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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Windvogel - Winkel.

21. Okt. 1865 Kronoberanwalt in Celle, legte nach der Annexion von 1866 sein Amt nieder und führte 1867 die Verhandlungen mit Bismarck über die Abfindung des Königs Georg, die mit dem Vertrag vom 29. Sept. 1867 endeten; er ist noch der Berater und politische Vertreter des Welfenhauses. Seit 1867 auch Mitglied des norddeutschen Reichstags und des preußischen Abgeordnetenhauses für Meppen (»Perle von Meppen«), trat er anfangs vorsichtig und zurückhaltend auf, nahm 17. Juni 1869 an dem antiinfallibilistischen Laienkonzil in Berlin teil, stellte sich aber zuerst auf dem ersten deutschen Reichstag im März 1871, dann auch im Abgeordnetenhaus entschieden an die Spitze der ultramontanen Partei, mit welcher er die partikularistischen Elemente der Opposition (Polen und Welfen) gegen die Regierung zu verschmelzen wußte. Schlagfertig, witzig und von scharfem Verstand, in allen Künsten sophistischer Dialektik erfahren, errang W. in den ersten Jahren seiner parlamentarischen Thätigkeit als Führer der Opposition bedeutende rhetorische Erfolge, und wenn er auch trotz aller Ränke bei Hofe die Maigesetzgebung nicht hindern konnte, so bereitete er doch Bismarck u. Falk durch seine rücksichtslose, scharfe Opposition manche Schwierigkeiten und verzögerte durch seine zahllosen Reden nach Möglichkeit den Fortgang der Geschäfte. Namentlich 1881-87 leitete er die aus allen oppositionellen Elementen gebildete Mehrheit des Reichstags. Auf den jährlichen Katholikenversammlungen gibt er die politische Parole für die ultramontane Partei aus.

Windvogel, s. v. w. Brachvogel; provinziell auch s. v. w. Drache (Spielzeug).

Windwage, eine nach einem ähnlichen Prinzip wie das Barometer konstruierte Vorrichtung zum Abmessen der Stärke des Orgelwindes, d. h. des Dichtigkeitsgrades der in den Bälgen komprimierten Luft. Die W. ist um 1675 von Chr. Förner erfunden.

Windward Islands (spr. eiländs, »Inseln im Wind« oder »Luvwärtsinseln«), s. Antillen und Luv.

Windward Passage (spr. pâssidsch, Windwärtskanal), Meeresstraße zwischen Cuba und Haïti, verbindet das Atlantische und Karibische Meer.

Windwurf (Windfall), s. Windbruch.

Winebago (Hochungohra, »stinkende Indianer«, von den Franzosen Puants genannt), nordamerikan. Indianervolk vom Hauptstamm der Dakota, früher im Gebiet des Staats Wisconsin an den Ufern des Michigan- und Winnebagosees lebend, später auf Reservationen in Nebraska und Wisconsin verpflanzt, 1883: 2237 Köpfe stark. Sie beschäftigen sich mit Jagd und Fischerei.

Winebagosee, s. Winnebagosee.

Winer, Georg Benedikt, protestant. Theolog, geb. 13. April 1789 zu Leipzig, studierte daselbst Theologie, ward 1817 Privatdozent und 1818 außerordentlicher Professor der Theologie und folgte 1823 einem Ruf nach Erlangen, kehrte aber 1832 als ordentlicher Professor nach Leipzig zurück, wo er 12. Mai 1858 starb. Von seinen Werken sind hervorzuheben: »Grammatik des neutestamentlichen Sprachidioms« (Leipz. 1821; 7. Aufl. von Lünemann, 1867); »Biblisches Realwörterbuch« (das. 1820; 3. Aufl. 1847 bis 1848, 2 Bde.); »Komparative Darstellung des Lehrbegriffs der verschiedenen christlichen Kirchenparteien« (das. 1824; 4. Aufl. von Ewald, 1882); »Grammatik des biblischen und targumischen Chaldäismus« (das. 1824; 3. Aufl. von Fischer: »Chaldäische Grammatik für Bibel und Talmud«, 1882) nebst dem »Chaldäischen Lesebuch« (das. 1825; 2. Aufl. von Fürst, 1864) und das »Handbuch der theologischen Litteratur, hauptsächlich des protestantischen Deutschland« (das. 1820; 3. Aufl. 1838-40, 2 Bde.; Ergänzungsheft 1842). Auch gab W. mit Engelhardt das »Neue kritische Journal der theologischen Litteratur« (1824-30) und allein die »Zeitschrift für wissenschaftliche Theologie« (1826-32) heraus.

Winesel, s. Drossel.

Winfried, s. Bonifacius 2).

Wingolf (altnord. vingôlf, die »Freundeshalle«, ein Gemach der Götterburg; bei Klopstock sinnbildliche Bezeichnung der Freundschaft), deutsche Studentenverbindung, 1836 in Erlangen begründet, um das ursprüngliche Ideal einer christlich-germanischen Burschenschaft zu verwirklichen, trat zuerst in Halle 1844 an die Öffentlichkeit. Der W. verwirft aus religiösen Gründen das Duell, hält aber sonst an den historisch gegebenen studentischen Formen fest. Gegenwärtig ist der W. auf den meisten deutschen Universitäten vertreten. Der Wingolfsbund versammelt sich alle zwei Jahre auf der Wartburg. Seine Farben sind Schwarz - Weiß - Gold. Vgl. »Der W. und seine Stellung in der deutschen Studentenschaft« (Halle 1870).

Winkel (Angulus), in der Planimetrie die Neigung zweier sich schneidender gerader Linien; letztere nennt man die Schenkel (Seiten), ihren Schnittpunkt den Scheitel (die Spitze) des Winkels. Ein W. wird erzeugt von einer Geraden, die sich von einem Punkt O aus nur nach einer Seite hin erstreckt, wenn sie sich in der Ebene um diesen Punkt nach einerlei Richtung dreht. Nach einer vollen Umdrehung hat sie wieder ihre ursprüngliche Lage eingenommen. Das Viertel einer vollen Umdrehung gibt einen rechten W. (oft mit R bezeichnet, Fig. 1); zwei rechte W. bilden einen gestreckten W., dessen Schenkel vom Scheitel aus nach gerade entgegengesetzten Richtungen gehen. Ein W., der größer ist als ein gestreckter, heißt ein konvexer oder erhabener W. (Fig. 2), einer, der kleiner ist, ein konkaver oder hohler. Letzterer wird ein spitzer (Fig. 3) oder stumpfer (Fig. 4) genannt, je nachdem er kleiner oder größer ist als ein rechter W.; spitze und stumpfe stellt man auch als schiefe W. dem rechten gegenüber. Sind OA und OB die Schenkel des Winkels, so wird dieser durch < AOB, < AOB oder AÔB bezeichnet, wenn man sich nicht zu seiner Bezeichnung eines eignen Buchstabens bedient. Der 90. Teil eines rechten Winkels wird ein Grad (1°) genannt; er zerfällt in 60 gleich große Minuten (1° = 60') zu 60 Sekunden (1' = 60''), s. Grad. Die wirkliche Messung eines Winkels erfolgt, indem man um seinen Scheitel als Mittelpunkt einen Kreis beschreibt, dessen Umfang in 360 Grad zu 60 Minuten zu 60 Sekunden zerfällt. Als Maß des Winkels dient dann der zwischen den Schenkeln desselben liegende Kreisbogen, welcher ebensoviel Bogengrade, Minuten und Sekunden hat, als die Zahl der Winkelgrade, Minuten und Sekunden beträgt. Bisweilen gibt man die Größe des Bogens und damit auch die des Winkels durch die Länge des erstern an, indem man als Längeneinheit den Kreishalbmesser annimmt. Man sagt

^[Abb.: 1, 3 u. 4. Konkave Winkel. (rechter, spitzer, stumpfer) 2. Konvexer Winkel.]