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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Arbeiterwohnungen

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Arbeiterversicherung - Arbeiterwohnungen

Ausschuß gebildet, welcher aus einer gleichen Anzahl (mindestens 5) Vertretern der Arbeitgeber und der Versicherten besteht. Durch das Statut kann die Bildung eines Aufsichtsrats angeordnet werden. Ein Aufsichtsrat muß gebildet werden, wenn nach dem Statut dem Vorstand Vertreter der Arbeitgeber und Versicherten nicht angehören. Der Aufsichtsrat hat die Geschäftsführung des Vorstandes zu überwachen und die ihm durch das Statut außerdem übertragenen Obliegenheiten zu erfüllen. Für den Bezirk jeder Anstalt wird zur Wahrung der Interessen der übrigen Anstalten und des Reichs von der Landesregierung im Einvernehmen mit dem Reichskanzler ein Staatskommissar bestellt.

III. Schiedsgerichte. Für den Bezirk jeder Anstalt wird mindestens ein Schiedsgericht bestellt, welches aus einem Vorsitzenden und mindestens vier Beisitzern besteht. Letztere werden von dem Ausschuß und zwar zu gleichen Teilen von den Arbeitgebern und den Versicherten gewählt.

IV. Verfahren. Ansprüche auf Renten sind bei der untern zuständigen Verwaltungsbehörde anzumelden. Gegen den Bescheid derselben findet Berufung an das Schiedsgericht statt. Ist die Rente anerkannt und festgestellt, so ist dem Rechnungsbüreau des Reichsversicherungsamtes Mitteilung zu machen, welches die Renten auf das Reich und die beteiligten Versicherungsanstalten nach Maßgabe der Quittungskarten verteilt. Die Auszahlung der Renten wird dann vorschußweise durch die Postverwaltungen bewirkt. Die Höhe der wöchentlichen Beitrage stellt sich vorbehaltlich anderweitiger Festsetzung für die erste Beitragsperiode (nächsten 10 Jahre) in jeder Anstalt

^[Liste]

in der Lohnklasse I auf 14 Pfennig,

" " " II " 20 "

" " " III " 24 "

" " " IV " 30 "

Die Beiträge entrichtet der Arbeitgeber, welcher berechtigt ist, die Hälfte derselben bei der Lohnzahlung in Abzug zu bringen. Hierbei hat er sich der Marken zu bedienen, welche die Versicherungsanstalten für die verschiedenen Lohnklassen ihrer Bezirke mit Bezeichnung ihres Geldwertes ausgeben werden, indem er einen entsprechenden Betrag von Marken in die Quittungskarte des Versicherten einklebt. Jede Quittungskarte bietet Raum zur Aufnahme der Marken für 47 Beitragswochen. Die Eintragung eines Urteils über die Führung oder die Leistungen des Inhabers sowie sonstige durch das Gesetz nicht vorgesehene Eintragungen oder Vermerke in oder an der Quittungskarte sind unzulässig. Quittungskarten, in welchen derartige Vermerke oder Eintragungen sich vorfinden, sind von jeder Behörde, welcher sie zugehen, einzubehalten und durch neue zu ersetzen. Dem Arbeitgeber sowie Dritten ist untersagt, die Quittungskarte nach Einklebung der Marken wider den Willen des Inhabers zurückzubehalten. Personen, welche aus dem Versicherungsverhältnis ausscheiden, sind berechtigt, dasselbe freiwillig dadurch fortzusetzen, bez. zu erneuern, daß sie die für die Lohnklasse II ihres Aufenthaltsorts festgesetzten Beiträge entrichten und gleichzeitig für jede Woche freiwilliger Veitragsleistung eine Zusatzmarke beibringen. Auch die Personen (Betriebsunternehmer), welche sich freiwillig selbst versichern, haben außer den vollen Beiträgen in Marken für jede Woche der Selbstversicherung eine Zusatzmarke beizubringen. Der Nennwert dieser Zusatzmarken beträgt 8 Pfennig.

V. Aufsicht. Die Versicherungsanstalten unterliegen in Bezug auf Befolgung des Gesetzes der Beaufsichtigung durch das Reichsversicherungsamt. In denjenigen Bundesstaaten, in welchen Landesversicherungsämter errichtet sind, übt das Landesversicherungsamt die Aufsicht über solche Versicherungsanstalten aus, welche sich nicht über das Gebiet des Bundesstaats hinaus erstrecken.

VI. Von den Strafbestimmungen seien hier nur erwähnt, daß unzulässige Eintragungen oder Vermerke in Quittungskarten mit Geldstrafe bis zu 2000 Mk. oder mit Gefängnis (Haft bei mildernden Umständen) bis zu sechs Monaten bedroht werden. Organe der Versicherungsanstalten sowie die das Aufsichtsrecht über dieselben ausübenden Beamten werden auf Antrag mit Geld bis zu 1500 Mk. oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft, wenn sie unbefugt Betriebsgeheimnisse offenbaren, welche kraft ihres Amtes zu ihrer Kenntnis gelangt sind. Absichtliche Offenbarung zum Nachteil der Betriebsunternehmer sowie Nachahmung werden mit Gefängnis bedroht, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann. Hierzu kann Geldstrafe bis zu 3000 Mk. treten, wenn die Absicht darauf gerichtet ist, sich oder einem andern einen Vermögensvorteil zu verschaffen.

Bei einem Versicherungsbestand von jährlich 11 Mill. Personen wird der auf 50 Mk. jährlich zu jeder Rente festgesetzte Reichszuschuß sich im ganzen belaufen

^[Liste]

im 1. Versicherungsjahr auf 6,4 Mill. Mk.

" 2. " " 11,7 " "

" 7. " " 18,0 " "

" 10. " " 30,7 " "

" 15. " " 45,0 " "

" 20. " " 53,0 " "

" 80. " " 69,0 " "

Die Witwen- und Waisenversorgung für den Arbeiterstand wurde vorerst noch nicht in Angriff genommen, jedoch allgemein als nötig anerkannt. Dieselbe würde höhere Lasten in Anspruch nehmen als die Versicherung von alten und invaliden Arbeitern. Vgl. v. Woedtke, Das Reichsgesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung (Berl. 1889); Gebhard u. Geibel, Führer durch das Gesetz, betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung (Altenb. 1889); Pfafferoth, Führer durch die gesamte A. (Verl. 1889).

Arbeiterwohnungen. Nach einem neuen belgischen Gesetz über A. wird in jedem Kreis mindestens Ein ^[richtig : ein] Ausschuß eingesetzt, dessen Mitglieder auf drei Jahre teils von der Zentralregierung, teils von dem ständigen Ausschuß des Provinzialrats ernannt werden mit der Aufgabe, die Anlage von A. zu fördern und die Überlassung derselben gegen jährliche Abzahlungen zu vermitteln, die Wohnungsverhältnisse der arbeitenden Klassen fortlaufend zu untersuchen, den Sparsinn und die Beteiligung bei Hilfskassen anzuregen, für Ordnung, Reinlichkeit und Sparsinn Preise auszuschreiben, den Behörden Maßregeln vorzuschlagen, über seine Wirksamkeit dem Minister für Gewerbe jährlich Bericht zu erstatten, bei Massenenteignungen in den von den arbeitenden Klassen bewohnten Stadtvierteln ein Gutachten über den Verkauf der freigelegten Plätze abzugeben. Die Ausschüsse erhalten insofern beschränkte zivilrechtliche Persönlichkeit, als sie Geschenke an beweglichem Gut und Zuschüsse der Behörden annehmen dürfen. Die königliche Spar- und Alterskasse ist ermächtigt, nach eingeholtem Gutachten der Ausschüsse zu gunsten der Anlage und des Ankaufs von A. Gelder auszuleihen unter den vom Finanzminister zu genehmigenden