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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Zigarren

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Zigarren.

meist aus einer geringern Sorte, aus nicht zu Deckblättern tauglichem Tabak und Abfällen vom Schneiden des Deckblattes angefertigt wird. Der sortierte Tabak wird in feuchten Kellern ausgebreitet oder mit Wasser befeuchtet und übereinander geschichtet, damit er gleichmäßig mild und weich wird; dann werden die Blätter von den Hauptrippen befreit, die zum Deckblatt bestimmten glatt übereinander gelegt und gepreßt. Schwachrippige Blätter können ohne weiteres zum Umblatt benutzt werden. Der zur Einlage bestimmte Tabak wird dann wieder sorgfältig getrocknet, während die Decken aus feuchten Blättern geschnitten werden müssen. Beliebte Kombinationen sind zur Zeit Brasileinlage mit Ambalema-, Seadleaf- oder Carmendecker, Manila-, Java- oder Sumatradecker mit Havana-, Cuba- oder Felix-Brasileinlage. Für die billigern Zigarrensorten verwendet man vorzüglich Deckerabfälle als Einlage und verarbeitet sie mit entsprechenden Umblatttabaken, während als Decker Domingo, kolumbische Sorten, ordinäre Java und deutsche Tabake benutzt werden. Bei der Anfertigung der Z. nimmt der Wickelmacher so viel Einlage, wie zu einer Zigarre nötig ist, in die linke Hand, ordnet das Material ein wenig und legt das Bündelchen auf das Umblatt, wickelt dies darum und rollt den Wickel mit der flachen Hand einigemal auf dem Tisch hin und her, um ihm einige Festigkeit zu geben. Der Zigarrenmacher rollt schließlich das Deckblatt um die Zigarre und hat darauf zu achten, daß die Rippen der Blätter sich möglichst der Länge nach an die Zigarre anlegen. Die Spitze wird mit besonderer Sorgfalt gedreht und erhält durch einen aus Stärkemehl und Zichorien bestehenden Klebstoff die nötige Festigkeit. Zigarrenwickelmaschinen konnten bisher nur für ordinäre, höchstens Mittelware Anwendung finden. Die Zigarrenwickel, welche bisher von den Wickelmädchen durch Rollen fertig gemacht wurden, vollendet man jetzt häufig durch Pressen und Erwärmen in zweiteiligen Formkasten, welche gewöhnlich 20 Wickel fassen, mit einer Schraubenpresse zusammengepreßt und 24 Stunden auf 35-40° R. erwärmt werden. Die meisten der so zugerichteten Wickel können schon in diesem Zustand geraucht werden; sie brauchen weniger Lager, und bei der Fabrikation wird Tabak erspart. Die Z., welche infolge zu fester Wickelung keine Luft haben, quetscht man zwischen zwei Brettchen oder mit einer kleinen Maschine, bei welcher die Z. durch zwei Paar sich drehende, horizontal liegende Walzen, deren Achsen rechtwinkelig gegeneinander gerichtet sind, hindurchgehen. Die Benennung der Zigarrenfaçon wird meist aus dem Spanischen entlehnt: Imperiales, Regalia, Trabucos, Panatelas, Conchas, Comunes, Londres, Entre actos, Virginia (namentlich in Italien und Österreich, mit einem Strohhalm im Innern, den man vor dem Rauchen entfernt; ähnlich die Veveyzigarren in der Schweiz) etc. Nach der Färbung bezeichnet man die Sorten mit: amarillo, colorado claro, colorado, maduro, oscuro, denen die englischen Bezeichnungen: yellow, lightbrown, superfine brown, fine brown, brown entsprechen. Die fertigen Z. werden getrocknet, sorgfältig sortiert und dann verpackt. Sie gewinnen durch Ablagern infolge einer Nachgärung, und wenn man sie in einem luftdicht verschließbaren Kasten aufbewahrt, in welchem gleichzeitig, von den Z. sorgfältig getrennt, gebrannter Kalk oder Chlorcalcium liegt. Der Kalk zerfällt allmählich zu Pulver, und das Chlorcalcium zerfließt, worauf das Material erneuert werden muß. Bei zu schnellem Trocknen oder zu langem Lagern verlieren die Z. an Aroma. Die gelben Flecke, welche häufig als Zeichen besonderer Güte der Havanazigarren angesehen worden sind, sollen durch schnelles Trocknen von Tautropfen in der Sonnenglut entstehen und stehen dann natürlich in keinem Zusammenhang mit der Güte der Z. Man ahmt sie nach durch Besprengen mit Salpetersäure, aber die mürben Flecke, welche die letztere hervorbringt, sind leicht von den echten zu unterscheiden. Die Zigarretten (Cigarrettas) bestehen aus sehr fein geschnittenem Tabak, welcher in ungeleimtes, sehr dünnes Papier gewickelt wird.

Von den zahlreichen Sorten nehmen die in der Havana fabrizierten Z. die erste Stelle ein. Sie werden aus einem vorzüglichen Rohmaterial nach einem von dem unsrigen in manchen Punkten abweichenden Verfahren höchst sorgfältig hergestellt. Man ist nicht imstande, bei uns aus importiertem Havanatabak gleich gute Z. herzustellen, und man sucht den Grund teils in der Annahme, daß ein so vorzüglicher Tabak, wie er in der Havana verarbeitet wird, überhaupt nicht zur Ausfuhr gelange, teils in der Fermentation, welche der Tabak auf der langen Seereise erleidet, teils aber auch in dem minder sorgfältigen europäischen Verfahren. Der Tabak fermentiert zuerst nach dem Schnitt in Haufen und dann nach der Verpackung in Seronen. Die kräftigen, schweren Sorten läßt man bisweilen acht Monate liegen, ehe sie verarbeitet werden. Die Einlage wird feucht entrippt, in Zugluft etwas abgetrocknet und dann recht fest in Fässer verpackt, in welchen sie, mit Stengeln bedeckt, 3-6 Monate liegen bleibt. Diesem Verfahren soll der Tabak vor allem den angenehmen und aromatischen Geschmack verdanken. Er wird einen Tag vor der Verarbeitung aus den Fässern genommen und im Schatten abgetrocknet. Da aber die Einlage gewöhnlich von geringer Qualität ist, so läßt man das Wasser, in welches sie eingetaucht wird, einige Zeit mit sehr kräftigen Stengeln stehen und gießt dann 1-2 Flaschen sehr starken Wein hinzu. Die vorzüglichsten Havanazigarren sind etwa: Regalia Imperiales, große Z. vom schönsten Deckblatt (Arbeitslohn 12-15 Doll. pro Mille); Cazadores Imperiales, etwas schlanker und dünner; Caballeros Imperiales und Panetelas Imperiales, noch schlanker und dünner; Trabucos, kleine, in der Mitte dicke, an beiden Seiten spitz zulaufende Z.; Londres, kleine, leichte Z.; Millares comunes, die gangbarste Sorte aus dunkeln Blättern von schlechter, unegaler Farbe, erhalten durch Pressen ein besseres Ansehen, sind sehr kräftig und aromatisch; Vegueros, Pflanzer- oder Landzigarren, aus den schönsten, kräftigsten Blättern von den Pflanzern selbst verfertigt, aber auch in viel geringerer Güte in der Havana nachgeahmt. Von dem besten Tabak erntet man selbst in guten Jahren nur 1 Proz. des Gesamtertrags; dazu gewinnt man 8 Proz. erster Qualität mit einigen Fehlern, 12 Proz. Secunda, 20 Proz. Tertia etc. Seit langem werden aber auf Cuba Havanazigarren aus allen möglichen Sorten importierter Tabake hergestellt, und die Quantität dieser Imitation soll die der echten noch um ein Beträchtliches übersteigen. Bei uns benutzt man Havanablätter als Deckblatt und nimmt dazu als Einlage feinen Rollenkanaster, Havana, Cuba, Puerto Rico, Brasil oder Maryland; man verarbeitet aber auch Havana als Einlage und deckt mit Puerto Rico oder Domingo. Auf diese Weise entstehen ungemein zahlreiche Sorten, die mit sehr willkürlich gewählten Namen bezeichnet werden. Die Havanasorten Silva, Ugues, Upmann, Cabannas, Dos Amigos sind nach den Firmen der bedeutendsten Fabriken benannt. Die