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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Viehoff; Viehseuchen

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Viehoff - Viehseuchen.

vieh. Der Berliner V. besitzt zwölf Rinderställe für 3780 Stück Rindvieh; vier Hämmelställe für 9000 Schafe; eine Schweinehalle, zugleich Stall, für 9000 Schweine und eine Kälberhalle, zugleich Stall, für 2000 Kälber. Die Viehhöfe müssen mit der Eisenbahn in direkter Verbindung stehen und bequeme Vorrichtungen zum Aus- und Einladen des Viehs besitzen. Auf allen größern Viehhöfen findet wöchentlich an einem bestimmten Tag ein Hauptmarkt statt, während an einem zweiten Tag ein kleiner Markt zum Verkauf der vom Hauptmarkt übriggebliebenen Tiere abgehalten wird. Die Verwaltung der Viehhöfe liegt in den Händen der städtischen Behörden, welche für die Unterbringung der Tiere in den Stallungen eine bestimmte Gebühr erheben und auch die erforderlichen Futtermittel zu tarifmäßigen Preisen in eigner Regie berechnen. Durch die auf den Viehhöfen unvermeidliche Berührung fremder Tiere wird die Verbreitung von Viehseuchen, namentlich der Maul- und Klauenseuche und des Schweinerotlaufs, im Inland außerordentlich begünstigt. Die deshalb erforderliche strenge Beaufsichtigung der Märkte besorgen die staatlich angestellten Tierärzte. Zum Zweck der Untersuchung müssen die Tiere vor dem Markt in den Stallungen gefüttert und getränkt werden. Auf den größern Viehhöfen wird in der Regel von der Landespolizeibehörde auch vorgeschrieben, daß Rindvieh nicht zugeführt werden darf ohne amtliches Ursprungszeugnis, aus welchem hervorgehen muß, daß die betreffenden Tiere während der letzten vier Wochen in einem seuchenfreien Ort gestanden haben. Kann dieser Nachweis nicht geliefert werden, oder erweisen sich die Tiere nicht frei von Seuchenverdacht, so sind dieselben entweder einige Zeit im Observationsstall unterzubringen, oder im Polizeischlachthaus sofort zu schlachten und tierärztlich zu besichtigen. Zum V. gehört ferner eine Desinfektionsanstalt, in welcher die Eisenbahnwagen den gesetzlichen Vorschriften gemäß gereinigt werden. Die nach jedem Viehtransport erforderliche Desinfektion wird mit 70° heißer Lauge von 500 Teilen Soda auf 100,000 Teile Wasser bewirkt. Der Kehricht wird mit Kalkmilch versetzt. Auf dem Berliner V. wurden 1885-86 zum Verkauf gestellt: 155,671 Rinder (Großvieh), 57,375 Schweine, 20,671 Kälber und 689,068 Hämmel, insgesamt 922,785 Tiere. Vgl. »Die Anstalten der Stadt Berlin für die öffentliche Gesundheitspflege« (Berl. 1886); Hennicke, Bericht über Schlachthäuser und Viehmärkte (das. 1889).

Viehoff, Heinrich, Literarhistoriker und Übersetzer, geb. 28. April 1804 zu Büttgen bei Neuß, studierte in Bonn, war dann teils als Erzieher in einer gräflichen Familie thätig, teils auf Reisen, erhielt 1833 eine Lehrerstelle am Gymnasium zu Emmerich, kam 1838 als erster Oberlehrer an die Realschule zu Düsseldorf und 1850 als Direktor der Realschule und der Provinzialgewerbeschule nach Trier, welche Stellung er bis zu seiner Quieszierung (1876) bekleidete. Er starb 5. Aug. 1886 in Trier. Viehoffs litterarhistorisches Verdienst beruht vorzugsweise auf seinen Arbeiten über Schiller und Goethe, von denen wir nennen: »Goethes Leben, Geistesentwickelung und Werke« (Stuttg. 1847-49, 4 Bde.; 5. Aufl. 1888); die Erläuterungen zu Goethes Gedichten (3. Aufl., Stuttg. 1876, 2 Bde.) und zu Schillers Gedichten (6. Aufl., das. 1887, 3 Bde.); »Schillers Leben« (auf Grund des Hoffmeisterschen Werkes, das. 1875, 3 Bde.; 2. Aufl. 1888), woran sich das »Handbuch der deutschen Nationallitteratur« (16. Aufl., Braunschw. 1882, 3 Bde.), die »Vorschule der Dichtkunst« (das. 1860) u. a. anschließen. An metrischen Übersetzungen veröffentlichte V.: »Blütenstrauß französischer Poesie« (Trier 1862); »Blütenstrauß englischer Poesie« (das. 1864); »Racines Werke« (neue Ausg., Berl. 1869, 4 Bde.); elf Stücke Shakespeares (Hildburgh. 1867 ff.); Tegnérs »Frithjofsage« und Scotts »Fräulein vom See« (das. 1865); die Dramen des Sophokles (das. 1867); Longfellows »Evangeline« (Trier 1869); die »Mosella« des Ausonius (das. 1871) u. a. Mit Herrig begründete er das »Archiv für das Studium neuerer Sprachen und Litteraturen« (Braunschw. 1844 ff.). Aus seinem Nachlaß erschienen: »Drei Bücher erzählender Gedichte« (Leipz. 1888) und »Die Poetik auf der Grundlage der Erfahrungsseelenlehre« (mit Biographie von Kiy, Trier 1888).

Viehseuchen, nach älterer Auffassung alle Krankheiten, welche gleichzeitig eine größere Zahl von Tieren befallen. In der neuern Zeit beschränkt man aber den Begriff auf die durch Ansteckung leicht übertragbaren Krankheiten der Haustiere und zählt zu diesen namentlich Rinderpest, Maul- und Klauenseuche, Lungenseuche des Rindes, Pockenseuche der Schafe, Beschälseuche, Bläschenausschlag, Raude der Pferde und Schafe, Milzbrand, Tollwut und Rotz. Die Betrachtung dieser Krankheiten als V. knüpft zum Teil an die Thatsache an, daß zur Bekämpfung derselben in allen europäischen Staaten Gesetze und Verordnungen erlassen sind. Im übrigen haben die Diphtherie des Geflügels (Hühnerseuche, Geflügelseuche), die Rotlaufseuche der Schweine, die Pferdestaupe (Influenza), die Brustseuche der Pferde etc. auch den Charakter von Herdenkrankheiten oder Seuchen. Da gegen die letztern aber keine Abwehr und Tilgungsvorschriften bestehen, pflegt man sie den V. nicht beizuzählen. Durch die Verbreitung von V. unter den Haustieren wird der Nationalwohlstand und noch mehr das Vermögen des einzelnen Viehbesitzers erheblich geschädigt. Die Rinderpest wurde im vorigen Jahrhundert zu einer der größten Landplagen in Europa. Daneben sind die Tollwut, der Milzbrand und der Rotz noch dadurch gefährlich, daß sie auf Menschen übertragen werden können und auch bei diesen zum Tod führen. Die polizeiliche Bekämpfung der V. bildet einen Teil des Veterinärwesens und ist mit der Thätigkeit der beamteten Tierärzte eng verknüpft. Das Deutsche Reich war auf diesem Gebiet zunächst durch Sozialgesetzgebung über die Rinderpest (s. d.) thätig. Das norddeutsche Bundesgesetz vom 7. April 1869, Maßregeln gegen die Rinderpest betreffend, wurde auf das Reichsgebiet ausgedehnt. Hierzu gehört die revidierte Instruktion vom 9. Juni 1873 (Reichsgesetzblatt, S. 147 ff.). Auch das Reichsgesetz vom 26. Febr. 1876, betreffend die Beseitigung von Ansteckungsstoffen bei Viehbeförderungen auf Eisenbahnen, gehört hierher. Von den übrigen V. handelt das Reichsgesetz vom 23. Juni 1880, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von V., nebst Instruktion des Bundesrats vom 24. Febr. 1881 (Zentralblatt für das Deutsche Reich, S. 37 ff.) und Nachtrag vom 2. Mai 1882. Dazu kommen die Ausführungsgesetze u. -Verordnungen der Einzelstaaten. Gegenstand der Viehseuchengesetzgebung ist die Abwehr der Einschleppung aus Nachbarländern und die Unterdrückung der Seuchenherde im Inland. Die Abwehr erfordert permanente und vorübergehende Maßregeln an den Landesgrenzen, die in einer Überwachung des Grenzverkehrs mit Vieh und giftfangenden Sachen durch tierärztliche Beamte (Grenztierärzte) und in einem Verbot der Einfuhr von einzelnen oder mehreren Viehgattungen, von