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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Weber

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Weber (Physiker, Mediziner, Geschichtschreiber).

Weber. Naturforscher, Mediziner: 1) Ernst Heinrich, berühmter Physiolog und Anatom, geb. 24. Juni 1795 zu Wittenberg als Sohn des bekannten Theologen Michael W. daselbst, studierte in Wittenberg u. Leipzig, wurde 1818 daselbst Professor der vergleichenden und 1821 der menschlichen Anatomie, 1840 auch der Physiologie und starb daselbst 26. Jan. 1878. W. hat sich um die menschliche, die vergleichende und die mikroskopische Anatomie sowie die Entwickelungsgeschichte der Tiere und die Physiologie, besonders deren physikalische Seite (Mechanik des Gehens, Druck-, Temperatur- und Ortssinn in der Haut des Menschen etc.), große Verdienste erworben. Seine Hauptarbeiten sind: »Anatomia comparata nervi sympathici« (Leipz. 1817), »De aure et auditu hominis et animalium« (das. 1820), »Tractatus de motu iridis« (das. 1821), »Wellenlehre« (das. 1825), das Ergebnis gemeinschaftlicher Beobachtungen mit seinen Brüdern Wilhelm und Eduard, »Zusätze zur Lehre vom Bau und von der Verrichtung der Geschlechtsorgane« (das. 1846), »Die Lehre vom Tastsinn und Gemeingefühl« (Braunschw. 1851) und »Annotationes anatomicae et physiologicae« (Leipz. 1851). Rosenmüllers »Lehrbuch« und Hildebrands »Handbuch der Anatomie« erhielten durch seine Umarbeitungen einen höhern Wert. Vgl. Ludwig, E. H. W., Gedächtnisrede (Leipz. 1878).

2) Wilhelm Eduard, Physiker, geb. 24. Okt. 1804 zu Wittenberg, Bruder des vorigen, studierte in Halle Naturwissenschaft, habilitierte sich daselbst 1827, erhielt schon im nächsten Jahr eine außerordentliche Professur und ward 1831 Professor der Physik in Göttingen. Infolge seines Protestes gegen die Aufhebung der Verfassung 1837 seines Amtes entsetzt, lebte er als Privatmann in Göttingen und auf Reisen und folgte 1843 einem Ruf an die Universität Leipzig, kehrte aber 1849 in seine frühere Stellung nach Göttingen zurück. W. war noch Student, als er mit seinem Bruder Ernst Heinrich die klassischen Untersuchungen über »Die Wellenlehre« (Leipz. 1825) herausgab. Webers weitere Arbeiten betrafen zunächst Probleme der Akustik und damit zusammenhängend solche der Elastizität fester Körper; hervorragend unter denselben ist seine »Theorie der Zungenpfeifen«. In Göttingen unternahm er mit Gauß Untersuchungen über den Erdmagnetismus und gab mit demselben die »Resultate aus den Beobachtungen des Magnetischen Vereins von 1836 bis 1841« (Leipz. 1836-43, 6 Bde. mit 3 Atlanten) heraus. Dieselben enthalten eine große Zahl von Arbeiten Webers über Beobachtungsmethoden und neue Apparate, über Magnetismus, über Induktion durch den Erdmagnetismus und die unipolare Induktion. In den Beobachtungen für 1840 führte W. zum erstenmal das absolute elektromagnetische Strommaß ein und gab dessen Vergleichung mit dem gebräuchlichen chemischen Strommaß. Eine Frucht der gemeinsamen Arbeit von Gauß und W. war auch der erste schon 1833 ausgeführte und zur Korrespondenz zwischen der Sternwarte und dem physikalischen Laboratorium benutzte elektrische Telegraph. 1846 erschien dann die erste der großen Abhandlungen: »Elektrodynamische Maßbestimmungen«, in welcher er durch exakte Messungen das Fundamentalgesetz der Elektrodynamik prüfte, sein elektrisches Grundgesetz aufstellte und aus demselben die Gesetze der Induktion ableitete. In der zweiten Abhandlung mit dem Zusatz »insbesondere Widerstandsmessungen« führte er das System der absoluten Maße der Stromstärke, der elektromotorischen Kraft durch und gab Methoden zur Messung des Widerstandes in absolutem Maß. Diese Weberschen absoluten Strommaße hat der Pariser Elektrikerkongreß 1881 auch für die elektrotechnische Praxis adoptiert. In der dritten Abhandlung entwickelte W. die Theorie des Magnetismus und Diamagnetismus, in der vierten, gemeinschaftlich mit R. Kohlrausch gearbeiteten, wurde die Vergleichung der absoluten elektromagnetischen und mechanischen Strommaße durchgeführt. Die fünfte (Leipz. 1864) beschäftigte sich mit dem Problem der elektrischen Schwingungen. In den 1871 und 1877 erschienenen Abhandlungen beteiligte sich W. an der von Helmholtz hervorgerufenen Diskussion über das Webersche elektrische Grundgesetz, indem er die Einwürfe, welche Helmholtz gegen dasselbe, speziell gegen die Unvereinbarkeit desselben mit dem Prinzip von der Erhaltung der Energie, erhob, widerlegte. Andre Arbeiten Webers betreffen die »Anwendung der magnetischen Induktion auf Messung der Inklination mit dem Magnetometer« (Gött. 1853) und »Galvanometrie« (das. 1862). Im Verein mit seinem jüngern Bruder, Eduard Friedrich (s. W. 3), gab er die wichtigen Untersuchungen über die »Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge« heraus. 1887 wurde er zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt.

3) Eduard Friedrich, Physiolog, Bruder der vorigen, geb. 10. März 1806 zu Wittenberg, studierte in Leipzig und Halle, praktizierte dann in Halle als Assistenzarzt an der Klinik von Krukenberg, in Naumburg und Göttingen, wo er mit seinem Bruder Eduard die »Mechanik der menschlichen Gehwerkzeuge« (Göttingen 1836) bearbeitete, und folgte 1835 einem Ruf als Prosektor nach Leipzig, wo er 18. Mai 1871 starb. Durch seine Abhandlung »Muskelbewegung« in Wagners »Handwörterbuch der Physiologie« eröffnete er in diesem Teil der Wissenschaft neue Bahnen.

4) Karl Otto, Mediziner, geb. 29. Dez. 1827 zu Frankfurt a. M., studierte in Bonn, habilitierte sich 1853 als Privatdozent der Chirurgie, wurde 1857 zum außerordentlichen Professor ernannt, erhielt 1862 die außerordentliche Professur der pathologischen Anatomie, folgte 1865 einem Ruf als Professor der Chirurgie nach Heidelberg und starb 11. Juni 1867. Bahnbrechend auf dem Gebiet der chirurgischen Pathologie, schrieb er: »Die Knochengeschwülste in anatomischer und praktischer Beziehung« (Bonn 1856); »Chirurgische Erfahrungen und Untersuchungen« (Berl. 1859); auch mehrere Beiträge zu Pitha und Billroths »Handbuch der allgemeinen und speziellen Chirurgie«.

[Geschichtschreiber.] 5) Karl von, verdienter Forscher auf dem Gebiet der sächsischen Geschichte, geb. 1. Jan. 1806 zu Dresden, Sohn des Kirchenrechtslehrers Karl Gottlieb von W., studierte die Rechte, ward schon 1839 Appellationsgerichtsrat, wurde 1843 zum Ministerialrat und Geheimen Referendar beim Gesamtministerium und 1849 zum Direktor des Hauptstaatsarchivs in Dresden ernannt und widmete seine Muße Forschungen auf dem Gebiet der sächsischen Geschichte, als deren Resultate erschienen: »Maria Antonia Walpurgis, Kurfürstin von Sachsen« (Dresd. 1857, 2 Bde.); »Aus vier Jahrhunderten« (Leipz. 1857, 2 Bde.; neue Folge 1861, 2 Bde.); »Moritz, Graf von Sachsen, Marschall von Frankreich« (das. 1863); »Anna, Kurfürstin zu Sachsen« (das. 1865); seit 1861 gab er das »Archiv für sächsische Geschichte« heraus. Er starb 19. Juli 1879.

6) Georg, namhafter Geschichtschreiber, geb. 10. Febr. 1808 zu Bergzabern in der Pfalz, widmete sich dem Studium der Philologie und Geschichte, ward