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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wirbeltiere

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Wirbeltiere (Anatomisches, Physiologisches).

Beckengürtel dagegen meist fest mit ihr zu dem sogen. Kreuzbein verschmolzen (s. Wirbelsäule). Die Extremität selbst wird gewöhnlich aus Röhrenknochen gebildet und setzt sich aus zwei Abschnitten (Oberarm, resp. Oberschenkel und Unterarm, resp. Unterschenkel) zusammen. An ihrem freien Ende trägt sie meist fünf nebeneinander liegende Reihen kleinerer Knochenstücke (Hand, resp. Fuß). Die Bewegungen der Wirbelsäule sowohl als des auf ihr ruhenden Kopfes und der an ihr befestigten Gliedmaßen geschehen durch die Muskeln. Diese werden ihrerseits von der Haut locker umhüllt und hängen nicht weiter mit ihr zusammen. Die Haut selbst besteht aus zwei Schichten, der Oberhaut oder Epidermis, welche meist verhärtet und verhornt, und der Lederhaut oder Cutis, die fast immer weich bleibt, jedoch auch in sich Knochen (sogen. Hautknochen) produziert. Die Anhänge der Haut in Gestalt von Haaren, Federn, Nägeln und Schuppen gehören entweder nur der Oberhaut an, oder gehen von beiden Schichten aus. In der Lederhaut verbreiten sich zahlreiche Blutgefäße und Nerven, während von der Epidermis her als Einsenkungen die Hautdrüsen zur Absonderung von Schweiß, Talg, Milch etc. entstehen (s. Haut und Drüsen). Das Nervensystem hat eine für alle W. charakteristische Lage; seine Zentralteile, Hirn und Rückenmark, sind nämlich in ein knöchernes Rohr eingebettet, welches von den obern Fortsätzen der Wirbel gebildet wird und mit Löchern zum Austritt der Nervenstämme versehen ist. Wie die Entwickelungsgeschichte lehrt, gestaltet sich im Embryo ein Teil der äußern Haut zu einem Rohr, dem Nervenrohr, um und scheidet sich im weitern Verlauf in einen hintern gleichmäßigen Abschnitt, das Rückenmark, und eine vordere, aus fünf Blasen bestehende Anschwellung, das Gehirn. Letzteres erleidet alsdann noch viele Umwandlungen, mittels deren es namentlich bei den höhern Wirbeltieren zu einem äußerst zusammengesetzten Organ wird (s. Gehirn). Es ist der Träger der geistigen Fähigkeiten und Zentralorgan der Sinneswerkzeuge, während das Rückenmark die vom Gehirn übertragenen Reize fortleitet und besonders die Reflexbewegungen vermittelt, indessen auch Zentralherde gewisser Erregungen birgt. Bei den niedern Wirbeltieren mit kaltem Blut überwiegt die Masse des Rückenmarks bedeutend die des Gehirns; bei den Warmblütern dagegen prägt sich das umgekehrte Verhältnis um so schärfer aus, je höher sich ihre Organisationsstufe erhebt. Für die Eingeweide ist noch ein besonderes Nervensystem, der sogen. Sympathikus (s. d.), vorhanden. Einige Fische besitzen außerdem Organe zur Erregung von Elektrizität, welche sich als mächtige Endapparate meist besonderer Nerven ansehen lassen (s. Zitterfische). Bei allen Wirbeltieren sind die höhern Sinnesorgane am Kopf angebracht und werden direkt vom Gehirn aus mit Nerven versorgt; Träger des Gefühls ist dagegen die durch die Nerven der Lederhaut empfindende Haut des ganzen Körpers, an der freilich wiederum einzelne Stellen zu besondern Tastorganen ausgebildet sind. Sitz des Geschmacks ist bei den meisten höhern Wirbeltieren die Zunge und, wo diese einen harten Überzug besitzt, vielleicht die weichere Schleimhaut des Schlundes. Das Geruchsorgan besteht meist aus zwei Gruben oder Höhlen, welche mit einer flimmernden Schleimhaut ausgekleidet sind, bei allen luftatmenden Wirbeltieren sich in die Mund- oder Schlundhöhle öffnen und zugleich zur Ein- und Ausleitung des Luftstroms in die Lungen dienen, bei den durch die Kiemen atmenden Wasserbewohnern jedoch fast immer blind endigen. Die Gehörorgane, welche nur bei Amphioxus fehlen, bestehen in ihrer einfachsten Form aus zwei häutigen, mit Flüssigkeit und Hörsteinchen gefüllten Säckchen; bei den höhern Wirbeltieren sind sie dagegen zu einem äußerst komplizierten Apparat geworden (s. Ohr) und überragen mit dem äußern Ohr die Oberfläche des Kopfes. Die Augen sind (mit Ausnahme von Amphioxus) Kapseln, welche von einer derben, vorn durchsichtigen Faserhaut umhüllt sind und im Innern besondere lichtbrechende Körper enthalten. Der Verdauungskanal ist in der Regel erheblich länger als der Körper, bildet daher mehr oder minder zahlreiche Windungen und gliedert sich fast überall in die Abschnitte: Speiseröhre, Magen, Dünndarm und Enddarm. Mund und After befinden sich stets auf der Bauchseite. Die vor der Speiseröhre gelegene Mundhöhle, in der sich die Zunge erhebt, wird von dem Ober- und Unterkiefer sowie den Gaumenknochen begrenzt. Die Kiefer, von denen der obere gewöhnlich am Schädel unbeweglich befestigt ist, wirken in der Richtung von oben nach unten und sind meist mit Zähnen bewaffnet oder haben scharfe Hornränder. In die Mundhöhle münden (mit Ausnahme der Fische, vieler Amphibien und der Wale) Speicheldrüsen; in den Anfangsteil des Dünndarms ergießen sich das Sekret der Leber (die Galle) und der Saft der Bauchspeicheldrüse, welche jedoch bei einigen Fischen fehlt. Der Enddarm (Dickdarm, Mastdarm) ist durch Stärke und kräftige Muskulatur ausgezeichnet. Als Respirationsorgane treten überall Kiemen oder Lungen auf. Erstere liegen meist als Doppelreihen von Hautblättchen an den Seiten des Schlundes hinter den Kieferbogen und werden von knorpeligen oder knöchernen Bogen, den hintern Abschnitten des Visceralskeletts, getragen, welche bei den luftatmenden Wirbeltieren bis auf anderweitig verwendete Reste (Zungenbein) frühzeitig zu Grunde gehen. Engere oder weitere Spalte zwischen den Kiemenbogen führen in den Schlund und nehmen von hier das zur Respiration dienende, die Kiemen umspülende Wasser auf. Auf der äußern Seite werden die Kiemen oft von einer Hautfalte oder einem Kiemendeckel geschützt, an dessen unterm oder hinterm Rand eine Öffnung zum Ausfließen des Wassers aus dem Kiemenraum frei bleibt. Bisweilen ragen die Kiemen auch als äußere büschelförmige Anhänge unbedeckt hervor. Die Lungen sind bei den Fischen durch die meist unpaare und mit Luft gefüllte Schwimmblase vertreten, deren gefäßreiche Wandung in einigen Fällen den Gasaustausch mit der Luft vermittelt. Bei andern niedern Wirbeltieren kommt eine echte Lunge in Gestalt zweier mit Luft gefüllter Säcke zugleich mit den Kiemen vor, wird aber erst bei den höhern Gruppen zu einem schwammigen Körper umgestaltet, welcher dem Blut außerordentlich viele Berührungspunkte mit der Luft darbietet (s. Lunge). Zur Herbeischaffung und Entfernung der Luft dienen die Atembewegungen, welche eine Erweiterung, resp. Verengerung der Lunge herbeiführen; hierbei fungiert als Leitungsrohr die Luftröhre, welche vom Grunde der Mundhöhle ausgeht und häufig noch mit einem besondern Stimmorgan, dem Kehlkopf, verbunden ist. Die Kreislauforgane bilden überall ein geschlossenes Gefäßsystem und führen mit ganz geringen Ausnahmen rotes Blut. Das Herz, welches bei Amphioxus fehlt, ist in seiner ursprünglichsten Form nichts als ein pulsierender Schlauch, der in zwei Abteilungen (Vorkammer und Kammer) zerfällt und das aus dem Körper gesammelte venöse Blut in die Kiemen treibt. Von hier