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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wein

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Wein (Bereitung, Naturwein).

tritts zum Most erwiesen. Man bläst deshalb Luft durch denselben, bearbeitet ihn mit breiten Rührschaufeln (Schaufelwein) oder mit der Mostpeitschmaschine. Diese besteht aus einem vertikalen, sehr schnell um seine Achse sich drehenden Rohr, welches am untern, in den Most eintauchenden Ende mit einem hohlen, horizontalen Doppelarm versehen ist. Bei der Rotation des Rohrs wird Luft eingesogen, die an den Endstücken der Rohre austritt und den Most in lebhafteste Bewegung setzt. Man erreicht durch das Lüften eine größere Haltbarkeit des Weins, namentlich wenn der beim Durchpeitschen sich bildende starke Schaum entfernt wird. Von bedeutendem Einfluß auf die Beschaffenheit des Weins ist die Gärungstemperatur. Zwischen 5 und 15° erfolgt die Gärung sehr langsam, und wenn diese Temperatur nie überschritten wird, so erhält man einen sehr angenehm schmeckenden, boukettreichen, haltbaren W. Zwischen 15 und 25° jedoch tritt stürmische Gärung ein, der W. wird feurig (alkoholreich), aber minder boukettreich und weniger haltbar. In den Rheingegenden schwankt die Gärungstemperatur zwischen 7,5 und 15°, die Gärung ist also Untergärung; in Österreich und Frankreich dagegen entsteht schon viel W. durch Obergärung, und in Südeuropa tritt der Charakter der obergärigen Weine noch viel deutlicher hervor. Bei der Rotweingärung werden die Treber durch die Kohlensäure zum Teil aus dem Most herausgehoben und bilden den sogen. Hut, welcher die Essigsäurebildung begünstigt, und dessen Entstehung man daher durch Siebböden, Körbe etc. zu verhindern sucht. Je gleichmäßiger die Treber in dem Most verteilt sind, um so gleichmäßiger verläuft auch die Gärung. Während derselben wird sehr viel Gerbsäure aus den Kämmen, Schalen und Kernen ausgezogen, und man beert deshalb die Trauben vorteilhaft ab und läßt die Maische nur so lange gären, als zum Übergang einer genügenden Menge Farbstoff in den W. erforderlich ist. Dann wird gekeltert, wobei man wohl den freiwillig abfließenden W. von dem ausgepreßten saurern sondert. Der zur Weißweinbereitung bestimmte Most wird sofort oder nach dem Lüften in Fässer oder in Zisternen aus Zement, Stein- oder Glasplatten gefüllt und vergärt vorteilhafter unter Abschluß der Luft in Fässern, die mit einem sogen. Gärspund verschlossen sind. Letzterer besteht aus einem im Spundloch sitzenden Rohr, welches durch den Boden eines flachen Gefäßes geht und mit einem Glas überdeckt ist. Der Rand dieses Glases taucht in das in dem flachen Gefäß enthaltene Wasser, und so kann zwar die Kohlensäure aus dem Faß entweichen, die äußere Luft aber nicht zu dem Inhalt des Fasses gelangen. Die Hauptgärung, bei welcher der größte Teil des Zuckers unter stürmischer Entwickelung von Kohlensäure zersetzt wird, verläuft in warmen Gegenden in 3-8, in Deutschland meist in 8-14 Tagen, in sehr kalten Kellern in 4-6 Wochen. Wird dann die Kohlensäureentwickelung unbemerkbar, senkt sich die Hefe zu Boden, und wird der W. klar, so zieht man ihn vorsichtig auf Fässer mit Gärspund ab und überläßt ihn der stillen oder Nachgärung, welche in 3-6 Monaten den Jungwein liefert. In dieser Zeit verbraucht die Hefe den Rest der noch im W. enthaltenen eiweißartigen Stoffe, die Zersetzung des Zuckers, also die Alkoholbildung schreitet weiter fort, infolge derselben scheidet sich viel saures weinsaures Kali (Weinstein) ab, vor allem aber beginnt auch die Entwickelung der Blume oder des Bouketts. Den in voller Gärung begriffenen Most trinkt man als Brausewein, Federweißer oder Sauser, und viele kleine Weine werden als Jungwein konsumiert. Seine vorzüglichsten Eigenschaften, vornehmlich die Vollendung der Blume und die Haltbarkeit, erlangt der W. aber erst beim Reifen. Man zieht ihn vorsichtig von dem Faßgeläger (Lager, Drusen, Trub) in sehr sorgfältig gereinigte Fässer ab und hält diese durch Nachgießen von W. durch den lose verschlossenen Spund beständig gefüllt. Der W. schwindet nämlich beträchtlich, indem durch die Wände des Fasses hauptsächlich Wasser verdunstet. Dabei wird der W. alkoholreicher, und es scheidet sich Weinstein und infolge der Einwirkung in das Faß eintretenden Sauerstoffs unlöslich werdende eiweißartige Stoffe, auch etwa noch vorhandene Hefe ab, und die Bildung des Bouketts dauert fort. Die im jungen W. vorhandene Kohlensäure scheidet sich im Frühjahr unter dem Einfluß der steigenden Temperatur in Bläschen ab und bewirkt jene Erscheinung, welche man in der Regel dem Eintreten einer neuen Gärung zuschrieb und mit dem Erwachen der Vegetation oder der Traubenblüte in Verbindung brachte. Je nach den klimatischen Verhältnissen und dem Gebrauch zieht man den W. im Februar oder März, oft auch schon im Dezember auf die Lagerfässer, in welchen noch weitere Abscheidung von Weinstein und Hefe, aber auch eine bedeutende Veredelung des Weins stattfindet. Das Abziehen des Weins von dem am Boden des Fasses abgelagerten Niederschlag wird so oft wiederholt, bis er auch bei längerm Liegen klar bleibt, flaschenreif geworden ist; dann werden die minder feinen Weine auf kleinere Fässer, die bessern auf Flaschen gefüllt, die man gut verkorkt in horizontaler Lage aufbewahrt. Edle Weine reifen in den Flaschen noch nach, entwickeln ihr Boukett weiter und verbessern sich von Jahr zu Jahr, während die alkoholarmen, wenig gehaltreichen Weine keine lange Lagerung vertragen. Im allgemeinen sind Rotweine weniger für langes Lagern geeignet als Weißweine.

Sehr häufig werden die Fässer, auf welche man den W. abzieht, geschwefelt, um dem Krankwerden des Weins vorzubeugen. Die schweflige Säure tötet allerdings Organismen, welche Krankheiten des Weins hervorrufen, aber sie tötet auch vorzeitig die noch vorhandene Hefe und wirkt in andrer Weise ungünstig auf den W., so daß es viel geratener erscheint, nicht zu schwefeln und Krankheiten des Weins durch rationelle Behandlung, namentlich durch größte Reinlichkeit, zu verhüten. Erlangt der W. beim Lagern nicht hinreichende Klarheit, bleibt er vielmehr durch fein verteilte organische Substanzen, durch Reste von abgestorbener Hefe etc. trübe, so wird er geschönt, indem man z. B. Lösungen von Gelatine, Hausenblase, Eiweiß, Milch etc. zusetzt. Es entsteht unter Mitwirkung der Gerbsäure des Weins ein Niederschlag, und dieser reißt die trübenden Teile mit zu Boden. Bisweilen wird aber die Trübung durch einen Überschuß an eiweißartigen Stoffen im W. bedingt, und dann schönt man mit Gerbsäure (Abkochung von Thee, Traubenkernen oder Tanninlösung), welche die Eiweißkörper fällt. Viele Schönungsmittel wirken lediglich mechanisch, wie Thon, Kaolin, die graue spanische Erde (Yeso gris), Papierbrei oder Filtrieren durch Schwämme oder eigentümlich zubereitete Papiermasse.

Methoden der Weinverbesserung.

Ein in guten Weinjahren aus vollkommen reifen edlen Trauben gewonnener Most liefert bei rationeller Behandlung ohne alle weitern Zuthaten, selbst ohne Schönen einen vorzüglichen Naturwein. In minder günstigen Jahren und aus geringern Trau-^[folgende Seite]