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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Wolgaisch-kalmückische Steppe; Wolgast; Wolgemut; Wolhynien

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Wolgaisch-kalmückische Steppe - Wolhynien.

Astrachan alle überschwemmt werden. Im Sommer entblößt die W. an unzähligen Stellen ihren Grund und bildet Sandinseln, welche nach der Überschwemmung nicht immer an derselben Stelle wieder erscheinen. Das Flußgerinne hat eine sehr verschiedene Tiefe und erreicht sogar 26 m. Das Wasser der W. ist Flußwasser von mittlerer Güte, nicht sehr hell, doch nicht ungesund und gut für die Fische, an denen die W. sehr reich ist. Sie bedeckt sich jährlich vom Ursprung bis zur Mündung mit haltbarem Eis, was infolge des Klimas an verschiedenen Orten zu verschiedener Zeit geschieht. Ungefähr 200 Tage im Jahr ist die W. eisfrei (in den Gouvernements Kostroma, Jaroslaw und Kasan sogar nur 152 Tage); doch ist sie bezüglich des Verkehrs die wichtigste Lebensader Rußlands. In den südlichen Gegenden bleiben seichte Stellen (Polynja) offen und rauchen; bedecken sie sich, so öffnen sich andre, weshalb die Winterwege mit Vorsicht gewählt werden müssen. Die W. führt alle Jahre immer mehr Sand mit sich und verschlämmt dadurch den Hafen bei Astrachan ungemein. Überhaupt bemerkt man an der ganzen W., daß sie von Jahr zu Jahr seichter wird. Die Schiffahrt auf der W. ist bedeutend. Regelmäßige Dampfschiffverbindungen werden von mehreren Wolga-Dampfschiffgesellschaften (Samoljot, Kawkas und Merkur, Wolga u. a.) unterhalten, so von Twer nach Rybinsk, von dort nach Nishnij Nowgorod, Kasan und Astrachan, von Nishnij Nowgorod auf der Kama nach Perm, auf der Ufa bis Ufa, auf der Oka bis Rjäsan und auf der Unsha bis Ugor. Der bequemste und lebhafteste Verkehr besteht zwischen Nishnij Nowgorod und Zarizyn. Unter den großartigen Kanalbauten zeichnen sich die drei Kanalsysteme von Wishne-Wolotschok, des Tichwin- und des Marienkanals (s. d.) besonders aus, welche die Verbindung mit Petersburg bewirken, während der Kanal des Herzogs von Württemberg die W. auch mit der Dwina in Verbindung setzt. Der schon unter Peter projektierte Kanal, welcher die W. mit dem Don (von Zarizyn bis Katschalinsk) in Verbindung setzen sollte, ist nicht zur Ausführung gekommen, dagegen durch eine Eisenbahn (Zarizyn-Kalatsch) ersetzt worden. Von großer Wichtigkeit ist die Fischerei, wie denn die W. vielleicht der fischreichste Strom der ganzen Erde ist. Bei Simbirsk beginnen die beständigen Fischereien, die sich am zahlreichsten unterhalb Astrachan, an den Mündungen und nächstdem an der Achtuba finden. Aus dem Kaspischen Meer drängt sich im Frühjahr eine so außerordentliche Menge Fische in die Flußmündungen, daß der Fischfang in dieser Zeit über 10,000 Fahrzeuge beschäftigt. Die häufigsten Fische sind: Hechte, Sandarte, Barben, Brachsen und Welse, Störe und Hausen, Sterlette und Sewrugen (Acipenser stellatus). In den Astrachanschen Fischereien werden jährlich über 100,000 Stück Hausen, über 300,000 Stück Störe, 1½ Mill. Sewrugen und dazu eine ungeheure Menge Sterlette, Karpfen, Sandarte und Welse gefangen. Die W. gilt den Russen als ein heiliger Strom und wird deshalb von ihnen fast stets »Mütterchen W.« genannt. Vgl. Müller, Stromsystem der W. (Berl. 1839); V. Ragosin, Die W. (russ. 1880); Roskoschny, Die W. und ihre Zuflüsse (Leipz. 1887); Lender, Die W. (Petersb. 1889).

Wolgaisch-kalmückische Steppe, große Steppe im südöstlichen Teil Rußlands, erstreckt sich vom Uralfluß bis zur Wolga und von der Samara bis zum Kaspischen Meer, ist waldlos, hat im allgemeinen magern, im S. salzigen Boden, große Sandflächen, doch auch einzelne fruchtbare Niederungen mit etwas Holz, mehrere Steppenflüsse und salzige Seen und wird von Kalmücken bewohnt. In der Umgegend von Zarizyn findet man Mammutsknochen, versteinerte Pferdeknochen, Haifischzähne etc.

Wolgast, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Stralsund, Kreis Greifswald, an der Peene, die hier einen Hafen bildet, und an der Linie Züssow-W. der Preußischen Staatsbahn, hat eine große evang. Kirche, 2 restaurierte Kapellen, ein Realprogymnasium, ein Amtsgericht, ein Hauptzollamt, eine Reichsbanknebenstelle, eine Stickereifabrik, Fabrikation von Tabak und Zigarren, Eisengießerei, Granitschleiferei, eine chemische und Zementfabrik, 2 Farbholz- und eine Dampfmahlmühle, Bautischlerei, Einfuhr von amerikan. Holz, Schiffbau, Schiffahrt und (1885) 7485 fast nur ev. Einwohner. 1886 liefen 84 beladene Schiffe von 15,139 Ton. ein, 46 von 6700 T. aus. W. erhielt 1257 Stadtrecht und wurde 1295 Residenz der Herzöge von Pommern-W. Die stark befestigte Stadt ward 1628 von Wallenstein, 1630 von den Schweden, 1637 von den Kaiserlichen, 1638 von den Schweden und 1675 von dem Großen Kurfürsten von Brandenburg erobert, 1713 von den Russen geplündert und eingeäschert. Am 28. Juli 1715 ward das Schloß von W. von den Schweden eingenommen, doch schon 31. Juli von den Preußen besetzt. Erst 1815 kam W. mit Neuvorpommern an Preußen.

Wolgemut, Michael, Maler, Hauptmeister der ältern fränkischen Schule, geb. 1434 zu Nürnberg, scheint sich in Flandern oder doch nach flandrischen Gemälden gebildet zu haben und gründete in Nürnberg, wo er zuerst 1473 urkundlich erwähnt wird, eine einflußreiche, vielbeschäftigte Malerwerkstätte, in die auch A. Dürer eintrat. Er starb 30. Nov. 1519 in Nürnberg. Aus Wolgemuts Atelier ging eine große Zahl von Schnitzaltären mit bemalten Flügeln hervor, welche zumeist handwerksmäßig mit Hilfe von Gesellen ausgeführt sind. Die hervorragendsten sind vier Flügel mit Darstellungen aus der Geschichte Christi von 1465 (in der Münchener Pinakothek), der Altar der Marienkirche zu Zwickau mit Szenen aus der Jugend und der Passion Christi und der Peringsdörffersche Altar in der Moritzkapelle zu Nürnberg mit acht männlichen und weiblichen Heiligen und Szenen aus der Legende des heil. Veit. Sein Hauptwerk sind die Gemälde in der Ratsstube zu Goslar, Szenen aus der Kindheit Christi an der Decke und Gestalten von Kaisern und Sibyllen an den Wänden. Er hat auch Bildnisse gemalt. Auch in seinen bessern, von ihm eigenhändig ausgeführten Gemälden erscheint er als ein den flandrischen Malern sowohl in der Feinheit der Ausführung als der Empfindung nachstehender Künstler; die Formen pflegen eckig zu sein, die Typen ziemlich einförmig und bisweilen von übertriebener Häßlichkeit. W. zeichnete auch für den Holzschnitt, unter anderm für die Illustrationen in der »Schedelschen Weltchronik« (Nürnb. 1493), die den Anstoß zur raschen Fortentwickelung dieser Kunst durch und unter A. Dürer gegeben haben. In Kupfer gestochen hat W. nicht. Vgl. Riehl, Die Gemälde Dürers und Wolgemuts in Reproduktionen (Nürnb. 1885 ff.).

Wolhynien, russ. Gouvernement, grenzt an die Gouvernements Grodno, Minsk, Kiew, Podolien, Lublin und Sjedlez, Österreichisch-Galizien (s. Karte »Polen und Westrußland«) und umfaßt 71,737 qkm (nach Strelbitsky 71,851 qkm [1304,9 QM.]). Das Land ist im nördlichen Teil durchgehends eben und in einzelnen Teilen sumpfig, wird im S. in verschiedenen Richtungen von Ausläufern der Karpathen