Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wiset; Wishaw; Wishne-Wolotschok; Wisin; Wislicenus

694

Wiset - Wislicenus.

terteile mähnig, Kinn und Unterhals bartartig, Stirn und Hinterkopf kraus, filzig, die übrigen Leibesteile kurz und dicht behaart. Die Färbung ist ein ziemlich gleichmäßiges Graubraun. Der W. bewohnte einst fast das ganze Nordamerika, findet sich jetzt aber nur noch im Gebiet des obern Missouri und westlich vom Mississippi, vom Großen Sklavensee unterm 60.° nördl. Br. bis zum Rio Grande. Durch die fortschreitende Kultur bedrängt, ist er bis zum 65.° vorgerückt und hat auch das Felsengebirge überstiegen. Er ist ein Bewohner der Prärien, lebt in Herden, in welchen die Stiere für sich und die Kühe mit den noch nicht zeugungsfähigen Kälbern gesonderte Trupps bilden, und zieht vom Juli an südwärts, um im Frühjahr wieder nach dem Norden zurückzukehren. Im Winter sucht er vor allem die waldigen Gegenden auf. Das hauptsächlichste Futter bildet ein die Prärien bedeckendes niedriges Gras. Während der Brunftzeit entwickelt der Stier einen unerträglichen Moschusgeruch, welcher auch das Fleisch durchdringt. Die Kühe kalben neun Monate nach der Brunftzeit, gewöhnlich im März oder April. Der W. ist sehr lebhaft, geht stets eiligen Schrittes, wird im Galopp nur mit Mühe vom Pferd eingeholt, schwimmt auch gut, ist geistig wenig begabt, furchtsam, nicht leicht erregbar, entwickelt aber in der Wut große Wildheit. Der amerikanische W. war gewissermaßen das Haustier der Indianer und ist erst durch die Weißen zurückgedrängt und in weiten Strecken ausgerottet worden. Fleisch und Fett werden gut verwertet. In der Gefangenschaft hält er sich sehr gut und pflanzt sich regelmäßig fort, er soll sich auch mit Hausrindern paaren und fruchtbare Nachkommen erzeugen. Vgl. Allen, The American Bisons, in »Memoirs of the Museum of comparative zoology at Harvey College« (1876, Bd. 4).

Wiset, s. Visé.

Wishaw (spr. uischah), Stadt in Lanarkshire (Schottland), 7 km östlich von Hamilton, hat Kohlen- und Eisengruben und (1881) 13,112 Einw.

Wishne-Wolotschok, Kreisstadt im russ. Gouvernement Twer, an der Zna und dem die Zna mit der nahen Twerza verbindenden Kanal sowie an der Eisenbahn St. Petersburg-Moskau, hat einen alten Zarenpalast, eine Kathedrale und mehrere andre Kirchen, ein schönes Kaufhaus, mehrere Schulen, Handel und Industrie (besonders Baumwollspinnerei) und (1885) 15,838 Einw. W. ist der Mittelpunkt des Wishne-Wolotschokschen Kanalsystems, welches die Newa mit der Wolga verbindet. Die Fahrt geht: Newa, Ladogakanal, Fluß Wolchow, Sieverskanal od. Wischerakanal, Msta, Mstinosee, Zna, Wishne-Wolotschokkanal, Fluß Twerza, Wolga. Die Gesamtlänge des Systems von der Twerza bis zur Wolchowmündung beträgt 859 km. Es umfaßt 76 Seen und 106 größere und kleinere Flüsse. Vgl. Th. Schmidt in der »Russischen Revue«, Bd. 9, S. 211-247 (1880).

Wisin, Denis Iwanowitsch, russ. Dichter, geb. 3. April (a. St.) 1745 zu Moskau, Sproß eines deutschen Rittergeschlechts, von Wiesen, das zum Orden der Schwertbrüder gehörte, studierte seit 1759 in Moskau, diente vorübergehend in der Garde, erhielt 1763 eine Stelle im Kabinettsministerium und wurde 1769, nachdem er sich inzwischen als Lustspieldichter einen Namen gemacht, Sekretär des Ministers des Auswärtigen. Seiner Gesundheit wegen besuchte er seit 1777 wiederholt das Ausland und starb am Schlag 1792 in Petersburg. Wisins Hauptwerke sind zwei Lustspiele, die ihm den Namen des russischen Molière verschafft haben: »Der Brigadier« (1765), worin die Sittenroheit und Unbildung der Russen gegeißelt wird, und »Der Landjunker« (»Nedorossl«, wörtlich »Der Minderjährige«, 1782), eine Satire auf die Erziehung der russischen Landedelleute. Außerdem sind seine »Ausländischen Briefe«, seine »Fragen an den Verfasser des Geschehenen und Erdachten« (d. h. an Katharina II.) und seine »Allgemeine Hofgrammatik«, in satirischer Form eine Sammlung praktischer Regeln für Hofleute, zu erwähnen.

Wislicenus, 1) Gustav Adolf, einer der Wortführer der Freien Gemeinden, geb. 20. Nov. 1803 zu Battaune in der Provinz Sachsen, ward 1824 als Mitglied der Burschenschaft zu zwölfjährigem Festungsarrest verurteilt, doch 1829 begnadigt. Seit 1834 Pfarrer zu Klein-Eichstedt bei Querfurt, seit 1841 an der Neumarktskirche in Halle, nahm er lebhaften Anteil an den lichtfreundlichen Bestrebungen. Sein am 29. Mai 1844 in Köthen gehaltener Vortrag über die Autorität der Schrift veranlaßte schließlich 1846 seine Amtsentsetzung (s. Freie Gemeinden). Seinen Prozeß stellte er dar in der Schrift »Die Amtsentsetzung des Pfarrers W. in Halle« (Leipz. 1846). Er lebte seitdem in Halle als Prediger der Freien Gemeinde, ward jedoch infolge der Schrift »Die Bibel im Lichte der Bildung unsrer Zeit« (Leipz. 1853) im September 1853 zu zweijähriger Gefängnisstrafe verurteilt. Der Vollstreckung entzog er sich durch die Flucht nach Amerika, kehrte aber im Mai 1856 nach Europa zurück und ließ sich zu Fluntern bei Zürich nieder, wo er 14. Okt. 1875 starb, nachdem er sein Hauptwerk: »Die Bibel, für denkende Leser betrachtet« (2. Aufl., Leipz. 1866, 2 Bde.), veröffentlicht hatte.

2) Hermann, Maler, geb. 20. Sept. 1825 zu Eisenach, ging 1844 auf die Akademie zu Dresden und wurde später Schüler Bendemanns, dann Schnorrs. Sein erstes Bild: Überfluß und Elend, wurde für die Dresdener Galerie angekauft (Karton im Museum zu Leipzig). 1853 begab er sich mit einem Reisestipendium nach Italien, wo er sich in Rom besonders an Cornelius anschloß. Nach seiner Rückkehr ließ er sich in Weimar nieder. Er führte hier verschiedene Aufträge aus, wie den großen Karton: Götterbacchanal, zu einem Deckengemälde für ein Haus in Leipzig; die Ölbilder: die Nacht, für den Großherzog, die Phantasie, von den Träumen getragen, für den Grafen Schack in München, die vier Evangelisten, für die Grabkapelle der Großfürstin Maria Paulowna in Weimar, und mehrere Zeichnungen, wie: Ruhmeshalle deutscher Dichter (im Museum zu Weimar), die Deukalionische Flut (ebendaselbst), Prometheussage (im Museum zu Leipzig). Für das Treppenhaus des Römischen Hauses in Leipzig malte er Brutus' Urteilsspruch und die Mutter der Gracchen. 1868 folgte W. einem Ruf als Professor an die Akademie in Düsseldorf. Hier entstanden die großen Gemälde: die vier Jahreszeiten (in der Berliner Nationalgalerie), Germania auf der Wacht am Rhein, die Lurlei; der Entwurf zu einem Wandbild für die Schloßkapelle zu Weimar u. a. Viele dieser Arbeiten sowie sämtliche Studien von W. wurden bei dem Brande der Düsseldorfer Akademie im März 1872 vernichtet und mußten deshalb nochmals ausgeführt werden. 1877 erhielt W. den ersten Preis in der Konkurrenz um die Ausmalung des Kaisersaals in der Pfalz zu Goslar mit Gemälden aus der deutschen Kaisergeschichte und Sage, deren Ausführung ihn bis 1890 beschäftigt hat. Seine Bilder zeichnen sich durch edlen Stil, Schönheit der Formen und Linien, treffliche Zeichnung sowie gedankenreiche Komposition aus.