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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Weinsberg; Weinsprit; Weinstein

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Weinsberg - Weinstein.

äußerlich gegen riechende Fußschweiß, auch in der Konditorei, Färberei und Zeugdruckerei, als Beize beim Türkischrotfärben und beim Rotdruck, zum Verschneiden des Weins, in der Photographie etc. Mit Basen liefert W. zwei Reihen Salze (Tartrate), welche sich zum Teil in Pflanzen finden, direkt aus Säure und den Basen oder deren Kohlensäuresalzen oder, soweit sie unlöslich sind, aus einem löslichen Weinsäuresalz durch Zusatz eines löslichen Salzes der betreffenden Base erhalten werden und sich durch große Neigung, Doppelsalze zu bilden, auszeichnen. Sie sind zum großen Teil kristallisierbar; diejenigen der Alkalimetalle sind in Wasser löslich, die neutralen Salze der übrigen Metalle sind meist schwer oder nicht löslich, lösen sich aber auf Zusatz von Wein-, Salz- oder Salpetersäure, meist auch in überschüssiger Kali-, Natronlauge und in Ammoniak. Am wichtigsten ist das saure weinsaure Kali C4H5O6K ^[C_{4}H_{5}O_{6}K], welches als Weinstein (s. d.) im Handel ist. Neutralisiert man Weinstein mit doppeltkohlensaurem Kali, so erhält man neutrales weinsaures Kali (Tartarus tartarisatus) C4H4O6K2 ^[C_{4}H_{4}O_{6}K_{2}]. Dies bildet farblose Kristalle, schmeckt salzig bitterlich, ist hygroskopisch, leicht löslich in Wasser, nicht in Alkohol, dient als Abführmittel und zum Entsäuern des Weins, mit dessen W. es Weinstein bildet, der sich alsbald abscheidet. Das sehr ähnliche weinsaure Kaliammoniak (Tartarus ammoniatus) C4H4O6NH4K ^[C_{4}H_{4}O_{6}NH_{4}K] erhält man durch Neutralisieren des Weinsteins mit Ammoniak. Neutralisiert man mit kohlensaurem Natron, so entsteht weinsaures Kalinatron (Rochellesalz, Seignettesalz, Tartarus natronatus, Natro-Kali tartaricum, Sal polychrestum Seignetti) C4H4O6KNa + 4 H2O ^[C_{4}H_{4}O_{6}KNa + 4 H_{2}O]. Dies bildet große, farblose Kristalle, schmeckt mild salzig, bitterlich kühlend, löst sich leicht in Wasser, kaum in Alkohol, verwittert langsam in warmer Luft, schmilzt bei 38°, dient als mildes, kühlendes Abführmittel. Beim Verdampfen einer Lösung von 2 Teilen Borax und 5 Teilen Weinstein erhält man den Boraxweinstein (Tartarus boraxatus s. solubilis) C4H4O6KBO ^[C_{4}H_{4}O_{6}KBO] als amorphe, weiße, hygroskopische, in Wasser leicht, in Alkohol wenig lösliche, stark saure Masse, welche beim Erhitzen schmilzt und als harntreibendes und Abführmittel, auch bei Hautkrankheiten benutzt wird. Weinsaures Natron C4H4O6Na2 ^[C_{4}H_{4}O_{6}Na_{2}] bildet luftbeständige, leicht lösliche Kristalle mit 2 Molekülen Kristallwasser und wird erst bei 200° wasserfrei. Das saure Salz C4H5O6Na ^[C_{4}H_{5}O_{6}Na] kristallisiert mit 1 Molekül Kristallwasser, ist viel löslicher als das Kalisalz und wird über 100° wasserfrei. Weinsaurer Kalk C4H4O6Ca ^[C_{4}H_{4}O_{6}Ca] findet sich in vielen Pflanzensäften und im rohen Weinstein, wird aus Chlorcalciumlösung durch W. gefällt, ist farb- und geschmacklos, kaum löslich in Wasser, leicht in Säuren, Salmiak und kalter Kalilauge. Das saure Salz findet sich ebenfalls in Pflanzensäften und bildet schwer lösliche Kristalle. Weinsaures Eisenoxydul wird aus Eisenvitriollösung durch W. gefällt, ist farblos, schwer löslich, oxydiert sich beim Erwärmen an der Luft. Weinsaures Eisenoxyd entsteht beim Lösen von Eisenoxydhydrat in W., ist schmutzig gelb, amorph; die Lösung gibt beim Erhitzen unter teilweiser Reduktion unlösliches basisches Salz. Eisenoxydhydrat, mit Weinstein digeriert, gibt weinsaures Eisenoxydkali in glänzenden, schwarzbraunen Schuppen. Dieses Doppelsalz findet sich im Eisenweinstein (Tartarus ferratus), den man als schmutzig grünes Pulver beim Digerieren von Eisenfeilspänen mit Weinstein erhält. Er löst sich großenteils in Wasser, schmeckt säuerlich eisenartig und dient zu Bädern. Weinsaures Antimonoxydkali, s. Brechweinstein.

Weinsberg, Oberamtsstadt im württemb. Neckarkreis, an der Sulm und an der Linie Heilbronn-Krailsheim der Württembergischen Staatsbahn, 203 m ü. M. hat eine alte romanische evang. Kirche, eine Weinbauschule, ein Amtsgericht, eine Weingärtnergesellschaft, vorzüglichen Wein- u. Obstbau und (1885) 2424 meist evang. Einwohner. Dabei der Schloßberg mit den Ruinen des Schlosses Weibertreu, so genannt zum Andenken an die durch Bürgers Ballade verherrlichte Sage (s. unten), und am Fuß desselben das ehemalige Wohnhaus des Dichters Justinus Kerner, dem in der Nähe ein Denkmal errichtet ist. Ebenfalls besitzt W. ein Denkmal des Reformators Ökolampadius. Bei W. schlug 21. Dez. 1140 König Konrad III. den Grafen Welf VI., den Bruder Heinrichs des Stolzen von Bayern, welcher zum Entsatz der schon seit 15. Nov. belagerten Stadt herbeieilte. Bald darauf mußte sich die Stadt ergeben. Der König soll, so erzählen Zeitgenossen, den Frauen von W. das Leben geschenkt und ihnen erlaubt haben, mitzunehmen, was sie tragen könnten. Als jene dann ihre Männer auf den Schultern herausgetragen hätten, habe ihnen der König nicht gewehrt, sondern gesagt: »Ein Königswort darf nicht verdreht werden«. Ein altes Bild in der Stadtkirche stellt die Begebenheit dar. 1824 kaufte der König Wilhelm die Ruinen der Weibertreu und schenkte sie dem 1823 auf Antrieb des Dichters Justinus Kerner gestifteten Frauenverein. - Nachdem die Stadt 1140 in den Besitz der Hohenstaufen gekommen, wurde sie Reichsstadt und 1331 Mitglied des Schwäbischen Städtebundes, wurde jedoch oft verpfändet. Während der Kämpfe zwischen den schwäbischen Städten und dem Adel wurde die Stadt 1440 eingenommen, ging durch Kauf an die Kurpfalz über und verlor so ihre Reichsfreiheit. Im Bauernkrieg wurden hier 1525 der Graf von Helfenstein und viele andre Edle durch die Spieße der Bauern gejagt. Zur Strafe wurde dann 21. Mai die Stadt von dem Truchseß von Waldburg eingeäschert. Vgl. Bernheim, Die Sage von den treuen Weibern zu W. (in »Forschungen zur deutschen Geschichte«, Bd. 15, Gött. 1875); Merk, Geschichte der Stadt W. und ihrer Burg Weibertreu (Heilbr. 1880).

Weinsprit, s. Franzbranntwein.

Weinstein (Tartarus), saures weinsaures Kali C4H5O6K ^[C_{4}H_{5}O_{6}K], findet sich in vielen säuerlichen Früchten und Pflanzensäften, besonders im Traubensaft, aus welchem er sich bei der Gärung und namentlich beim Lagern des Weins in Krusten an der Wandung der Fässer ausscheidet. Dieser rohe W. ist grau oder rot, je nachdem er sich aus weißem oder rotem Wein ausgeschieden hat, enthält stets auch weinsauren Kalk, Farbstoff, Hefe etc. und wird durch Auflösen, Klären der Lösung und Kristallisieren gereinigt (Tartarus depuratus, Crystalli tartari, Cremor tartari). Um ihn ganz kalkfrei zu erhalten, muß man die heiß bereitete Lösung mit Salzsäure mischen und unter Umrühren erkalten lassen. Auch kann man das gepulverte Salz mit dem gleichen Gewicht Wasser und 10 Proz. Salzsäure digerieren, auswaschen und trocknen. Aus Weinhefe wird W. gewonnen, indem man den Alkohol abdestilliert, die Schlempe zum Kochen erhitzt, durch Leinwand gießt und kristallisieren läßt. Das reine Salz bildet farblose, kleine Kristalle, schmeckt säuerlich, löst sich in 15 Teilen kochendem und 180 Teilen kaltem Wasser, nicht in Alkohol. Die Lösung reagiert sauer und schimmelt leicht, wobei sich der W. in kohlensaures Kali verwandelt. Beim Er-^[folgende Seite]