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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wien

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Wien (Wasserleitung, Friedhöfe etc., Universität).

quisitenspital im Landesgericht, die sechs Kinderspitäler (darunter das zu St. Anna, zu St. Joseph sowie das Kronprinz Rudolf-Kinderspital), die israelitischen Krankenhäuser im Alsergrund und am Währinger Gürtel, das Maria Theresia-Frauenhospital, das Sophienspital, das Rudolfinerhaus u. a. Außerdem gibt es zahlreiche Privatheilanstalten, darunter eine für Augenkranke, eine für Hautkranke, 2 für Gemütskranke, eine orthopädische Heilanstalt, ferner eine Landesgebär- und Findelanstalt, zugleich Impf- und Ammeninstitut, 8 Krankenordinationsinstitute, darunter die allgemeine Poliklinik, u. a. Die berühmteste Sanitätsanstalt ist aber neben dem allgemeinen Krankenhaus die in der Lazarettstraße gelegene Landesirrenanstalt, welche mit den ausgedehnten Gartenanlagen einen Raum von 22 Hektar bedeckt und 700 Kranke aufnimmt (mit Filiale in Kierling). Die Zahl der Badeanstalten beträgt 43. Seit der Donauregulierung besteht eine große städtische Badeanstalt nächst der Rudolfsbrücke, 1876 eröffnet, mit großem Schwimmbassin (3300 qm), vier kleinern Bassins, Separatbädern, Restaurant mit Terrasse etc., dann eine 1875 eröffnete k. k. Militärschwimmanstalt. Schwimmbäder sind ferner namentlich das Sophien- und Dianabad. Trefflich eingerichtet sind die Dampf-, Luft- und Vollbäder im römischen, Sophien-, Diana-, Margarethen-, Esterházy-, Josephsbad etc. Seit 1887 besteht auch ein städtisches Volksbad im 7. Bezirk.

Ein Werk von größter Bedeutung für die Wiener Bevölkerung ist die Hochquellenwasserleitung. Die unzureichende Wasserversorgung Wiens veranlaßte seit 1860 Studien zur Beschaffung von Wasser durch Hochquellen aus dem Bereich des Sand- und Kalksteingebiets. Man entschied sich für Einleitung der Quellen des Kaiserbrunnens im Höllenthal und von Stixenstein bei Buchberg, beide im Gebiet des Schneebergs. Das Wasser hat an der Quelle eine Temperatur von 5-6° C., in W. eine solche von 7-8° und ist außerordentlich rein, geschmack- und farblos. Der Bau der Wasserleitung wurde 1870 begonnen und 1874 vollendet; die Herstellungskosten betragen mit Einschluß der Auflagen für die Reservoirs und Röhrenleitungen gegen 24 Mill. Guld. An beiden Quellen sind Wasserschlösser abgelegt, von wo aus das Wasser in einem gemauerten Kanal durch zahlreiche lange Stollen und mehrere große Aquädukte (darunter zwei je 665 m lang) in einer Länge von 98,8 km in die vier großen Reservoirs bei W. (am Rosenhügel, auf der Schmelz, am Wiener Berg und am Laaer Berg) geführt wird. Von hier aus verzweigt sich das Röhrennetz (5-95 cm breite Röhren) in einer Länge von 285,000 m durch die ganze Stadt. Der tägliche Wasserverbrauch beträgt im Sommer 67,200, im Winter 47,600 cbm. In neuester Zeit wurde diese Anlage für den gesteigerten Bedarf nicht für genügend erachtet und ward daher zunächst ein Schöpfwerk bei Pottschach, gleichfalls im Gebiet des Schneebergs, angelegt (Leistungsfähigkeit 35,000 cbm pro Tag). Auch ist die Heranziehung weiterer Quellen im Gebiet des Schneebergs und der Raxalpe ins Auge gefaßt worden. Die Ableitung der atmosphärischen Niederschläge und der Abfallstoffe wird in W. mittels eines Kanalnetzes durch ein Schwemmsystem mit natürlicher Spülung und Verstärkung derselben durch Einleitung des Überfallwassers der Wasserleitungen bewirkt. Die Aufsammlung und Abführung aller Abfallstoffe und Niederschläge geschieht in dem Donaukanal und zwar teilweise direkt, teilweise durch den Ottakringer und Alsbach, welche beide im Stadtgebiet Wiens überwölbt und in Kanäle umgewandelt sind. Aus sanitären Rücksichten wurde jede direkte Kanaleinmündung in den Wienfluß aufgehoben und sind parallel mit demselben an beiden Ufern Kanäle erbaut worden, welche alle einmündenden Seitenkanäle aufnehmen und direkt in den Donaukanal leiten. Um auch vom Donaukanal die Abfallstoffe abzuhalten, ist die Ausführung solcher parallelen Sammelkanäle zu beiden Ufern des Donaukanals projektiert. Die Gesamtlänge der Straßenkanäle beträgt 378, jene der Hauskanäle 475 km. Bis auf die neueste Zeit bestanden sieben Friedhöfe in W. (darunter ein protestantischer mit hübscher kleiner Kirche im byzantinischen Stil von Hansen und ein israelitischer). Da dieselben aber bei der rasch anwachsenden Bevölkerung nicht mehr genügten, wurde seit 1870 von der Kommune W. ein neuer großer Zentralfriedhof zur Beerdigung der Verstorbenen sämtlicher Konfessionen an der Reichsstraße nach Ungarn zwischen Simmering und Klein-Schwechat angelegt, welcher mit der Stadt durch die Pferdebahn und den Eisenbahnflügel der Staatseisenbahn in Verbindung steht. Derselbe enthält in einer besondern Abteilung die Ehrengräber berühmter Männer (Beethoven, Mozart und Schubert, der Maler Makart und Amerling, des Mineralogen Mohs, des Kunstforschers Eitelberger, des Erbauers der Semmeringbahn, Ghega, des Parlamentariers Mühlfeld, der Generale John, Heß und Uchatius).

Unterrichts- und Bildungswesen.

An Unterrichtsanstalten ist W. reich. Voran steht die von Rudolf IV. 1365 gestiftete Universität, nach Prag die älteste in Österreich und Deutschland und nach Paris die am stärksten besuchte der Erde, mit 350 Professoren und Dozenten und gegen 6000 Studierenden. Sie bildet namentlich mit ihrer berühmten medizinischen Schule einen Anziehungspunkt auch für ausländische Studierende. Seit einigen Jahren ist sie mit Ausnahme der medizinischen Fakultät in dem monumentalen, von Ferstel errichteten Gebäude (s. oben) untergebracht. Die wichtigsten Institute, Sammlungen und sonstigen Hilfsmittel der Universität sind: die im neuen Universitätsgebäude befindliche Bibliothek von 340,000 Bänden; die Sternwarte, in einem Neubau auf der Türkenschanze; das philologische, das historische, das archäologisch-epigraphische, das mathematische, das pädagogische, das rechts- und staatswissenschaftliche Seminar; das orientalische Institut; das Institut für österreichische Geschichtsforschung; der botanische Garten mit Museum am Rennweg; das naturhistorische Museum, aus einer zoologischen und mineralogischen Sammlung bestehend; das zootomische Institut; die Zentralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus (auf einer Anhöhe bei Heiligenstadt); die drei chemischen Laboratorien; das physikalische Institut; das geographische Institut; das geologische Museum; die paläontologische Sammlung; das pflanzenphysiologische Institut; das physikalisch-chemische Laboratorium; die neue anatomische Anstalt in der Währinger Straße und das dazugehörige anatomische Museum (über 8000 Präparate); das pathologisch-anatomische Museum im allgemeinen Krankenhaus; das physiologische, das pathologisch-chemische, das embryologische und das gerichtlich-medizinische Institut; zwei histologische Institute; das Institut für experimentelle Pathologie; die Lehrkanzel für Hygieine; die pharmakologische Sammlung; 19 gleichfalls mit Sammlungen versehene Kliniken u. a. Andre wissenschaftliche Anstalten mit dem Rang von Hochschulen sind: die technische Hochschule (1815 eröffnet), mit 4 Fachschulen, 91 Lehrern und 800 Studierenden, reichhaltigen Sammlungen von