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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wärmestrahlung

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Wärmestrahlung.

punkt gesammelt; ein dahin gebrachtes Thermometer, dessen Kugel durch Überziehen mit Ruß zur Aufnahme der Wärmestrahlen fähig gemacht worden, steigt, und das Radiometer (s. d.) gerät in lebhafte Umdrehung, wenn man es in diesem Brennpunkt aufstellt. Eine Sammellinse (s. Linsen) entwirft von der heißen Kugel jenseits ein unsichtbares Wärmebild, dessen Dasein mittels des Radiometers ebenfalls leicht nachgewiesen werden kann. Man entwerfe im verdunkelten Zimmer mittels eines Prismas ein Sonnenspektrum (s. Farbenzerstreuung) und lasse ein Radiometer von den Strahlen desselben bescheinen. Man bemerkt, daß das Radiometer, indem man dasselbe vom violetten Ende des Spektrums nach dem roten Ende hin verschiebt, sich mit steigender Geschwindigkeit dreht und fortfährt sich zu drehen, wenn man es über das rote Ende hinausgebracht hat. Daraus geht hervor, daß die Wärmewirkung der verschiedenen Strahlenarten des Spektrums vom violetten Ende, wo sie unbedeutend ist, zunimmt gegen das rote Ende hin, daselbst aber nicht aufhört, sondern sich noch in das dunkle Gebiet jenseit des roten Endes erstreckt.

Das Sonnenlicht enthält also Strahlen, welche weniger brechbar sind als die roten Lichtstrahlen; sie sind für unser Auge unsichtbar, offenbaren sich aber durch ihre beträchtliche Wärmewirkung; man nennt sie, da sie im Spektrum jenseit des roten Endes liegen, ultrarote Strahlen. Da man nun anderseits weiß, daß auch jenseit des violetten Endes noch stärker brechbare, für gewöhnlich unsichtbare Strahlen vorhanden sind, welche sich durch ihre photographische Wirkung (s. Photographie) verraten und durch Fluoreszenz sichtbar gemacht werden können, so ergibt sich, daß das vollständige Sonnenspektrum aus folgenden drei Teilen besteht: dem unsichtbaren ultraroten Teil, dem zwischen den Fraunhoferschen Linien A und H gelegenen sichtbaren Teil und dem unsichtbaren ultravioletten Teil.

Die unsichtbaren Strahlen, welche ein warmer Körper, z. B. eine eiserne Kugel, aussendet, werden durch ein Prisma weniger stark gebrochen als die roten Strahlen und sind demnach von derselben Natur wie die ultraroten Strahlen der Sonne; mit steigender Erwärmung wächst nicht nur die Stärke der Ausstrahlung, sondern es kommen bald auch zu jenen dunkeln Strahlen immer höher brechbare, leuchtende Strahlen hinzu, der heiße Körper wird sichtbar, er glüht; bei 540° zeigt sich das Rot bis gegen B (dunkles Rotglühen), bei 700° (Hellrotglühen) erstreckt sich das Spektrum der ausgesandten Strahlen bis jenseit F und endlich beim Weißglühen (1200°) über H hinaus. Als feineres Mittel zum Nachweis und zur Erforschung der W. dient eine Thermosäule (s. Thermoelektrizität) in Verbindung mit einem Galvanometer (Mellonis Thermomultiplikator, Fig. 2). Derselbe besteht aus einer thermoelektrischen Säule p, deren berußte Endflächen zum Auffangen der Strahlen einerseits mit einer cylindrischen (a), anderseits mit einer kegelförmigen Ansatzröhre (b) versehen sind, und einem sehr empfindlichen Galvanometer (Multiplikator) M, mit welchem die Thermosäule durch die Klemmschrauben x, y und die Leitungsdrähte g, h in Verbindung steht. Die von der Lampe L ausgestrahlte Wärme gelangt durch das Loch des Metallschirms s zur einen Endfläche der Thermosäule und erregt einen thermoelektrischen Strom, der eine um so größere Ablenkung der Magnetnadel des Galvanometers hervorbringt, je kräftiger die Strahlung ist. Thermosäule, Lampe, Schirm und ein zum Tragen der zu untersuchenden Gegenstände (r) bestimmtes Tischchen sind längs einer Messingschiene d f beliebig verstellbar. Mittels des Thermomultiplikators kann man z. B. die Wärmewirkung der verschiedenen Gegenden des Sonnenspektrums messend verfolgen; man findet, daß dieselbe noch über das rote Ende hinaus wächst und erst im ultraroten Gebiet ihren größten Wert erreicht. Berücksichtigt man jedoch, daß durch die Wirkung des Prismas die stärker brechbaren Strahlen verhältnismäßig weiter auseinander gebrochen werden als die weniger brechbaren, und bringt den Vorteil, welcher den letztern hierdurch zuwächst, wieder in Abzug, so ergibt sich, daß die gelben und grüngelben Strahlen zwischen D und E, welche unserm Auge als die hellsten erscheinen, zugleich auch die wärmsten sind.

Aus allen diesen Thatsachen geht hervor, daß zwischen den dunkeln Wärmestrahlen und den Lichtstrahlen an sich kein andrer Unterschied besteht als der stufenweise Unterschied der Brechbarkeit; jene unterscheiden sich von den roten Strahlen nicht mehr als die roten von den gelben oder die gelben von den grünen. Die Unsichtbarkeit jener wie die Sichtbarkeit dieser ist nicht in dem Wesen der Strahlen, sondern in der Beschaffenheit unsers Auges begründet, welches zur Wahrnehmung der ultraroten Strahlen nicht befähigt ist. Diese sind uns unmittelbar nur durch den Gefühlssinn als Wärme wahrnehmbar, die hellen Strahlen dagegen wirken gleichzeitig auf zwei Sinne, auf die Gefühlsnerven als Wärme, auf das Auge als Licht. Jeder Lichtstrahl ist zugleich auch ein Wärmestrahl. Wir sind durch kein Mittel im stande, die Wärmewirkung, welche z. B. dem einfachen gelben Lichte der Natriumflamme innewohnt, von seiner Lichtwirkung zu trennen; es gibt eben keine Strahlen von dieser Brechbarkeit, welche nur Wärmewirkung und keine Lichtwirkung hervorzubringen vermöchten. Licht und strahlende Wärme sind daher als Wirkungen einer und derselben Ursache nicht an sich, sondern nur für uns, als Empfindungsformen, voneinander verschieben. Derselbe einheitliche

^[Abb.: Fig. 2. Mellonis Thermomultiplikator.]