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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wein

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Wein (Traubenernte, chemische Analyse der Trauben, Keltern etc.).

mehr, und in viel höherm Maß steigt der Gehalt an Zucker. Der Reifungsprozeß erreicht ein der Traubensorte und der Jahreswitterung entsprechendes Maximum (Edelreife), und wenn die Traube länger am Stock bleibt, so treten schnell diejenigen Umsetzungen und Veränderungen ein, welche der Winzer mit Edelfäule bezeichnet. Die Trauben werden gelb, dann braun und trocknen bei gutem Wetter zu Rosinen ein; bei feuchtem aber entwickelt sich der bekannte Traubenschimmel, welcher den Zucker schnell zerstört. Bei dem Schrumpfen verliert die Beere erheblich an Gewicht, aber nicht allein durch Verdunsten des Wassers, sondern es vermindert sich auch ganz erheblich der Gehalt an den wichtigsten Bestandteilen. Den richtigen Zeitpunkt der Lese zu treffen, ist also von größter Wichtigkeit, zumal die Güte des Weins in erster Linie von der möglichst vollkommenen Reife der Beere abhängt. Für einen ganz besonders guten W. sucht man deshalb auch das Material durch Auslesen (Ausbruch) der schönsten, reifsten Trauben und Beeren zu gewinnen. Häufig knickt man auch die Trauben am Stengel und läßt sie noch einige Zeit hängen oder setzt die abgenommenen Trauben, auf Stroh ausgebreitet, der Sonne aus und erhält dann aus dem wasserärmern Saft (ein Nachreifen der Trauben findet nicht statt) den Sekt (vino secco) oder Strohwein.

Ist das Wetter bei der Ernte regnerisch, so saugt die Beere begierig Wasser ein, und das Produkt wird geringer. Die Weinbeeren enthalten 12-30 Proz. Zucker (ein Gemenge von Traubenzucker und Fruchtzucker), außerdem Weinsäure (meist an Kali gebunden als Weinstein), Pektinkörper, eiweißartige Körper und mineralische Stoffe. Das Verhältnis zwischen Säure und Zucker gestaltet sich in guten Jahren und bei guten Sorten wie 1:29, in mittlern Jahren und bei leichten Sorten wie 1:16; doch sinkt das Verhältnis selbst auf 1:10. Die Beeren enthalten auch mehrere eigentümliche Stoffe (Extraktivstoffe), über deren Natur man nichts Näheres weiß, die indes auf die Beschaffenheit des Weins den größten Einfluß ausüben. Den Gehalt des Mostes an Zucker ermittelt man mit der Mostwage (Öchsle, Kinzelbach, Babo), deren Angabe indes, wie die aller Aräometer, durch sämtliche im Most gelöste Bestandteile beeinflußt wird. Zur wissenschaftlichen Untersuchung des Mostes benutzt man daher das Polarisationsinstrument, welches nur den Zuckergehalt angibt. Die quantitative Zusammensetzung des Traubensafts zeigt folgende Tabelle, welche auch die Schwankungen in den Jahrgängen erkennen läßt:

Neroberger Riesling Steinberger Auslese Hattenheimer 1868 [Hattenheimer] 1869

Grade der Mostwage 95 115 117 90

Zucker 18,06 24,24 23,56 16,67

Freie Säure 0,4 0,4 0,46 0,79

Eiweißartige Körper 0,22 0,18 0,19 0,33

Mineralbestandteile 0,47 0,4 0,44 0,24

Gebundene organ. Säuren und Extraktivstoffe 4,11 3,92 5,43 5,17

Summe der gelösten Bestandteile: 23,28 29,22 30,08 23,20

Wasser 76,72 70,78 69,92 76,80

: 100,00 100,00 100,00 100,00

Die Traubenschalen enthalten Gerbstoff und bei den blauen Trauben den Farbstoff welcher sich nur höchst selten, z. B. bei dem sogen. Färber, auch im Saft findet. Bei vorsichtiger Gewinnung des letztern erhält man aus blauen Trauben einen fast weißen W., und zur Darstellung von Rotwein muß man den Saft mit den Schalen gären lassen, um durch die Säure des Mostes und den gebildeten Alkohol den Farbstoff allmählich in Lösung zu bringen. Die Kerne sind sehr reich an Gerbstoff und enthalten auch fettes Öl, die Stiele (Grappen, Kämme) neben Gerbsäure viel freie Säure.

Bereitung des Weins.

Die geernteten Trauben werden noch vielfach in größern Kufen mit den nackten oder mit hölzernen oder ledernen Stiefeln bekleideten Füßen oder mit einer hölzernen Stampfe zerquetscht; vorteilhafter ist die Anwendung der Traubenmühle, auf welcher die Beeren zwischen hölzernen oder eisernen, fein kannelierten Walzen zerquetscht werden, ohne daß durch Verletzung der Stiele und Kerne Gerbstoff in den Saft kommt. Um reinern, edlern W. zu erzielen, beert man auch die Trauben ab und zerdrückt die von den Stielen getrennten Beeren auf sogen. Raspeln. Dies Verfahren (Rebeln) kommt aber mit der Vervollkommnung der Geräte zur Mostgewinnung immer mehr ab. Zur Trennung des Safts (Most) von den Trebern (Schalen, Stielen und Samen) benutzt man die Keltern, zum Teil sehr primitive Baumpressen, Hebelkeltern oder Schraubenpressen, zum Teil auch verbesserte Vorrichtungen, hydraulische Pressen und Zentrifugalmaschinen, welch letztere mindestens ebensoviel Most liefern wie die Pressen, aber schneller arbeiten und eine Mehrausbeute von freiwillig (ohne Druck) abfließendem Saft ergeben. Auch soll der auf Zentrifugen gewonnene Most sich bei der Gärung besser verhalten als der gepreßte. Aus 100 Teilen Trauben erhält man 60-80 Teile Most, aus geschrumpften Beeren natürlich weniger, und in jedem Fall, besonders in letzterm, bleibt ein erheblicher Anteil wertvollster Bestandteile in den Beeren zurück, welchen man wohl durch Anrühren mit Wasser und abermaliges Pressen zu gewinnen sucht. Der aus dieser Flüssigkeit erhaltene W. heißt Lauer oder Treberwein. Sehr vorteilhaft rührt man die Treber von Auslesetrauben mit saurem Most an, läßt die Mischung eine kurze Zeit stehen und preßt sie dann aus. Aber auch abgesehen von der unvollkommenen Saftabscheidung bleibt in den Trebern ein Teil derjenigen Substanzen zurück, welche zur Boukettbildung beitragen. Läßt man die Maische (die zerquetschten Beeren) über Nacht oder länger stehen, so nimmt der W. an Wohlgeruch und Stärke zu. Im Rauenthal keltert man die zerdrückten Auslesetrauben erst nach 18-20 Tagen und gewinnt W. mit köstlichem Boukett. Die dabei aus den Trebern ausgezogene Gerbsäure wird durch Eiweißkörper des Traubensafts wieder abgeschieden. Der freiwillig aus vorsichtig zerquetschten Trauben abfließende Most gibt den edelsten W. (Essenz), auch mäßiger Druck liefert nur Saft (Preßmost) aus vollkommen reifen Beeren; wie aber der Druck steigt, wird der Saft saurer (Trestermost), indem nun auch unreife Beeren und zuletzt selbst die Kämme zerquetscht werden.

Der gewonnene Saft (bei Rotwein die Maische) wird in Fässern oder Gärkufen der Gärung überlassen. Diese tritt ohne Zusatz von Hefe sehr schnell ein, da die Keime der gärungerregenden Pilze genügend in der Luft verbreitet sind und in dem Most eine zu ihrer Entwickelung sehr geeignete Flüssigkeit finden. Unter dem Einfluß der Hefe zerfällt der Zucker des Mostes in Alkohol und Kohlensäure, auch bilden sich neben geringen Mengen Glycerin und Bernsteinsäure jene Stoffe, welche dem W. den allen Sorten zukommenden Weingeruch und das für bestimmte Sorten charakteristische Weinboukett verleihen. Sehr vorteilhaft hat sich die Begünstigung des Luftzu-^[folgende Seite]