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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wolf

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Wolf (Friedrich August).

wo er 1743 zum Kanzler und 1745 vom Kurfürsten von Bayern während des Reichsvikariats in den Reichsfreiherrenstand erhoben wurde. Er starb 9. April 1754. Wolfs Verdienst besteht vornehmlich darin, daß seine streng mathematische Methode Ordnung, Licht und Gründlichkeit in das Ganze der Wissenschaft brachte. Seine Philosophie ist im wesentlichen eine Popularisierung der Leibnizschen, wodurch er aber zugleich den eigentlich metaphysischen Grundbegriffen derselben, namentlich der Leibnizschen Monadolgie, die Spitze abbrach. Bei dem damals sich regenden Pietismus war Wolfs Einfluß auf sein Zeitalter um so wohlthätiger. Auch um die deutsche Sprache erwarb er sich wesentliche Verdienste, indem er eigentlich zuerst ihren Reichtum für philosophische Begriffe entwickelte und rein und verständlich in derselben schrieb. Seine schriftstellerische Thätigkeit war ungemein groß. Er behandelte sämtliche mathematische und philosophische Wissenschaften in einer doppelten Reihe von Werken, einmal ausführlich in lateinischer Sprache, sodann kürzer in deutschen Lehrbüchern. Seine systematischen Werke über sämtliche Hauptteile der Philosophie betragen allein 22 Bände in Quart. Vgl. »Christ. Wolfs eigne Lebensbeschreibung« (hrsg. von Wuttke, Leipz. 1841); Ludovici, Ausführlicher Entwurf einer vollständigen Historie der Wolfschen Philosophie (das. 1737, 3 Bde.); Zeller, Wolfs Vertreibung aus Halle (»Vorträge und Abhandlungen«, 2. Aufl., das. 1875).

2) Friedrich August, der geniale Begründer der neuern Altertumswissenschaft, geb. 15. Febr. 1759 zu Haynrode bei Nordhausen, vorgebildet zu Nordhausen, studierte seit 1777 in Göttingen Philologie, ward 1779 Lehrer am Pädagogium in Ilfeld und begründete hier seinen Ruf durch Herausgabe von Platons »Gastmahl«, mit Anmerkungen und Einleitung in deutscher Sprache (Leipz. 1782; neue Aufl. von Stallbaum, 1828). Nachdem er 1782 nach Osterode am Harz als Rektor der Stadtschule gegangen war, wurde er infolge jenes Werkes 1783 Professor der Philosophie und Pädagogik in Halle, 1784 auch der Beredsamkeit. Hier entfaltete er eine wahrhaft großartige Wirksamkeit. Seine Hauptaufgabe fand er darin, den vaterländischen Schulen tüchtige und gründlich gebildete Lehrer heranzuziehen, von vornherein das Lehramt von dem des Geistlichen sondernd, und doch fällt in diese Zeit auch sein wissenschaftliches Hauptwerk, die »Prolegomena ad Homerum sive de operum Homericorum prisca et genuina forma variisque mutationibus et probabili ratione emendandi« (Bd. 1, Halle 1795, 1859; wiederholt mit Noten Bekkers, Berl. 1872 u. 1875). Indem sie zu begründen suchten, daß »Ilias« und »Odyssee« in ihrer gegenwärtigen Gestalt nicht das Werk Homers, sondern mehrerer Rhapsoden seien, teilten sie die gesamte Welt der Gebildeten in zwei streitende Lager und bildeten den Ausgangspunkt für die moderne kritische Richtung in der Litteraturforschung überhaupt (s. Homeros, S. 693). Die Äußerung mehrerer Gelehrten, unter andern Heynes, daß ihnen längst gleiche Gedanken vor der Seele geschwebt hätten, veranlaßte die geistreichen »Briefe an Heyne, eine Beilage zu den neuesten Untersuchungen über Homer« (Berl. 1797), von denen die drei ersten als treffliche Muster gelehrter Polemik und feiner Ironie betrachtet werden können. Nachdem er 1796 einen Ruf nach Leiden, 1798 nach Kopenhagen und 1805 nach München abgelehnt, wurde er 1805 zum Geheimrat ernannt. Nach Aufhebung der Halleschen Universität durch Napoleon ging er 1807 als Mitglied der Akademie der Wissenschaften nach Berlin, war 1809 kurze Zeit Mitglied der Sektion für den öffentlichen Unterricht im Ministerium des Innern und nahm dort an der Einrichtung der neuen Universität wesentlichen Anteil. Doch trat er in dieselbe nicht als ordentlicher Professor ein, sondern behielt sich als Akademiker nur das Recht zu freien Vorlesungen vor. Nach manchen Richtungen unzufrieden, hat er aber seine Hallesche Wirksamkeit nie mehr erreicht. Zur Wiederherstellung seiner angegriffenen Gesundheit unternahm er im April 1824 eine Reise nach dem südlichen Frankreich, wo er 8. Aug. d. J. in Marseille starb. Seine zahlreichen Schriften umfassen fast alle Zweige der Altertumswissenschaft. Von griechischen Schriften edierte er außer Platons »Symposion«: Hesiods »Theogonie« (Halle 1783), Homer (das. 1784-85, 4 Bde.; neue Rezension, das. 1804-1807, 4 Bde.; 2. Aufl. 1817; die »Ilias« auch das. 1794, 2 Bde., und als Anhang dazu die »Prolegomena ad Homerum«, das. 1795), von Lukian »Scripta selecta« (das. 1786), und »Libelli quidam selecti« (das. 1791), »Tetralogia dramatum graecorum« (das. 1787), Demosthenes' »Adversus Leptinem« (das. 1789; neue Ausg. von Bremi, Zürich 1831), Platons »Phädon« (das. 1790; vgl. »Zu Platons Phädon«, Berl. 1812) und »Dialogorum delectus« (mit klassischer lat. Übersetzung, das. 1812, ohne dieselbe 1820 u. 1827). Von Lateinern bearbeitete er Ciceros »Tuskulanen« (Leipz. 1792, 3. Aufl. 1825), »Orationes IV: Post reditum in senatu, Ad Quirites post reditum, Pro domo sua, De haruspicum responsis« (Berl. 1801) und »Pro Marcello« (das. 1802, die er ebenso wie die vier genannten für unecht erklärte) sowie den Sueton (Leipz. 1802, 4 Bde.). Als trefflicher Übersetzer bewährte er sich in der Ausgabe von Aristophanes' »Wolken« (Berl. 1812) und dem Anfang der »Acharner« (1-324, das. 1812) sowie von Horaz' erster Satire (das. 1813). Sonst veröffentlichte er: »Geschichte der römischen Litteratur als Grundriß« (Halle 1787), »Antiquitäten von Griechenland« (das. 1787) und an Sammelwerken: »Vermischte Schriften und Aufsätze« (das. 1802), »Museum der Altertumswissenschaft« (mit Buttmann, Berl. 1807-10, 2 Bde.), »Museum antiquitatis studiorum« (das. 1808-11, 2 Tle.), »Litterarische Analekten« (das. 1817-20, 4 Hefte). Auch gab er Murets »Variae lectiones« (Bd. 1, Halle 1791; Bd. 2 von Fäsi, 1828) und Reiz' »De prosodiae graecae accentus inclinatione« (Leipz. 1791) heraus. Nach seinem Tod erschienen, meist aus Kollegienheften entnommen, seine »Vorlesungen über die vier ersten Gesänge von Homers Ilias« (von Usteri, Bern 1830-31, 2 Bde.), seine Anmerkungen zu Ciceros »Quaestiones Tusculanae« (in der besondern Ausgabe derselben von Orelli, Zürich 1829) und zu Hesiods »Scutum Herculis« (in der Ausgabe von Ranke, Quedlinb. 1840); ferner die »Encyklopädie der Philologie« (von Stockmann und Berat, Leipz. 1830, 2. Ausg. 1845), die »Vorlesungen über die Altertumswissenschaft« (von Gürtler, das. 1831-35, 5 Bde.), die »Darstellung der Altertumswissenschaft« (von Hoffmann, das. 1833) und »Consilia scholastica« (von Föhlisch, Wertheim 1829 f., 2 Hefte). »Kleine Schriften« sammelte Bernhardy (Halle 1869, 2 Bde.). Aus dem Nachlaß veröffentlichte sein Schwiegersohn Körte die »Ideen über Erziehung, Schule und Universität« (Quedlinb. 1835). Sein wissenschaftlicher Nachlaß ist für die königliche Bibliothek in Berlin angekauft worden. Vgl. Körte, Leben und Studien F. A. Wolfs (Essen 1833, 2 Bde.); Arnoldt, F. A. Wolf in seinem Verhältnis zum