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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Vestibulum; Vestigia terrent; Vestitur; Vestris; Vestvali; Vesuv

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Vestibulum - Vesuv.

Vestibulum (lat.), bei den Häusern der vornehmen Römer der oft mannigfaltig geschmückte Platz zwischen der Straße und dem Eingang; bei geringern Häusern der Teil des Eingangs selbst bis zur Thür. In der spätern Römerzeit s. v. w. Atrium (s. Tafel »Baukunst VI«, Fig. 4). Aus V. ist die in der modernen Baukunst übliche Bezeichnung Vestibül für einen Vorraum entstanden, in welchem der Eintretende seine Überkleider ablegt; dann s. v. w. Vorhalle, Vorflur, Treppenhalle. In monumentalen Gebäuden, Theatern, Konzerthäusern u. dgl., ist das Vestibül zumeist durch reiche Malereien und plastische Zieraten ausgeschmückt und auch in Bezug auf die Ausbildung des Raums künstlerisch bevorzugt.

Vestigia terrent (lat.), »die Spuren (der von dir getöteten Tiere) schrecken (mich zurück)«, Citat aus Horaz (Epist., I, 1, 74), welches sich auf die bekannte Äsopische Fabel vom Löwen und Fuchs bezieht.

Vestitur (lat.), Einkleidung (s. Investitur).

Vestris (eigentlich Vestri), berühmte ital. Tänzerfamilie. Gaetano Apollino Baldasarre, geb. 18. April 1729 zu Florenz, war 1749-81 der Stolz der Großen Oper in Paris; starb daselbst 27. Sept. 1808. Seine Gattin Anna Friederike Heinel-V., geb. 28. Dez. 1752 zu Baireuth, war seit 1768 ebenfalls Mitglied der Großen Oper; starb 27. Sept. 1808. Marie Auguste V., der Sohn des vorigen und der berühmten Tänzerin Allard (daher auch V.-Allard genannt), geb. 27. März 1760, wirkte seit 1772 ebenfalls an der Oper zu Paris und entzückte noch 1816 das Publikum durch Grazie und Kraft. Er starb 6. Dez. 1842. Marie Françoise Rose Gourgaud-Dugason-V., geb. 7. April 1743 zu Paris, verheiratet an Angiolo V. (1730-1809), einen Bruder von Gaetano V., kam 1768 an das Théâtre-Français und zeichnete sich hier als Schauspielerin, besonders im tragischen Fach, aus. Sie starb 5. Okt. 1804.

Vestvali, Felicita von, eigentlich Anna Marie Stegemann, Sängerin und Schauspielerin, geb. 23. Febr. 1828 zu Stettin, ging mit 15 Jahren bei der Gesellschaft des Direktors Bröckelmann zur Bühne und begab sich, nachdem sie in verschiedenen norddeutschen Städten aufgetreten war, nach Paris, von da nach Italien, wo sie bei Romani in Florenz und Mercadante in Neapel Studien machte und nach Annahme des Namens V. als italienische Sängerin in der Mailänder Scala auftrat. Hier wie in London fand sie Beifall, mehr noch 1855 in New York, Philadelphia etc. Einige Zeit auch Direktrice in Mexiko, sang sie dann wieder in Paris, durchreiste mit einer französischen Operngesellschaft Frankreich, Belgien und Holland und ging 1864 von neuem nach New York, nun als englische Tragödin in Männerrollen Enthusiasmus erweckend wie früher als Altistin. Romeo, Petruchio, Hamlet waren von jetzt an ihre Paraderollen. Nach Europa zurückgekehrt, trat sie 1867 in London auf, wo sie von der Akademie der schönen Künste zum Ehrenmitglied ernannt wurde, sowie seit 1868 auch wieder in Deutschland, zunächst in Hamburg. Sie starb, nachdem sie schon längere Zeit der Bühne entsagt hatte, 3. Febr. 1880 in Warschau. Extravagant und darum viel angefochten, besaß V. eine seltene dramatische Gestaltungskraft, dazu Kunstbegeisterung und staunenerregenden Fleiß.

Vesuv (ital. Vesuvio, lat. Vesuvius, hierzu »Karte des Vesuvs«), der einzige thätige Vulkan auf dem Festland von Europa, erhebt sich 10 km südöstlich von Neapel als ein völlig isolierter Kegel aus der Campanischen Ebene unmittelbar am Meer. Der V. ist als ein zusammengesetztes vulkanisches Gerüst deutlich erkennbar. Der Monte di Somma, ein halbkreisförmiger Bergrücken, welcher den eigentlichen Vesuvkegel im N. und O. umgibt, durch ein tiefes, sichelförmiges Thal, das Atrio del Cavallo, von diesem geschieden, ist der Rest des in einer vorhistorischen Periode vulkanischer Thätigkeit geschaffenen, aber durch den berühmten Ausbruch vom Jahr 79 n. Chr. zerstörten Kegels, der, ähnlich wie der Ätna, zuerst submarin aufgebaut wurde. Der V. besteht nur aus vulkanischem Tuff mit marinen Sedimenten, erst während der in historischer Zeit wieder erwachten vulkanischen Thätigkeit strömte auch Lava aus. Dem Material, aus welchem die verschiedenen Teile des Bergs bestehen, entspricht die im untern Teil sehr geringe, am obern Aschenkegel sehr steile (30-35°) Böschung. Der Gipfel, dessen Durchschnittshöhe 1280 m beträgt, ist durch die Kraterausbrüche großen Veränderungen unterworfen. Auch der Durchmesser des Kraters auf der Spitze des obersten Aschenkegels ist sehr veränderlich (ca. 750 m), ebenso Schlund und Boden, die bei jedem Ausbruch eine verschiedene Form annehmen. Der Fuß des Bergs ist trotz der sich beständig wiederholenden Ausbrüche von einer tüchtigen Bevölkerung von mehr als 80,000 Seelen bewohnt und mit Fruchtbäumen und den üppigsten Weingärten bedeckt, die den feurigen Lacrimae Christi und Vino greco erzeugen. Zwischen diesen Weingärten schneiden tiefe unfruchtbare Thalschluchten ein, in denen vieljährige Lava in zackigen Felsen aufgehäuft ist. Die Mittelregion des Bergs ist kahl, und nur an einigen Stellen, wo Lavaströme das Erdreich nicht verwüstet haben, wuchern Kastanienbüsche und finden sich einzelne Wein- und Obstgärten. Der V. wird gewöhnlich von Resina oder von Pompeji aus in 5-7 Stunden bestiegen. Am Fuß des eigentlichen Aschenkegels, auf einem nach W. gestreckten Bergrücken, 676 m ü. M., befindet sich das Observatorium mit Einrichtungen für meteorologische Beobachtungen und die Erforschung der atmosphärischen Elektrizität, einer Bibliothek und einer Sammlung vulkanischer Produkte (Direktor Palmieri). Die Besteigung ist jetzt außerordentlich durch die 1880 eröffnete Drahtseilbahn erleichtert, welche, in der Nähe des Observatoriums in ca. 800 m Höhe beginnend, die Schwierigkeiten des Aschenkegels beseitigt.

Bis zum Jahr 79 n. Chr. galt der V., der bis zur Spitze bewaldet oder angebaut war und nur Kundigen seine wahre Natur verriet, nicht als Vulkan. Der furchtbare Ausbruch jenes Jahrs, welcher dem Naturforscher Plinius das Leben kostete und die Städte Herculaneum, Pompeji und Stabiä zum Teil durch Schlammströme, zum Teil durch Aschen- und Lapilliregen vernichtete, hatte sich schon seit dem Jahr 63 in zerstörenden Erdbeben angekündigt. Seitdem sind mit nur kürzern Pausen der Thätigkeit zahlreiche Ausbrüche eingetreten. Zu den heftigsten gehören die von 203, 472, 512, 685, 982, 1036, 1139; hierauf folgte eine lange Pause, bis 1631 wieder ein furchtbarer Ausbruch stattfand, dem andre 1638, 1660, 1680 und von da an bis 1790 eine ganze Reihe von Eruptionen nachfolgten. Bei den kleinern derselben erhob sich in der Regel der Gipfel, während er bei den größern an Höhe verlor. 1794 fand wieder einer der mächtigsten Ausbrüche statt, welcher die blühende Stadt Torre del Greco fast ganz vernichtete und den Einsturz der westlichen Spitze des Kegels sowie eine Veränderung der ganzen Form des Vesuvs verursachte. Seit dem Anfang des 19. Jahrh. ist fast kein Jahr ohne stärkere oder schwächere Ausbrüche hingegangen. Von größerer Bedeutung waren