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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Viscount; Viscum; Visé; Visegrád

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Viscount - Visegrád.

dann wieder Gehilfe des Ende 1860 zum Statthalter von Neapel ernannten Ministers Farini für die auswärtigen Angelegenheiten. Als er zum erstenmal unter Minghetti vom Mai 1863 bis zum September 1864 Minister des Äußern war, leitete er die Verhandlungen über die Septemberkonvention, die das Ministerium stürzte. Nachdem er, 1866-67 wiederum an der Spitze des auswärtigen Departements, den Frieden mit Österreich abgeschlossen, führte er in seinem dritten Ministerium, 1869-76, die Unterhandlungen über die Annexion des Kirchenstaats und begleitete den König auf seiner Reise nach Berlin und Wien, die den Anschluß Italiens an den Dreikaiserbund zur Folge hatte. Seit 1886 ist er Senator.

Viscount (engl., spr. weikaunt), s. Vikomte.

Viscum Tourn. (Mistel), Gattung aus der Familie der Loranthaceen, kleine, grüne Schmarotzersträucher mit dichotomen, gegliederten Ästen, einfachen, gegenständigen Blättern, diözischen oder monözischen Blüten in kleinen, wenigblütigen, end- und achselständigen Köpfchen (selten einzeln) und ein- bis dreisamiger Beerenfrucht. Etwa 30 Arten. V. album L. (Eichen-, Leimmistel, Kluster, heiliges Kreuzholz), mit 30-90 cm hohem Stengel, länglichen, stumpfen, lederartigen Blättern, zu 3-5 beisammenstehenden, diözischen, gelblichgrünen Blüten und weißen Beeren, schmarotzt auf ca. 30 europäischen Laub- und Nadelhölzern, wobei die eigentliche, parallel dem Ast verlaufende Längswurzel immer in der Rinde bleibt und ihre Senker ins Holz schickt. Die Mistel findet sich am häufigsten auf Apfel- und Birnbäumen, Pappeln, Weißtannen, sehr selten auf Eichen. Sie wird durch Vögel, besonders Drosseln, welche die Beeren fressen und die Samen im Kot auf andre Bäume absetzen, verbreitet. Die Mistel hat durch ihr abweichendes Vorkommen und Aussehen früh einen besondern Ruf und Kultus erlangt. Ihre gegabelten, im Winter goldgrün berindeten Zweige gaben das Vorbild der goldenen Zauberrute (virgula aurea s. divina), von welcher die Sage von der Wünschelrute (s. d.) abstammt. Die Chaldäer nannten ihre Göttin der Unterwelt Nin-gis-zida, d. h. die Dame des magischen Stabes, der die Pforten der Erde sprengt, ihre Schätze bloßlegt und den Menschen den Weg dahin öffnet. Daher muß Äneas (bei Vergil) sich das »goldene Reis« verschaffen, um in die Unterwelt einzudringen und es der Persephone zu überreichen. Mitten im Wald, hoch auf Bäumen, sucht er das »wie die Mistel im winterlichen Wald« schimmernde Reis mit den klirrenden Blättern. Natürlich bedarf Hermes-Merkur desselben Gabelzweigs, um sich die Pforten der Unterwelt zu öffnen, wenn er die Toten hinab geleitet, und mit Recht übersetzten daher altdeutsche Glossarien das Wort Caduceus mit Wunciligerta, d. h. Wünschelrute, wie ja beide gabelästig gedacht wurden. Genau so wie Homer und Vergil von jenem Zwieselstab sagen, daß er Reichtum verleiht, »Schlummer gibt und enthebt und vom Tod selbst die Augen entsiegelt«, hält Odin, der nordische Merkur und Erbe seines Wünschelhutes und Stabes, in seiner Hand den »Wunsch«, die Reif- oder Winterrute, mit der er Brunhilde und die gesamte Natur in den Todesschlaf versenkt, bis Siegfried (die Frühlingssonne) kommt, den Eispanzer zerschneidet und die Schlafende wach küßt. Diese in der Edda so oft erwähnte Winterrute ist offenbar identisch mit dem Mistilteinn der Edda, jenem Zweig, mit welchem der blinde Wintergott (Höder) den lichten Sonnen- und Sommergott (Balder) niederstreckt. Aber wie der Gabelstab des Merkur »Schlummer gibt und enthebt«, so ist der Gabelzweig der Mistel auch das Symbol der Wiederbelebung der erloschenen Sonnenkraft, die in ihm allein lebendig bleibt, daher die allheilende und belebende Kraft desselben gegen alle Übel. Am Tag von Balders Neugeburt, wenn die größte Sonnenschwäche vorüber ist, am Julfest oder zu Neujahr, sammelte man feierlich die Allheilende, um alle Räume während der Festzeit damit zu schmücken und zu weihen. Ähnliche Naturdeutungen und mythologische Beziehungen haben unzweifelhaft auch zu der außerordentlichen Verehrung Anlaß gegeben, in welcher die Mistel bei den keltischen Stämmen stand. Ihre Priester, die Druiden, berichtet Plinius, kennen nichts Heiligeres als die Mistel und den Baum, auf dem sie wächst, namentlich wenn es eine Wintereiche (Quercus robur) ist. Man findet die Mistel jedoch nur selten auf derselben; sobald man sie aber gefunden hat, wird sie mit großer Feierlichkeit eingeholt, vorzugsweise am sechsten Tag nach dem Neumond, mit welchem Tag die Kelten ihre Monate, Jahre und 30jährigen Perioden beginnen. Nachdem darauf unter dem Baum die gehörigen Opfer und Festmahlzeiten veranstaltet worden, besteigt ein weiß gekleideter Druide den Baum, schneidet mit einer goldenen Sichel die Mistel ab und wirft sie in den weißen Mantel. Nach Plinius war der Hauptsammeltag für die Mistel das Neujahrsfest, und in Frankreich hat sich noch hier und da die Sitte erhalten, daß Kinder am Silvester oder Neujahr mit einem Mistelbusch von Haus zu Haus laufen und mit dem Ruf: »Aguillanneuf« ! (entstanden aus: an gui l'an neuf!) Eßwaren und Geschenke verlangen. In Deutschland scheint der Ruf »Guthyl« und das Neujahrs-»Anklopfen« mit grünen Ruten dem zu entsprechen. In England hängt man an vielen Orten zu Weihnachten an die Stubendecken und über die Thüren Mistelbüsche, und alte Schriften, in denen das Mistelholz, weil es den nordischen Gottessohn tötete, dem ehemals gabelig dargestellten Kreuz Christi verglichen wird, machen wahrscheinlich, daß die Kirche, wie in so vielen Fällen, darin Duldung übte und das Mistelholz als »heiliges Kreuzholz« anerkannte. Schon Plinius erzählt uns, daß man die Mistel insbesondere gegen Fallsucht anwendete, und bis in die neuesten Zeiten hat sie für ein Spezifikum gegen Epilepsie gegolten, ist aber jetzt völlig außer Gebrauch. Zahllose Abhandlungen und Dissertationen haben sich mit der Frage beschäftigt, ob unter der Eichenmistel nicht vielmehr die Riemenblume (Loranthus europaeus) zu verstehen sei, da diese in Italien noch heute auf Eichen häufig vorkommt und Visco quercini im Volk heißt. Die Alten bezeichneten Mistel und Riemenblume mit demselben Namen (Ixia), unterschieden aber die immergrüne von der winterkahlen; als die Mistel der Druiden und Germanen kann nur die erstere gelten. Dagegen bezieht sich das klassische Sprichwort von der Misteldrossel (turdus ipse sibi malum cacat) auf die letztere, denn nur aus Loranthusbeeren bereitet man Vogelleim.

Visé (Wiset), Stadt in der belg. Provinz und Arrondissement Lüttich, rechts an der Maas und der Eisenbahn Lüttich-Maastricht, mit höherer Knabenschule, Runkelrübenzucker- und Strohhutfabrikation und (1888) 2893 Einw. V. war früher befestigt und das Hauptquartier Ludwigs XIV., als er 1673 Maastricht belagerte.

Visegrád (spr. wísche-), 1) Markt im ungar. Komitat Pest und Dampfschiffstation am rechten Donauufer, oberhalb Waitzen, mit (1881) 1331 meist deutschen Einwohnern, vielen Villen, einem Sanatorium und den