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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wilhelmsorden; Wilhelms-Spende; Wilhelmsstein; Wilhelmsthal; Wilibald; Wiljuj; Wilkau; Wilken

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Wilhelmsorden - Wilken.

gewölben, auf dessen Plattform auf einer 31 m hohen Pyramide die aus Kupfer getriebene, 10 m hohe Nachbildung des Farnesischen Herkules (im Volksmund der »große Christoph«) steht. Auf Treppen und Leitern steigt man bis in die Keule, in welcher fünf Personen Platz haben. Von dem Oktogon führen 12,5 m breite, 283 m lange, von 47 zu 47 m durch Bassins unterbrochene, auf beiden Seiten von Treppen zu je 842 Stufen begleitete Kaskaden zwischen tiefdunkeln hohen Tannenwänden nach unten. Die Fortführung der Anlagen geschah erst nach Beendigung des Siebenjährigen Kriegs durch Landgraf Friedrich II. Er baute das halbzerstörte Schlößchen Weißenstein wieder auf, gab den vorhandenen Anlagen mehr Ausdehnung und ließ Eremitagen, Grotten, Tempel und Weiher überall im Wald entstehen. Auch das im chinesischen Geschmack projektierte Dörfchen Moulang und die große, 58 m hohe Fontäne verdanken ihm ihre Entstehung. Sein Sohn Wilhelm IX. (später Kurfürst Wilhelm I.) vervollständigte mit Hilfe der Baumeister du Ry und Jussow die Anlagen und baute nach Niederlegung des alten Lustschlosses Weißenstein das jetzige Palais, welches seine und seiner Nachfolger Sommerresidenz wurde. Der Steinhöfersche Wasserfall, die Teufelsbrücke und der Aquädukt mit dem großen Wasserfall, welche die Zwischenglieder der Wasserkünste zwischen den Kaskaden und der großen Fontäne bilden, sowie die Löwenburg sind seine Schöpfungen; die letztere, eine Ritterburg alten Stils mit allem Zubehör, birgt auch die irdischen Reste Wilhelms I. Seit jener Zeit führt der Weißenstein den Namen Wilhelmshöhe. Ihre Vollendung erhielten die Anlagen unter Wilhelm II., welcher namentlich den »neuen Wasserfall« mit seinen prächtigen Kaskaden anlegen ließ. Die berühmten Wasserkünste springen während des Sommerhalbjahrs vom Himmelfahrtstag an bis zum Oktober regelmäßig jeden Mittwoch und Sonntag je eine Stunde. Das Wasser liefert ein im Oktogon befindliches großes Sammelbassin. Nach der Kapitulation von Sedan (2. Sept. 1870) diente das Schloß dem gefangenen Kaiser Napoleon III. bis 3. April 1871 als Aufenthaltsort. Gegenwärtig bildet W. einen Gutsbezirk, hat eine elektro-hydrotherapeutische und eine Kaltwasserheilanstalt und mit der Garnison (eine Schwadron Husaren Nr. 14) 171 Einw. Vgl. Wapler, Geschichte der W. (2. Aufl., Kassel 1870).

Wilhelmsorden, 1) kurfürstlich hessischer Orden, 20. Aug. 1851 vom Kurfürsten Friedrich Wilhelm gestiftet, hat vier Klassen: Großkreuze, Kommandeure erster und zweiter Klasse, Ritter und Inhaber der vierten Klasse. Das Ordenszeichen besteht in einem goldenen, karmesinrot emaillierten Kreuz mit ovalem Mittelschild, auf dessen Avers der goldene Löwe mit der Inschrift »Virtuti et fidelitati« und auf dessen Revers die Chiffer »W K« mit der Krone sich befindet. Der achtspitzige silberne Strahlenstern hat das Kreuz auf sich liegen. Großkreuze und Kommandeure erster Klasse tragen diesen Stern, sonst wird der Orden wie andre getragen; die Inhaber erhalten ein silbernes Kreuz. Das Band ist rot und weiß. Der Orden erlosch 1866. - 2) Niederländischer Militärverdienstorden, 30. April 1815 von König Wilhelm in vier Klassen gestiftet: Großkreuzen, Kommandeuren, Rittern erster und zweiter Klasse. Die Dekoration besteht in einem weiß emaillierten, von der Königskrone gedeckten Kreuz mit acht Kugeln, zwischen dessen Armen das burgundische Kreuz, aus Lorbeerzweigen, hervorragt, während auf den Armen selbst »Voor moed, beleid, trouw« (»Für Mut, Eifer, Treue«) steht. Der Avers des Mittelschildes zeigt ein W in Lorbeerkranz, der Revers den burgundischen Stahl. Die Großkreuze tragen dazu den achtspitzigen Silberstern mit dem Ordenskreuzavers in der Mitte, die Kommandeure das Kreuz am Hals und auf der Brust, die Ritter das Kreuz im Knopfloch, die zweite Klasse dasselbe von Silber. Das Band ist orange, blau gerändert. Die dritte und vierte Klasse erhalten Erhöhung des Soldes.

Wilhelms-Spende, s. Kaiser Wilhelms-Spende.

Wilhelmsstein, s. Steinhuder Meer.

Wilhelmsthal, 1) Stadt im preuß. Regierungsbezirk Breslau, Kreis Habelschwerdt, im Glatzer Gebirge, an der Mohrau, 543 m ü. M., hat eine kath. Kirche und (1885) 665 Einw. - 2) (Sonst Amalienthal) Lustschloß im preuß. Regierungsbezirk Kassel, Kreis Hofgeismar, 14 km nordwestlich von Kassel, ist im italienischen Palaststil erbaut, mit einem prächtigen Park. Hier 24. Juni 1762 Sieg der hannöverschen Armee unter Herzog Ferdinand von Braunschweig über die Franzosen unter de Castries und Stainville. - 3) Lustschloß des Großherzogs von Weimar, 8 km südlich von Eisenach, in einem reizenden Thal an der Elna, mit kleinem See, wurde 1699-1719 vom Herzog Wilhelm von Eisenach erbaut.

Wilibald (Willibald), Heiliger, geboren um 700 in England, pilgerte 720 mit seinem Bruder Wunnibald nach Rom und dem Heiligen Land, lebte dann auf Monte Cassino, bis ihn 739 sein Oheim Winfried (Bonifacius) nach Deutschland zog. Er ward 22. Juli 745 (nach andern schon 741) zum ersten Bischof von Eichstätt eingesetzt, gründete viele Kirchen und Klöster und starb 7. Juli 781 daselbst, wo er in der Kathedrale beigesetzt wurde.

Wiljuj, Fluß in Sibirien, s. Wilui.

Wilkau, Dorf in der sächs. Kreis- und Amtshauptmannschaft Zwickau, an der Mulde, Knotenpunkt der Linien Zwickau-Schwarzenberg und W.-Saupersdorf der Sächsischen Staatsbahn, hat Kammgarnspinnerei, Papierfabrikation und (1885) 5309 Einw.

Wilken, Friedrich, deutscher Historiker, geb. 23. Mai 1777 zu Ratzeburg, studierte in Göttingen Theologie, dann klassische und orientalische Philologie und Geschichte, ward 1800 Repetent der theologischen Fakultät zu Göttingen, 1803 Erzieher des jungen Fürsten Georg Wilhelm von Schaumburg-Lippe, den er auf die Universität Leipzig begleitete, 1805 Professor der Geschichte zu Heidelberg und 1807 daneben Direktor der Universitätsbibliothek. In dieser Eigenschaft vermittelte er 1815 in Rom die Rückgabe eines Teils der im Dreißigjährigen Krieg von Tilly dem Papst geschenkten palatinischen Bibliothek. 1817 folgte er dem Ruf als Oberbibliothekar und Professor an die Universität zu Berlin, wo er 1819 ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften, deren beständiger Sekretär er seit 1829 war, dann preußischer Historiograph, Professor der Geschichte an der Kriegsschule, Rat im Oberzensurkollegium und endlich 1830 Geheimer Regierungsrat wurde. 1826 unternahm er eine wissenschaftliche Reise nach Italien, 1829 im Auftrag des Ministeriums nach Frankreich und England. Er starb 24. Dez. 1840. Unter seinen Schriften, welche meist die persische Sprache, für die er 1805 die erste deutsche Grammatik und Chrestomathie herausgab, und die Geschichte des Orients zum Gegenstand haben, ist die »Geschichte der Kreuzzüge« (Leipz. 1807-32, 7 Bde.) das Hauptwerk. Außerdem schrieb er: »Geschichte der Heidelberger Büchersammlungen« (Heidelb. 1817) und »Geschichte der königlichen Bibliothek zu Berlin« (Berl. 1828)