Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Volkslos; Volkspartei; Volksrecht

268

Volkslos - Volksrecht.

Schwänke« derselbe (Stuttg. 1836); die Sammlung von Afzelius übertrug Ungewitter (Leipz. 1842, 3 Bde.). Litauische Volkslieder (»Dainos«) haben wir von Rhesa (1825, 2. Aufl. 1833), W. Jordan (Berl. 1844) und Chr. Bartsch (Heidelb. 1887), »Esthnische Volkslieder« von Neus (Reval 1851), lettische Volkslieder von Ulmann (Riga 1874), ungarische von Greguß (Leipz. 1846), Kertbeny (Darmst. 1851) und Aigner (Pest 1873), finnische von Schröter (»Finnische Runen«, Stuttg. 1834) und H. Paul (Helsingf. 1882). Eine Übersetzung der »Hamâsa«, einer Sammlung altarabischer Lieder, verdanken wir F. Rückert (Stuttg. 1846, 2 Bde.), der auch chinesische Lieder (»Schiking«, Altona 1834) ins Deutsche übertrug. In dem »Hausschatz der Volkspoesie« (4. Aufl., Leipz. 1853) hat D. L. B. Wolff Übersetzungen von Volksliedern verschiedener Länder und Zeiten zusammengestellt. Vgl. Talvj, Versuch einer geschichtlichen Charakteristik der Volkslieder germanischer Nationen, mit einer Übersicht der Lieder außereuropäischer Völkerschaften (Leipz. 1840).

Volkslos, s. Allodium.

Volkspartei, Name der demokratischen Partei in Süddeutschland, wie sie durch Kolb in Bayern, Mayer in Württemberg u. a. vertreten wurde. Sie zählte 1881 im deutschen Reichstag neun Mitglieder, verschwand aber bei den Neuwahlen 1887 gänzlich und ist auch in den Landtagen nur schwach vertreten.

Volksrecht ist das im Volk selbst entstandene und in dessen Bewußtsein lebende Recht. In diesem Sinn ist jedes positive Recht seinem Ursprung nach V. Denn bei allen Nationen findet in den frühern Zeiten der Kulturentwickelung eine unmittelbare Teilnahme des Volkes an der Bildung und Anwendung des Rechts statt. Diese Bildung erfolgt in der ersten Periode der Rechtsgeschichte fast ausschließlich im Weg des Gewohnheitsrechts, d. h., ähnlich wie die Bildung von Sprache und Sitte, durch die lebendige Übung, und das Dasein des Rechts ist hier nichts andres als die Überzeugung des Volkes von der Notwendigkeit dieser Übung. Mit dem Aufkommen geschriebenen Rechts tritt die Rechtsgeschichte in ihre zweite Periode: das Recht wird zum Gegenstand wissenschaftlicher Erkenntnis und berufsmäßiger Pflege von seiten des Juristenstandes. Aber es hört deshalb nicht notwendig auf, V., von der Überzeugung des Volkes getragenes Recht, zu sein. Im Anfang dieser Periode um so weniger, als die ältesten schriftlichen Rechtsdenkmäler nur in geringem Maß eigentliche Rechtssatzungen (durch den Willen des Staats geschaffene neue Rechtssätze), sondern zum weit überwiegenden Teil nur Fixierungen des geltenden Gewohnheitsrechts zu sein pflegen, mögen dieselben nun lediglich der Privatarbeit einzelner Rechtskundigen ihr Dasein verdanken oder von solchen im Auftrag der Staatsgewalt hergestellt und von letzterer verfassungsmäßig bestätigt worden sein. So ist es z. B. für die römische Zwölftafelgesetzgebung als das Wahrscheinlichere zu bezeichnen, daß die in ihr enthaltenen Sätze größtenteils Fixierungen alten Gewohnheitsrechts und nicht (wie die römische Überlieferung berichtet) aus dem Ausland hergeholte Rechtssätze sind. Deutlicher läßt sich die Entwickelung des Volksrechts bei den germanischen Stämmen verfolgen. Hier zeigt sich eine wesentliche Verschiedenheit zwischen den Nordgermanen (Schweden, Dänen, Norweger und Isländer) und den südgermanischen, später zur fränkischen Monarchie vereinigten Völkern. Bei den letztern, für welche die Zeit der Rechtsaufzeichnungen um 450 beginnt und ungefähr 850 endigt, lag der treibende Impuls zur Fixierung ihres Gewohnheitsrechts in ihrer Berührung mit der christlich-römischen Kultur nach Abschluß der Völkerwanderung. Dies zeigt sich sowohl in der Reihenfolge, in welcher die einzelnen hierher gehörigen Stammesrechte aufgezeichnet worden sind, als in dem Umstand, daß diese Aufzeichnung in lateinischer Sprache erfolgte. Die Rechte dieser Stämme nennen wir im engern Sinn die Volksrechte; in ihrer Gesamtheit heißen sie die Leges barbarorum im Gegensatz zu der Lex romana oder den Leges Romanorum, als dem Rechte der unter diesen germanischen Stämmen nach eignen Gesetzen fortlebenden Römer, und den für dieses veranstalteten besondern Rechtssammlungen, nämlich der für die Römer im westgotischen Reich bestimmten Lex romana Visigothorum, auch Breviarium Alaricianum genannt (s. Breviarium), vom Jahr 506 und der von Gundobad von Burgund ungefähr zu derselben Zeit erlassenen Lex romana Burgundionum (s. unten). Die einzelnen Stammesrechte selbst bezeichnen sich als Ewa (d. h. Recht überhaupt, insbesondere Gewohnheitsrecht), Lex, Pactum (Vereinbarung, nämlich der Volksgenossen), Edictum. Sie sind insgesamt, wie schon diese Bezeichnungen erkennen lassen, nicht bloße Privatarbeiten, sondern offizielle Rechtssammlungen, teils aus der Initiative des Volkes hervorgegangen, teils von demselben auf Vorschlag des Königs genehmigt. Von modernen Gesetzbüchern unterscheiden sie sich dadurch, daß sie nicht ein völlig neues Recht an Stelle des bisher geltenden setzen, sondern teils nur das bestehende Gewohnheitsrecht (und zwar nur, insoweit dies praktisch notwendig schien) fixieren wollen, teils, soweit sie wirkliche Satzungen enthalten, doch nur das bestehende Recht bestätigen. Ihr vorwiegender Gegenstand ist Straf- und Prozeßrecht, weniger enthalten sie bürgerliches Recht und Staatsrecht. Die Geltung dieser Stammesrechte beschränkt sich auf den betreffenden Stamm, doch bildete sich innerhalb der fränkischen Monarchie der Grundsatz aus, daß jeder Angehörige der zu derselben vereinigten Stämme auch außerhalb seiner Stammesheimat nach seinem Recht behandelt werde (sogen. Personalitätsprinzip). Innerhalb dieser Rechte lassen sich zeitlich und verwandtschaftlich gewisse Gruppen sondern. Die vermutlich ältesten Rechtsaufzeichnungen sind bei den Westgoten erfolgt, wo jedenfalls bereits König Eurich (466-484) in umfassenderer Weise als Gesetzgeber aufgetreten ist (über die spätern Sammlungen westgotischer Gesetze vgl. Goten, S. 539). Seine Rechtesammlung scheint nicht ohne Einfluß geblieben zu sein auf die älteste Redaktion der Lex Salica (s. Salisches Gesetz), ist aber zweifellos benutzt worden bei Abfassung der um 501 entstandenen Lex Burgundionum (s. Burgundische Gesetzbücher) und besonders bei der zwischen 744 und 748 für den damals zum fränkischen Reiche gehörenden bayrischen Stamm gegebenen Lex Bajuwariorum (Ausgabe von Merkel in den »Monumenta Germaniae«, Leges III). Die Lex Salica wiederum hat zum Vorbild gedient bei der Abfassung des Gesetzbuchs der ripuarischen Franken, deren älteste uns erhaltene Salbungen noch dem 6. Jahrh. angehören (Ausgabe der Lex Ripuaria von Sohm in den »Monumenta Germaniae«, Leges V), und gleichfalls unter fränkischem Einfluß stehen die alemannischen Gesetzbücher, nämlich der zwischen 600 und 650 entstandene Pactus Alemannorum sowie die umfassendere, wahrscheinlich 717-719 von Herzog Lantfrid erlassene Lex Alemannorum. Der gesetzgeberischen Thätigkeit Karls d. Gr., welcher