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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Württemberg

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Württemberg (Geschichte 1520-1770).

Kaiser Karl V. verkaufte, der 1530 seinen Bruder Ferdinand damit belehnte. Herzog Ulrich, der sich nach vergeblichen Versuchen, sein Land wiederzuerobern, nach Mömpelgard begeben hatte, wo er sich der Reformation anschloß, gewann 1534 den Beistand des Landgrafen Philipp von Hessen und machte durch seinen Sieg bei Lauffen (13. Mai) der österreichischen Herrschaft ein Ende; im Frieden von Kaaden (29. Juni 1534) mußte er freilich die österreichische Oberlehnshoheit anerkennen. Ulrich führte nun die Reformation in W. durch und förderte aus den Gütern der eingezogenen Klöster die Zwecke der Kirche und Schule. Von neuem gefährdete Ulrich seine Herrschaft durch seine Teilnahme am Schmalkaldischen Krieg: nach dem Rückzug der Verbündeten aus Süddeutschland ward W. von den Kaiserlichen besetzt und Ulrich im Heilbronner Vertrag 1547 nur unter drückenden Bedingungen, besonders der Annahme des Interim, zurückgegeben. Gleichwohl wegen seiner neuen Rebellion mit Absetzung bedroht, starb Ulrich 6. Nov. 1550.

Ulrichs Sohn Christoph (1550-68) wurde vom König Ferdinand unter den Bedingungen des Kaadener Vertrags als Herzog von W. anerkannt. Er vollendete die Reformation in W. und legte durch die »große Kirchenordnung« den Grund zum württembergischen Kirchen- und Schulwesen, für welches er hinreichende Einkünfte aus dem eingezogenen Kirchengut beschaffte. Auch führte er ein allgemeines Landrecht ein und bestimmte im Einvernehmen mit den Ständen, daß zur bessern Kontrolle des Finanzwesens aus der Landschaft der Kleinere und der Größere Ausschuß gebildet werden solle, welcher durch sein Selbstergänzungsrecht allmählich eine oligarchische Stellung errang und die Landschaft selbst in den Hintergrund drängte. Christophs Sohn Ludwig (1568-93), welcher die Konkordienformel einführte und das Collegium illustre, eine Anstalt zur wissenschaftlichen Ausbildung weltlicher Beamten, gründete (1592), starb kinderlos, und ihm folgte der einzige noch übrige Fürst des württembergischen Hauses, Friedrich I. (1593-1608), der Sohn des Grafen Georg von Mömpelgard, eines Bruders des Herzogs Ulrich. Derselbe erreichte es 1599, daß Kaiser Rudolf II. im Prager Vertrag gegen eine hohe Geldentschädigung W. aus einem österreichischen Lehen wieder zu einem Reichslehen machte. Er regierte fast unumschränkt und nötigte dem Landesausschuß durch die Furcht vor Gewaltstreichen die Bewilligung seiner bedeutenden Geldforderungen ab; doch die Aufhebung des Tübinger Vertrags und die Beseitigung der ständischen Rechte glückten ihm nicht. Sein Sohn Johann Friedrich (1608-28) mußte den Tübinger Vertrag in seinem vollen Umfang bestätigen und die Hinrichtung des Kanzlers Enslin, der verschiedener Rechtswidrigkeiten angeklagt wurde, 1613 zulassen. Obgleich Mitglied der Union, nahm Johann Friedrich am Dreißigjährigen Krieg nicht teil; dennoch hatte W. von den Durchzügen und Plünderungen der Truppen, namentlich der Wallensteinschen, viel zu leiden. Mitten im Krieg starb Johann Friedrich 18. Juli 1628 und hinterließ einen erst 14jährigen Sohn, Eberhard III., für den 1628-33 seine Oheime Ludwig Friedrich, dann Julius Friedrich die Vormundschaft führten. Gleich nachdem Eberhard die Regierung übernommen, trat er dem Heilbronner Bündnis bei und stellte Truppen zum schwedischen Heer, weswegen nach der Niederlage bei Nördlingen (1634) W. von den Kaiserlichen besetzt wurde und der Herzog nach Straßburg flüchten mußte, von wo er erst 1638 zurückkehrte. Im Westfälischen Frieden erhielt er sein ganzes Land wieder, aber entvölkert und verarmt. Bis zu seinem Tode (3. Juli 1674) war nun Eberhard bemüht, die Finanzwirtschaft und das Steuerwesen in erträglichen Zustand zu bringen, Kirche und Schule wieder einzurichten und den Wohlstand des Landes zu heben. Nach der kurzen Herrschaft seines Sohns Wilhelm Ludwig (1674-77) folgte dessen einjähriger Sohn Eberhard Ludwig, der bis 1693 unter der Vormundschaft seines Oheims Friedrich Karl stand. Unter ihm wurde W. wiederholt von Einfällen der Franzosen (1688, 1703 und 1707) heimgesucht. Der Herzog nahm 1699 flüchtige Waldenser in W. auf, um die Bevölkerung und den Wohlstand zu mehren. Nach dem Ende des spanischen Erbfolgekriegs richtete er aber einen glänzenden Hofhalt ein und vergeudete durch schwelgerische Festlichkeiten große Summen. Zu diesen Übelständen kam die Mätressenwirtschaft der Gräfin Grävenitz, der zuliebe der Herzog die neue Residenz Ludwigsburg erbaute. 1731 ward die Gräfin entfernt, und 31. Okt. 1733 starb Eberhard Ludwig. Sein Nachfolger war der Sohn seines Vormundes Friedrich Karl, Karl Alexander (1733-37), der in österreichischem Kriegsdienst zum Katholizismus übergetreten war und daher der besorgten Landschaft Religionsreversalien ausstellen mußte. Unter ihm trieb der Jude Süß Oppenheimer, zum Geheimen Finanzrat ernannt, ein schamloses Erpressungssystem. Schon hieß es, der Herzog wolle die Verfassung umstürzen, die Religionsreversalien zurücknehmen und dem Katholizismus freie Bahn öffnen, als er 12. März 1737 plötzlich starb.

Während der Minderjährigkeit seines ältesten Sohns, Karl Eugen, führte die vormundschaftliche Regierung zuerst Herzog Karl Rudolf von W.-Neuenstadt, welcher den Juden Süß henken ließ, von 1738 an Herzog Friedrich Karl von W.-Öls. 1744 wurde Karl Eugen vom Kaiser für volljährig erklärt und übernahm selbst die Regierung. Bald stürzte er sich in einen Strudel von sinnlichen Genüssen, entfaltete einen ungeheuern Luxus in Festen, Theatern etc. und baute mit großer Pracht und enormen Kosten das neue Schloß in Stuttgart sowie die Schlösser Solitüde und Hohenheim. Gleichzeitig nahm er am Siebenjährigen Kriege gegen Preußen teil. Allerdings zahlte Frankreich bedeutende Hilfsgelder; dennoch verschlang das übermäßig große Heer bedeutende Summen aus Landesmitteln und errang in dem im evangelischen W. nicht gebilligten Kampf gegen das protestantische Preußen nicht einmal kriegerische Erfolge, indem es sich bei Leuthen und Fulda schmählich besiegen ließ. Die nötigen Gelder verschaffte sich der Herzog durch verfassungswidrige Mittel, namentlich einen schamlosen Ämterhandel, und suchte in Gemeinschaft mit seinem obersten Minister, Grafen Montmartin, und dem Kriegsrat Rieger die Rechte der Landschaft zu unterdrücken; den Konsulenten derselben, J. J. ^[Johann Jacob] Moser, warf er ins Gefängnis. Die Landschaft beschwerte sich wiederholt beim Kaiser; aber erst nach siebenjährigen Verhandlungen wurde 27. Febr. 1770 der sogen. Erbvergleich geschlossen, durch welchen die alten Landesverträge und das Steuerbewilligungsrecht der Stände bestätigt und die Abstellung der eingerissenen Mißbräuche versprochen wurde. Zwar erfüllte der Herzog nicht alle Versprechungen und beging noch manche Willkürakte, wie die Verhaftung des Dichters Schubart und den Verkauf von 2000 Soldaten an Holland; aber bei zunehmendem Alter und unter dem Einfluß seiner zweiten Gemahlin, Franziska von Hohenheim, wendete er sich edlern Zielen zu und suchte durch Pflege der Wissenschaften