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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wilhelm

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Wilhelm (Niederlande).

mit der Statthalterwürde bekleideten Alexander von Parma der spanischen Herrschaft aufs neue Vorschub leisteten, schloß W. 23. Jan. 1579 zwischen den fünf nördlichen Provinzen Holland, Zeeland, Utrecht, Gelderland und Friesland die berühmte Union zu Utrecht, der später auch Overyssel und Groningen beitraten, und durch welche der Grund zur Republik der Vereinigten Niederlande gelegt wurde. 1580 wurde W. von Spanien in die Acht erklärt, wogegen er die denkwürdige »Apologie des Prinzen von Oranien« veröffentlichte. Bereits 18. März 1582 ward in Antwerpen ein Mordanfall auf ihn gemacht und er schwer verwundet. Mit großer Selbstverleugnung ordnete er sich dem Herzog Franz von Anjou unter, den die Staaten zum Protektor erwählten, um sich Frankreichs Hilfe zu sichern. Nach dessen Abdankung 1583 nahm er auf Bitten der Staaten den Titel eines Grafen von Holland an und würde unstreitig zum Monarchen des neuen unabhängigen Staats der Niederlande ernannt worden sein, wenn er nicht 10. Juli 1584 in Delft von einem durch die Jesuiten gedungenen Katholiken, Gerard, meuchlings erschossen worden wäre. Er ward 3. Aug. in Delft beigesetzt. W. verband mit angenehmem Äußern große Liebenswürdigkeit im Umgang, scharfen Verstand, Festigkeit des Charakters, Selbstverleugnung, Begeisterung für religiöse und politische Freiheit sowie große Schweigsamkeit mit hinreißender Beredsamkeit in Wort und Schrift. Sein Wahlspruch war: »Saevis tranquillus in undis«. Er war viermal verheiratet; von seiner zweiten Gemahlin, Anna von Sachsen, trennte er sich wegen ihres abschweifenden Lebenswandels 1575, nachdem sie ihm mehrere Töchter und den Prinzen Moritz von Oranien geboren. 1575 vermählte er sich wieder mit Charlotte von Bourbon (gest. 1582), Tochter des Herzogs Ludwig II. von Montpensier, die ihm sechs Töchter gebar, endlich 1583 mit Luise, der Tochter des Admirals Coligny (gest. 1620), aus welcher Ehe Heinrich Friedrich von Nassau, Prinz von Oranien, hervorging. Vgl. Klose, W. I. von Oranien, der Begründer der niederländischen Freiheit (Leipz. 1864); Juste, Guillaume le Taciturne (Brüssel 1874); Barrett, William the Silent (Boston 1883); Kolligs, W. von Oranien und die Anfänge des Aufstandes der Niederlande (Bonn 1885); Gachard, Correspondance de Guillaume le Taciturne (Brüssel 1847 bis 1866, 6 Bde.); »Oorspronkelyke verhalen en glyktydige berichten van den moord gepleegd ann Prins Willem van Oranje« (hrsg. von Frederiks, Haag 1884).

22) W. II., Prinz von Oranien, Statthalter der Niederlande, Sohn des Prinzen Friedrich Heinrich und der Amalie von Solms, Enkel des vorigen, geb. 1626, ward 1641 mit Maria Stuart, der Princeß Royal von England, Tochter Karls I., vermählt, kämpfte tapfer unter seinem Vater gegen die Spanier, folgte seinem Vater 14. März 1647 als Statthalter der Niederlande, widersetzte sich, von kriegerischem Ehrgeiz beseelt, nach dem Frieden von Münster der Abdankung der Truppen, die Holland verlangte, und versuchte, unterstützt von den Generalstaaten, den Widerstand der republikanisch-aristokratischen Partei zu brechen, indem er 30. Juli 1650 sechs Mitglieder der Staaten von Holland verhaften und nach Loevestein bringen ließ. Zwar mißlang der Versuch, Amsterdam zu besetzen; aber er erlangte die Zustimmung der Staaten zur Beibehaltung der Truppen und rüstete sich zur Eroberung Antwerpens im Bund mit Frankreich, als er 6. Nov. 1650 plötzlich an den Blattern starb. Er war ein hochbegabter Staatsmann und Feldherr. Erst nach seinem Tod wurde ihm ein Sohn, Wilhelm III. (s. Wilhelm 10), geboren, mit welchem die ältere Linie des Hauses Oranien erlosch.

23) W. IV. Karl Heinrich Friso, Prinz von Oranien, Erbstatthalter der Niederlande, Sohn des Prinzen Johann Wilhelm Friso von Nassau-Dietz, Statthalters von Friesland und Groningen, welcher 1702 den Titel Oranien angenommen, geb. 1. Sept. 1711 nach seines Vaters Tod, folgte diesem als Erbstatthalter von Friesland und Groningen, ward aber, obwohl wegen seiner hohen Bildung und seines leutseligen, rechtschaffenen Charakters beim Volk sehr beliebt, infolge des hartnäckigen Widerstandes der aristokratischen Partei erst durch die 1747 ausbrechende Volksbewegung im Mai erblicher Statthalter auch der übrigen Provinzen. Er versäumte es, die günstige Stimmung der Niederländer und die Schwäche der Aristokratie zur Errichtung einer fest organisierten, starken Monarchie zu benutzen. Er starb schon 22. Okt. 1751.

24) W. V., Prinz von Oranien, Sohn des vorigen, Erbstatthalter der Niederlande, geb. 4. März 1748, folgte seinem Vater 1751 unter der Vormundschaft seiner Mutter, der englischen Prinzessin Anna, dann seit 1759 des Herzogs Ludwig Ernst von Braunschweig-Wolfenbüttel, seit 1766 selbständig. Gutmütig, aber schwach, überließ er auch seitdem die Leitung der Staatsgeschäfte dem Herzog von Braunschweig, wodurch er die heftige Opposition der Patriotenpartei hervorrief. Später geriet er unter den Einfluß seiner stolzen Gemahlin, der preußischen Prinzessin Friederike Sophie Wilhelmine, Schwester König Friedrich Wilhelms II. Nachdem er mit preußischer Hilfe 1787 die Macht der Patrioten gebrochen, ward er 1795 von den Franzosen vertrieben, erhielt 1801 als Entschädigung die Abteien Korvei und Fulda, die er 1802 seinem Sohn abtrat; starb 9. April 1806 in Braunschweig.

25) W. I. Friedrich, König der Niederlande, Prinz von Oranien-Nassau, Sohn des vorigen, geb. 24. Aug. 1772 im Haag, führte den Titel Prinz von Oranien, ging 1788 nach Deutschland, wo er eine Zeitlang am Hof seines Oheims, des Königs Friedrich Wilhelm II. von Preußen, verweilte, studierte 1790 in Leiden und vermählte sich 1791 mit Friederike Luise Wilhelmine, Tochter des Königs Friedrich Wilhelm II. von Preußen. 1793-95 befehligte er im Kriege gegen Frankreich in Belgien die niederländischen Truppen, begab sich nach der Eroberung der Niederlande durch Pichegru und der Flucht seines Vaters nach Berlin, wohnte, nachdem sein Vater die ihm zugefallene Entschädigung in Deutschland, das Fürstentum Fulda nebst Korvei, 29. Aug. 1802 an ihn abgetreten, seitdem meist in Fulda, erhielt 1806 das Kommando einer preußischen Division u. kapitulierte nach der Schlacht bei Jena 15. Okt. mit 10,000 Mann in Erfurt. Napoleon I. erklärte ihn seiner Länder für verlustig, so daß ihm nur seine Privatbesitzungen in Posen und Schlesien blieben. 1809 trat er als Freiwilliger in das Heer des Erzherzogs Karl, in welchem er an der Schlacht bei Wagram teilnahm. Darauf begab er sich nach England und landete, als sich im November 1813 beim Eindringen der Preußen in Holland das Volk gegen die französische Herrschaft erhob, 30. Nov. in Scheveningen, wo er vom Volk als Landesherr begrüßt wurde. Der Wiener Kongreß sprach die Vereinigung Belgiens und Lüttichs mit den Vereinigten Niederlanden zu einem Königreich aus, und 16. März 1815 wurde W. im Haag unter dem Namen W. I. zum König der Nie-^[folgende Seite]