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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Wildermuth - Wildruf.

Wildermuth, Ottilie, Schriftstellerin, geb. 22. Febr. 1817 zu Rottenburg am Neckar als Tochter des Kriminalrats Ronschütz, vermählte sich 1843 mit dem durch seine Schulbücher bekannten Gymnasialprofessor W. in Tübingen und starb daselbst 12. Juli 1877. Von ihren zahlreichen und vielgelesenen Schriften, die vor allem durch echt weibliche Haltung, gemütvolle Auffassung des Lebens und gesunden, liebenswürdigen Humor gefallen, nennen wir: »Bilder und Geschichten aus Schwaben« (Stuttg. 1852-54, 2 Bde.; 6. Aufl. 1883); »Olympia Morata« (das. 1854); »Aus dem Frauenleben« (das. 1855, 2 Bde.; 5. Aufl. 1865); »Auguste« (das. 1858, 6. Aufl. 1883); »Die Heimat der Frau« (das. 1859, 5. Aufl. 1881); »Sonntag-Nachmittage daheim«, erbauliche Betrachtungen (das. 1860); »Im Tageslicht. Bilder aus der Wirklichkeit« (das. 1861); »Lebensrätsel«, Erzählungen (das. 1863); »Dichtungen« (Basel 1863); »Erzählungen« (Zwick. 1866); »Perlen aus dem Sande« (4. Aufl., Stuttg. 1884); »Zur Dämmerstunde« (das. 1871); ferner die beliebten Jugend- und Kinderschriften (gesammelt, das. 1871-77, 16 Bdchn.): »Aus dem Kinderleben«, »Kindergruß«, »Von Berg und Thal«, »Aus Schloß und Hütte«, »Jugendgabe«, »Für Freistunden«, »Von Nord und Süd« u. a. Nach ihrem Tod erschien noch: »Mein Liederbuch«, Gedichte (Stuttg. 1877). Vgl. »O. Wildermuths Leben, nach ihren eignen Aufzeichnungen« (Stuttg. 1888, hrsg. von ihren Töchtern Agnes Willms und Adelh. W., die ebenfalls Erzählungen etc. veröffentlicht haben).

Wilder Wein, Pflanzengattung, s. Ampelopsis.

Wildes Fleisch (schwammiges Fleisch, Caro luxurians), die schwammigen, dunkelroten, leicht blutenden Auswüchse, welche unter gewissen Umständen aus heilenden Wunden, Geschwüren und Fisteln hervorwachsen und sich über die umgebende Haut wie eine Beere oder ein Schwamm erheben. Das wilde Fleisch wird gebildet von üppig wuchernden Fleischwärzchen (Granulationen), ist enorm reich an zarten Blutgefäßen und besteht im wesentlichen aus jungem, sehr zellenreichem Bindegewebe (Granulationsgewebe). Kleinere Auswüchse dieser Art lassen sich durch Anwendung des Ätzstifts beseitigen, größere schneidet man mit der Schere ab und betupft dann die Schnittfläche mit Höllenstein.

Wildeshausen, Amtsstadt im oldenburg. Herzogtum Oldenburg, an der Hunte, hat eine evangelische und eine kath. Kirche, ein schönes Rathaus, eine Taubstummenanstalt, ein Amtsgericht, Rot- und Weißgerberei, starke Schuhmacherei und (1885) 1956 meist evang. Einwohner. - W. ist sehr alt; daselbst gründete 872 Walbert, angeblich ein Enkel Wittekinds, ein Domherrenstift, welches 1699 nach Vechta verlegt wurde und später einging. Es kam 1270 an das Erzbistum Bremen, wechselte darauf mehrfach die Besitzer und fiel 1803 an Oldenburg zurück. In der Nähe bei Glane viele Erinnerungen an die Heidenzeit (Visbeker Braut).

Wildes Heer, s. Wütendes Heer.

Wildfangsrecht (Recht des herkommenden Mannes, Jus Wildfangiatus. Jus Kolbekerlii), im Mittelalter das Recht mancher Grundherren, sogen. Wildfänge (Kolbekerle), d. h. alle unehelichen Kinder, welche in dem betreffenden Land geboren wurden, alle sich daselbst freiwillig niederlassenden und ein Jahr lang dort verweilenden, von einem frühern Leibherrn nicht reklamierten Personen sowie die Hagestolzen rücksichtlich ihres in freien Erbgütern bestehenden Nachlasses für Leibeigne zu erklären und als solche zu behandeln (s. Leibeigenschaft).

Wildfolge, s. v. w. Jagdfolge.

Wildgärten (Wildparke, Tiergärten), Waldteile, die durch eine Mauer, einen Zaun oder ein genügend starkes Gatter abgeschlossen sind, und in welchen unter Hintansetzung der forstwirtschaftlichen Bodenbenutzung Wild verschiedener Art gezogen und unterhalten wird. Auf einer Fläche von ca. 250 Hektar kann man in einem Wildgarten ca. 60 Stück Rotwild oder 90 Stück Damwild oder 120 Stück Rehwild, daneben noch 100 Hasen unterhalten, wenn in demselben der Boden frisch ist und durch seine Grasproduktion dem Wild genügende Äsung darbietet, auch für ausreichende Winterfütterung gesorgt wird und es nicht an Wasser fehlt. In W. von der angegebenen Größe kann man jährlich auf einen Abschuß rechnen von 15 Stück Rotwild oder 30 Stück Damwild oder 50 Stück Rehwild, daneben 150 Hasen. Saugärten können bei weitem kleiner, müssen aber mit Mauern oder Plankenzäunen umgeben sein, damit sich die Sauen nicht unter der Umwehrung durchbrechen, es genügen allenfalls schon 10-15 Hektar, um 60-80 Stück Schwarzwild zu unterhalten und jährlich 30-40 Stück abzuschießen. Am besten hält sich Damwild und Schwarzwild; Rot- und Rehwild wird gering und geht zurück, wenn der Tiergarten nicht von erheblicher Größe ist und viel Abwechselung in Bezug auf die Äsung bietet. Überhaupt wird alles Wild in kleinen W. bald zahm, ist folglich leicht zu erlegen und gewährt deshalb die Jagd darauf wenig Vergnügen. Die Bewirtschaftung der W. ist durch den Zweck, welchen man bei Unterhaltung derselben verfolgt, bedingt. Man legt auf geeigneten Stellen jährlich Ackerflächen an, die mit Lupinen, Hafer, Roggen, Kartoffeln bestellt werden, füttert das Wild im Winter mit Hafer, Heu, Eicheln, Kartoffeln, legt Wildwiesen, Salzlecken und Suhlen (s. d.) an, erzieht geschlossene Dickungen, namentlich von Nadelhölzern, bewirtschaftet die ältern Bestände plenterwaldartig, indem man nur einzelne, meist die abständigen Stämme herausnimmt und die Lücken später wieder auspflanzt, bevorzugt endlich diejenigen Holzarten, welche dem Wild besonders angenehm sind (Eichen, Kastanien, Buchen wegen der Mast, Wildobstbäume, Aspen, Eschen etc.). Da das Wild die Kulturen nicht aufkommen lassen würde, so müssen dieselben bis etwa zum 15. Lebensjahr eingegattert werden. Um hierdurch dem Wild nicht zu viel Äsungsfläche zu entziehen, können die Anlagen immer nur auf kleinern Flächen ausgeführt werden. Bei der Auspflanzung kleinerer Lücken verwendet man starke (3-4 m hohe) Heister, welche man mit Pfählen und Dornreisig umgibt, um sie gegen Beschädigungen zu schützen. Vgl. Gödde, Der Wildpark (Leipz. 1881); v. Dombrowski, Der Wildpark (Wien 1885).

Wildgefälle, die Einkünfte von erlegtem Wild.

Wildgraf, s. Raugraf und Rheingraf.

Wildgrube, s. v. w. Fallgrube.

Wildhorn, s. Wildstrubel.

Wildkatze, s. Katze, S. 622.

Wildkirchlein, s. Ebenalp.

Wildling, die Pflanze, auf welche beim Okulieren und Pfropfen das Auge oder das Reis der edlen Sorte übertragen wird (s. Impfung, S. 905 f.).

Wildpark, s. Wildgärten.

Wildruf, Instrumente zur Nachahmung der Paarungs- und Lockrufe verschiedener Wildarten oder zum Hervorbringen der Klagelaute der Rehe, Hasen, Drosseln etc., um damit die Füchse anzulocken (reizen). Viele Jäger können solche Lockrufe auch auf der Hand oder einem Blatt naturgetreu hervorbringen.