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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Wallenstein.

Anmerkung: Fortsetzung des Artikels 'Wallenstein'

schaft Priebus verkauft, und zur Deckung für noch nicht abgetragene Kriegskosten wurde ihm nach Absetzung der beiden Herzöge von Mecklenburg die Herrschaft über Mecklenburg (Januar 1628), 1629 auch die herzogliche Würde übertragen. Zugleich wurde er zum General des Baltischen und ozeanischen Meers ernannt, um den Krieg zur See zu führen und dem Haus Habsburg durch Vernichtung der Holländer auch die Herrschaft im Norden Europas zu verschaffen. Zu diesem Zweck unternahm W. 1628 die Eroberung Pommerns. Er entwickelte zwar als Admiral der Nord- und Ostsee eine außerordentliche Thätigkeit, mußte aber von Stralsund nach viermonatlicher Belagerung unter großen Verlusten abziehen.

Mit rücksichtsloser Anmaßung und gebieterischem Ton war W. stets den deutschen Reichsständen, auch den katholischen Fürsten, entgegengetreten und hatte, wo es die Erhaltung seines Heers galt, ihre Rechte sehr oft mit Füßen getreten. Das höhere Ziel, welches W. neben der Befriedigung seines Ehrgeizes und seiner Habsucht verfolgte, war nicht die Herrschaft des Katholizismus, sondern die Herstellung einer unbeschränkten kaiserlichen Militärherrschaft. Immer wieder wurden Klagen über W. am kaiserlichen Hof laut; sein heftigster Gegner war das Haupt der Liga, der Kurfürst von Bayern, der durch Wallensteins Militärmacht in den Hintergrund gedrängt wurde. Da nun der Kaiser nach dem Erlaß des Restitutionsedikts und der Landung Gustav Adolfs in Pommern die Hilfe der Liga nicht entbehren konnte, mußte er 1630 auf dem Kurfürstentag zu Regensburg die Entlassung Wallensteins zugestehen. Derselbe zog sich hierauf in seine Residenz Gitschin zurück, wo er in königlicher Pracht lebte, in so feindseliger Gesinnung gegen den Kaiser, daß er sogar 1631 mit Gustav Adolf über eine gemeinsame Aktion in übrigens erfolglose Unterhandlungen sich einließ. Gustav Adolfs siegreiches Vordringen überzeugte den Kaiser bald von der Notwendigkeit, den Herzog von Friedland wieder an die Spitze des Heers zu stellen. W. lehnte die Einladung, an den kaiserlichen Hof zu kommen, ab, und es war des Fürsten Eggenberg ganze Überredungskunst nötig, ihn zu vermögen, sich wenigstens der Bildung eines neuen Heers von 50,000 Mann zu unterziehen (Dezember 1631). Schon in den ersten Tagen des Aprils (1632) war dasselbe organisiert. Erst als sich Ferdinand im Vertrag von Znaim zu neuen Zugeständnissen herbeigelassen, daß künftig geistliche oder höfische Einflüsse ihm nicht in den Weg treten, das Pacifikationswerk im Reich durch Zurücknahme des Restitutionsedikts gefördert werden, bis zum Frieden W. oberster Generalissimus des Reichs, Österreichs und Spaniens sein und keinen unabhängigen Heerführer neben sich haben, im Fall des Verlustes von Mecklenburg ein andres Reichsfürstentum, einstweilen das schlesische Fürstentum Glogau pfandweise, erhalten, endlich in den eroberten Landen die höchsten kaiserlichen Prärogative, Konfiskation und Begnadigung, üben solle, übernahm W. den Oberbefehl dauernd. Nachdem er in kurzer Zeit die Sachsen aus Böhmen geworfen, wandte er sich nach Nürnberg, um Bayern von den bis nach München vorgedrungenen Schweden zu befreien. Einen Angriff, welchen Gustav Adolf auf sein Lager bei Fürth machte, schlug er 3. Sept. 1632 ab und zwang den König, seine dortige Stellung aufzugeben. Während Gustav Adolf Bayern aufs neue bedrohte, wendete sich W. nach Sachsen, wo er aber 16. Nov. von jenem bei Lützen (s. d.) geschlagen wurde. Mit rücksichtsloser Strenge ließ er in Böhmen, wohin er sich zurückzog, eine ↔ Anzahl hoher Offiziere, welchen er den Verlust der Schlacht beimaß, hinrichten oder ihrer Ehre und ihres Ranges entkleiden, um die Disziplin und das militärische Ehrgefühl wiederherzustellen. Im Frühjahr 1633 marschierte W. nach Schlesien, wo sächsische, brandenburgische und schwedische Truppen eingedrungen waren und sich fast aller festen Plätze bemächtigt hatten. Obschon denselben an Stärke überlegen, beschränkte sich W. auf unbedeutende Unternehmungen u. knüpfte bald Unterhandlungen über den Frieden im Reich mit den feindlichen Befehlshabern, namentlich mit seinem alten Untergebenen, dem sächsischen General Arnim, an, zu welchen er ermächtigt war, und welche er mit Vorwissen des Wiener Hofs führte. Diese Unterhandlungen blieben erfolglos, da der Kaiser zu wenig nachgiebig war. Auch mit Frankreich trat W. in geheime Verbindung, ging jedoch auf den Plan, ihn zum König von Böhmen zu erheben, nicht ein.

Im Herbst ergriff er plötzlich wieder die Offensive. Zuerst drängte er die Sachsen und dann die Brandenburger in ihr Land zurück, nahm hierauf 23. Okt. ein schwedisches Korps von 5000 Mann und 60 Geschützen bei Steinau a. O. gefangen und entsendete sogleich ein Korps nach Brandenburg, während er selbst mit der Hauptmacht in die Lausitz marschierte, wodurch er den Kurfürsten von Brandenburg zum Waffenstillstand nötigte und Görlitz und Bautzen einnahm. Da traf ihn der Befehl des Kaisers, sofort durch Böhmen in die Oberpfalz zu marschieren, um dem von den Schweden bedrängten Kurfürsten von Bayern zu Hilfe zu kommen. W. marschierte, wiewohl der Winter vor der Thür und er leidend war, bis Cham vor (November), kehrte aber, da ein Winterfeldzug an der Donau und die Wiedereroberung Regensburgs unthunlich sei, im Dezember nach Böhmen zurück, wo er die erschöpften Truppen Winterquartiere beziehen ließ. Diese Vorgänge wurden von der W. feindlichen Partei am Wiener Hof, an deren Spitze der König von Ungarn (Ferdinand III.), der spanische Gesandte Oñate und der Hofkriegsratspräsident Graf Schlik standen, benutzt, um W. der Unbotmäßigkeit, ja des Verrats anzuklagen. Auch dem Kaiser war der eigenwillige Feldherr längst unbequem, noch mehr die Pflicht, die er auf sich genommen, ihn für Mecklenburg zu entschädigen, was auf Reichskosten unmöglich war, da W. keine entscheidenden Siege erfochten und keine erheblichen Eroberungen gemacht hatte. Als W. darauf in seinem Hauptquartier zu Pilsen den Obersten seine Absicht kundgab, der Umtriebe seiner Feinde wegen abzudanken, drängten ihn dieselben, seine Abdankung aufzuschieben, und unterzeichneten bei einem Bankett (12. Jan. 1634) einen Revers, der sie zum Ausharren beim Generalissimus auch für den Fall, daß der Kaiser ihn entlasse, verpflichtete. Zugleich nahm W. die Friedensunterhandlungen mit Sachsen wieder auf und war entschlossen, auch gegen den Kaiser mit Sachsen im Bunde den Frieden im Reich herzustellen und sich das ersehnte Reichsfürstentum zu sichern. Inzwischen begann der Kaiser, der von Spanien und Bayern durch übertriebene, unwahre Berichte aufgestachelt wurde, die Armee W. abtrünnig zu machen. Gallas, Aldringer und Piccolomini wurden gewonnen, und 24. Jan. unterzeichnete der Kaiser ein Patent, durch welches der Herzog des Kommandos entsetzt und die Obersten, denen man (mit Ausnahme von Ilow und Terzka) Verzeihung versprach, angewiesen wurden, Gallas zu gehorchen. Einen Handstreich auf Pilsen, um W. gefangen zu nehmen, wagten Aldringer und Piccolomini jedoch nicht. Dennoch wuchs die kaiserliche

Anmerkung: Fortgesetzt auf Seite 365.