Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Vögel

245

Vögel (Lebensweise).

leiter münden einwärts von den Geschlechtsöffnungen in die Kloake ein. Das Harnsekret bildet eine weiße, breiartige, rasch erhärtende Masse. Eine eigentümliche, in die hintere Wand der Kloake mündende Drüse ist die sogen. Bursa Fabricii, über deren Bedeutung man noch nicht im reinen ist; sie scheint nur während der Jugendzeit zu fungieren. Die Geschlechtsorgane schließen sich eng an die der Reptilien an. Die beiden zur Fortpflanzungszeit mächtig anschwellenden Hoden liegen an der vordern Seite der Nieren. Die wenig entwickelten Nebenhoden führen in zwei gewundene Samenleiter, welche an der Außenseite der Harnleiter herabsteigen, in ihrer untern Partie häufig zu Samenblasen anschwellen und an der Hinterwand der Kloake auf zwei kegelförmigen Papillen ausmünden. Ein Begattungsorgan fehlt in der Regel vollständig. Nur bei einigen größern Raub- und Sumpfvögeln, bei Enten, Gänsen, Schwänen etc., namentlich aber bei den Straußen, ist ein penisartiger Körper mehr oder weniger ausgebildet. Von den Eierstöcken und Leitungsapparaten verkümmern die der rechten Seite oft vollständig, wogegen der traubenförmige Eierstock und der vielgewundene Eileiter der linken Seite zur Fortpflanzungszeit um so umfangreicher werden. Der obere Abschnitt des Eileiters sondert aus Drüsen das Eiweiß ab, welches den in Spiralbewegungen herabgleitenden Dotter schichtenweise umlagert. Der zweite kurze Abschnitt erzeugt die Schalenhaut und die oft mannigfach gefärbte Kalkschale (weiteres über Gestalt, Färbung und Zeichnung des Vogeleies, s. Ei, mit 2 Tafeln). An ihn schließt sich endlich ein enger, kurzer, zuweilen gewundener Ausführungsgang, die sogen. Scheide, an, welcher an der äußern Seite des entsprechenden Harnleiters in die Kloake einmündet. Alle V. legen Eier, welche bereits im Eileiter vor der Umhüllung mit Eiweiß durch den Samen befruchtet werden. Die Brunst und Paarung tritt im allgemeinen im Frühjahr ein. In den kalten und gemäßigten Gegenden brüten die V. gewöhnlich nur einmal im Jahr; bei vielen, namentlich den kleinern Singvögeln, folgt im Sommer noch eine zweite Brut, und in den heißen Klimaten wiederholen sich die Bruten in größerer Zahl. In hohem Grad wirkt die Zucht oft modifizierend (Hühner). Die Zahl und Größe der bei jeder Brut gelegten Eier richtet sich nicht etwa ausschließlich nach der Größe des Vogels (z. B. legen die Strauße mehr Eier [15-20] als die Kolibris [2-3], obwohl gewöhnlich die kleinen V. die meisten Eier liefern), sondern auch nach dem Zustand, in welchem die Jungen ausschlüpfen, denn hiernach schwankt die Menge des zur Nahrung des Embryos nötigen Eiweißes. In den meisten Fällen brüten die V. selbst die Eier aus, doch schaffen sie ihnen zuweilen auch die erforderliche hohe Temperatur durch Verscharren in Moderhaufen. Die Dauer der Embryonalentwickelung wechselt nach der Größe des Eies und nach der relativen Ausbildung der ausschlüpfenden Jungen. Die Eier der kleinsten V. werden etwa 11 Tage bebrütet, die des Haushuhns 3 und die des Straußes 7 Wochen. Der Embryo ist mit den beiden schon für die Reptilien charakteristischen und auch den Säugetieren zukommenden Häuten (Allantois und Amnion) ausgestattet. Der reife Vogel sprengt vielfach die Schale am stumpfen Ende mittels eines scharfen Zahns an der Spitze des Oberschnabels. Bei manchen Vögeln erscheinen die Jungen so weit entwickelt, daß sie als Nestflüchter (Autophagae) alsbald der Mutter folgen und selbständig Nahrung aufnehmen; bei andern, besonders bei denjenigen, welche vorzugsweise auf Bewegung und Aufenthalt in der Luft angewiesen sind, kriechen dagegen die Jungen nackt oder nur stellenweise mit Flaum bedeckt aus und werden als Nesthocker (Insessores) oder Atzvögel noch lange von den Alten gefüttert, bis sie, fast ausgewachsen, durch die Entwickelung der Schwingen zum Flug fähig werden.

[Lebensweise.] Die Lebensweise der V. ist, der im ganzen sehr gleichförmigen Organisation entsprechend, wenig verschieden. Die Modifikationen hängen aufs innigste mit der Entwickelung der Flugkraft zusammen, welche zu erstaunlichen Leistungen befähigt, obwohl sie im Vergleich mit andern Arten der Ortsbewegung natürlich den größten Kraftaufwand erfordert. Während V. von mittlerer Flugfertigkeit schon die Geschwindigkeit eines Eisenbahnschnellzugs übertreffen, erreichen andre, wie Falken und Segler, eine noch bei weitem größere Schnelligkeit. Solche Flieger sind dann oft fast ausschließlich Lufttiere und suchen nur zum Schlaf und zum Brutgeschäft festen Boden. Andre V. sind nicht minder ausgezeichnet durch die Ausdauer ihres Flugs. Man trifft den Fregattenvogel viele Meilen vom Festland in den Wolken schwebend, und manche Zugvögel sollen in 3-5 Tagen ununterbrochenen Flugs aus Deutschland nach dem Innern Afrikas gelangen. Die auf dem Land sich bewegenden V. hüpfen, klettern, schreiten oder laufen und erreichen auch hierbei zum Teil eine sehr große Geschwindigkeit (Strauß). Die Wasservögel schwimmen und tauchen vortrefflich, und manche vermögen wohl 6 Minuten unter Wasser zu bleiben; viele von ihnen sind sehr gute Flieger, können sich aber auf festem Boden schlecht bewegen. Die psychische Begabung der V. steht ungleich höher als die der Reptilien, und ihre intellektuelle Fähigkeit überragt sogar die vieler Säugetiere bedeutend. Die hohe Ausbildung der Sinne befähigt sie zu einem scharfen Unterscheidungsvermögen, mit welchem sich ein gutes Gedächtnis verbindet; beides verstehen sie bei ihren oft weiten Flügen auszunutzen. Bei einzelnen erlangt die Gelehrigkeit und die Fähigkeit der Nachahmung eine außerordentliche Höhe (Papageien, Raben). Nicht minder entwickelt erscheint die Gemütsseite der V., wie sich nicht nur aus dem allgemeinen Betragen und dem mannigfachen Ausdruck des Gesangs, sondern vornehmlich aus dem Verhalten der beiden Geschlechter zur Zeit der Fortpflanzung ergibt. Das Männchen unterscheidet sich dann am auffallendsten vom Weibchen, oft durch besondere vorübergehende Auszeichnungen, wie einen Halskragen, lange Seitenfedern etc. Seine Stimme tönt dann auch reiner und klangvoller, und namentlich die kleinen V. mit einfachem, unscheinbarem Federkleid zeichnen sich durch ihre wechselvollen Melodien aus. Wirkt der Gesang neben der Schönheit des Gefieders als Reizmittel auf das Weibchen, so gilt dies noch mehr von den Liebestänzen, welche ein Vorspiel der Begattung zu sein pflegen (Balze). Mit Ausnahme der Hühner, Fasanen u. a. leben die V. in Monogamie, und zuweilen sollen die Geschlechter zeitlebens verbunden bleiben, während in der Regel die Ehe nach der Fortpflanzungszeit sich löst. Die meisten V. bauen ein Nest, nur wenige legen ihre Eier einfach auf dem Erdboden ab; andre machen wenigstens eine Vertiefung in Sand, Moos oder Gras, welche auch mit Laub, Moos etc. ausgelegt wird. Besonders die kleinern V. errichten dagegen kunstvollere Bauten, manche brüten in natürlichen oder künstlichen Höhlungen, graben sich auch Nistlöcher in der Erde etc. Gewisse V. leimen fremde