leben Altgriechenlands schildert, und die angeblich in einem alten Manuskript entdeckte »Vita di Erostrato«, ein andrer kurz vor seinem Tod erschienener Roman, welcher die Brandstifter von Ephesos als psychologische Studie behandelt. V. starb 23. Dez. 1816 in Mailand. Seine »Opere scelte«, mit seiner Biographie von Maggi, erschienen Mailand 1822. - Sein älterer Bruder, Pietro V., geb. 1728, gest. 1797, ein Freund und Gesinnungsgenosse Beccarias, hat sich namentlich durch seine »Osservazione sulla tortura«, die »Meditazioni sull' economia politica« sowie durch seine »Storia di Milano« (neue Ausg., mit Fortsetzung von Custode, Mail. 1830-37, 8 Bde.; Flor. 1851, 2 Bde.) einen ehrenwerten Platz in der Litteratur Italiens erworben. »Scritti Vari di P. V.« gab Carcano heraus (Flor. 1854, 2 Bde.).

Verrières, Les (V. de Joux, spr. lä werrĭähr d'schuh), kleiner Grenzort im franz. Departement Doubs, Arrondissement Pontarlier, an der Eisenbahn Andelot-Pontarlier-Neuchâtel, mit Zollamt, Uhrmacherei und 800 Einw. Unfern davon, auf Schweizer Boden (Kanton Neuenburg), die Station Les V. Suisses mit (1888) 1854 Einw. Hier betrat das Gros der Armee Bourbakis (2. Febr. 1871) den Schweizer Boden, um entwaffnet und interniert zu werden (s. Travers).

Verrĭus Flaccus, röm. Grammatiker, Freigelassener, von Augustus mit dem Unterricht seiner Enkel betraut, starb in hohem Alter nach 14 n. Chr. Von seinem alphabetisch angelegten, grammatisch-antiquarischen Hauptwerk: »De verborum significatu«, in 20 Büchern, besitzen wir nur den Auszug des Festus (s. d. 2); außerdem sind von seinem zu Präneste in Marmor aufgestellten Festkalender Bruchstücke vorhanden (zuletzt hrsg. von Th. Mommsen im »Corpus inscriptionum latinarum«, Bd. 1, Berl. 1863).

Verrocchio (spr. -róckjo), Andrea del, ital. Goldschmied, Bildhauer und Maler, geb. 1435 zu Florenz, war anfangs Goldschmied, bildete sich dann bei Donatello oder unter seinem Einfluß zum Bildhauer aus und war nebenher auch als Maler thätig. Er war in der Bearbeitung des Marmors ebenso geschickt wie im Erzguß und in der Edelschmiedekunst und hat in Florenz eine Reihe von Werken geschaffen, welche durch ein lebendiges Naturgefühl und durch kraftvolle Charakteristik ausgezeichnet sind. Seine dort erhaltenen Hauptwerke sind: der Knabe mit dem Delphin, Bronzegruppe auf dem Brunnen im Hof des Palazzo vecchio, ein Madonnenrelief, eine Bronzestatue des jugendlichen David und das Marmorrelief mit dem Tode der Gattin des Francesco Tornabuoni im Bargello und die Bronzegruppe Christi und des ungläubigen Thomas an Or San Michele. Um 1480 ging er nach Venedig, wo er das kolossale Reiterstandbild des Bartolommeo Colleoni schuf, dessen Bronzeguß jedoch erst nach seinem Tode durch Leopardi vollendet wurde. Er starb 1488 in Venedig. Von seinen Gemälden ist nur eins, die Taufe Christi (Akademie zu Florenz), beglaubigt, in welcher sein Schüler Leonardo da Vinci die Gestalt eines Engels gemalt haben soll. Danach schreibt man ihm auch eine Madonna mit dem Kind im Museum zu Berlin zu.