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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wolf

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Wolf (Tier etc.) - Wolf (Personenname).

und Belgien nach Ost- und Westpreußen, Posen, den Rheinlanden und Oberschlesien. Der W. bewohnt namentlich dichte Wälder, in Mitteleuropa nur die der Hochgebirge, im Süden die Steppe, in Spanien auch Getreidefelder, schweift weit umher, oft 6-10 Meilen in einer Nacht, lebt im Frühjahr und Sommer einzeln, zu zweien oder dreien, im Herbst in Familien, im Winter in mehr oder minder zahlreichen Meuten. Nur in einsamen Wäldern zeigt er sich bei Tage, in bevölkertern Gegenden wird er meist erst in der Dämmerung rege. Er ist ungemein blutdürstig, jagt Säugetiere, Vögel und allerlei Kleingetier, frißt aber auch Aas und Pflanzenstoffe, namentlich Obst. Dem Wildstand wird er sehr gefährlich, im Herbst u. Winter nähert er sich den Ortschaften, durchläuft Dörfer und selbst Städte, überfällt das weidende Vieh, jagt namentlich auch Hunde und wagt sich in Meuten selbst an Pferde und Rinder. Dabei würgt er viel mehr, als er fressen kann, und wird dadurch namentlich im Winter, wo ihm der Wald weniger bietet, zur Geißel für Hirten und Jagdbesitzer. Er frißt auch seinesgleichen. Den Menschen vermeidet er soviel wie möglich; ein Weib oder Kind greift er wohl an, aber an den Mann gehen in der Regel nur vom Hunger gepeinigte Meuten, nicht leicht einzelne Wölfe. Er zeigt ebenso große List, Schlauheit und Frechheit wie der Fuchs, und die Meute jagt planmäßig, indem ein Teil derselben die Beute verfolgt, der andre ihr den Weg zu verlegen sucht. Solange er nicht Hunger fühlt, ist er feig und furchtsam; vom Hunger gestachelt, wird er aber mutig, tollkühn und trotzt dann jedem Schreckmittel. Bei den Nomadenvölkern ist der W. der schlimmste aller Feinde und kann unter Umständen die Viehzucht geradezu unmöglich machen. Ein einziger W. richtete bei Schliersee und Tegernsee in neun Jahren einen Schaden von 8-10,000 Gulden an. Nach offiziellen, aber, wie Lasarewski nachweist, viel zu niedrigen Angaben werden von den Wölfen in Rußland jährlich 180,000 Stück Großvieh und 560,000 Stück Kleinvieh (ohne Federvieh), im Gouvernement Kasan allein 11,000 Gänse vernichtet. Über den Schaden, den der W. jährlich in Rußland verursacht, gibt eine Schrift Lasarewskis (im Auftrag des Ministeriums des Innern, Petersb. 1877) Auskunft. Die Ranzzeit währt von Ende Dezember bis Mitte Februar. Das Weibchen wirft nach einer Tragzeit von 63-64 Tagen an einem geschützten Platz im Wald 3-9, gewöhnlich 4-6 Junge, welche 21 Tage blind bleiben, sich ganz wie junge Hunde benehmen, bei Gefahr von der Mutter verschleppt werden und im dritten Jahr fortpflanzungsfähig sind. Daß der W. seine Jungen auffrißt, wo er sie findet, scheint nur bedingungsweise richtig zu sein, jedenfalls nehmen die ältern Wölfe sich ihrer an, nachdem sie die Wölfin ihnen zugeführt hat. Das Alter, welches der W. erreicht, beträgt etwa 12-15 Jahre. Mit dem Hund erzeugt der W. fruchtbare Bastarde, welche in der Regel mehr dem W. als dem Hund gleichen. Jung aufgezogene Wölfe werden sehr zahm und zeigen große Anhänglichkeit an den Herrn. Man jagt den W. überall, um ihn zu vertilgen, aber auch des Pelzes halber. Die meisten Wölfe werden gegenwärtig mit Strychnin getötet, indem man ein getötetes Schaf damit imprägniert und auf die bekannten Wechselstellen der Wölfe wirft. Die schönsten Felle kommen aus Schweden, Rußland, Polen, Frankreich und gelten um so mehr, je weißer sie sind. Die Haut wird auch gegerbt und zu Handschuhen, Pauken- und Trommelfellen benutzt. Das grobe Fleisch, welches selbst der Hund verschmäht, essen Kalmücken und Tungusen. Den Alten war der W. wohl bekannt, und schon damals sprach man von ungeheuerlichen oder gespenstischen Eigenschaften des Tiers. Dem Apollo waren W. und Rabe heilig. In der deutschen Mythologie werden dem Siegesgott zwei Wölfe und zwei Raben beigelegt, die als streitlustige, tapfere Tiere dem Kampfe folgen und sich auf die gefallenen Leichen stürzen. Loki verfolgte in Wolfsgestalt den Mond und drohte ihn zu verschlingen. Verschiedene Teile des Wolfs galten als heilkräftig. Schuhe aus Wolfsfell lassen die Kinder zu tapfern Männern erwachsen. Gewöhnlich zeigt sich der W. der Sage diabolisch, bald falsch und boshaft, bald als ein Narr. Die Nacht und der Winter sind die Zeit des Wolfs; geächtete Verbrecher trugen nach der Sage des Mittelalters ein caput lupinum. Der W. Ysengrin der Mythe besitzt viel von der diabolischen Verschlagenheit des Fuchses. Bastardsöhne des mythischen Wolfs leben in der bürgerlichen Gesellschaft, behalten aber ihre Wolfsgewohnheiten bei (vgl. Werwolf). - Die Spur des Wolfs hat Ähnlichkeit mit der eines großem Hundes, unterscheidet sich jedoch von derselben dadurch, daß sie länger ist, weil die beiden mittelsten Zehen merklich länger sind, auch dichter zusammenstehen als beim Hund. Außerdem schnürt der W. beim Traben genauer als dieser. Man erlegt ihn auf Treibjagen am sichersten, nachdem er vorher bei einer Neue fest eingespürt ist, und verlappt, wenn man Jagdzeug zur Verfügung hat, den Distrikt, in welchem er steckt, da er die Lappen sehr gut respektiert. Außerdem wird er auf der Schießhütte, durch Luder angekirrt, geschossen, auch im Tellereisen sowie im Schwanenhals und in Fallgruben gefangen.

Wolf, Volksausdruck für Wundsein an den Schenkeln, s. Afterfratt.

Wolf, eine in der Faserverarbeitung gebrauchte Maschine (s. Spinnen, S. 151, u. Papier, S. 674).

Wolf, 1) Christian, Freiherr von, berühmter Philosoph und Mathematiker, geb. 24. Jan. 1679 zu Breslau als Sohn eines Handwerkers, beschäftigte sich schon als Student der Theologie zu Jena viel mit Mathematik und Philosophie, insbesondere mit Cartesius' und Tschirnhaußens Schriften, zu dessen »Medicina mentis« er Erläuterungen schrieb, wodurch er mit Leibniz in Verbindung kam. Im J. 1703 in Leipzig für Mathematik und Philosophie habilitiert und durch den Einfall Karls XII. in Sachsen 1706 aus Leipzig vertrieben, erhielt er auf Leibniz' Empfehlung 1707 einen Ruf als Professor der Mathematik und Naturlehre an die Universität zu Halle. Durch seine mathematische Lehrmethode sowie durch die Deutlichkeit und Bestimmtheit der Begriffe und Lehrsätze in seinen Vorträgen fand seine Philosophie viele Anhänger, dagegen ward er von pietistischen Theologen bei der Regierung als Religionsverächter und »Determinist« denunziert, durch eine Kabinettsorder Friedrich Wilhelms I. vom 15. Nov. 1723 seiner Stelle entsetzt und ihm unter Androhung des Stranges befohlen, Halle in 24 Stunden und die preußischen Staaten in zwei Tagen zu verlassen. Als er trotzdem alsbald bei der Universität zu Marburg wieder eine Anstellung fand und der Prozeß wider seine Philosophie durch eine in Berlin eigens dazu niedergesetzte Kommission zu seiner völligen Genugthuung entschieden wurde, rief ihn Friedrich II., der selbst eine seiner Schriften ins Französische übersetzt hatte, nach seiner Thronbesteigung 1740 als Geheimrat, Vizekanzler der Universität und Professor des Natur- und Völkerrechts nach Halle zurück,