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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Baupolizei (Baupläne, Baugrund, Kellerwohnungen, Zimmerhöhe etc.)

Sache der Behörde, welche die volle Verantwortlichkeit trägt. Die Baupolizeiordnungen enthalten daher keine Vorschriften über Aufstellung von Bebauungsplänen, und die betreffenden Gesetze beschäftigen sich nur mit dem rechtlichen und formalen, nicht mit dem technischen Teil der Frage, für welchen allgemein gültige Grundsätze bis jetzt kaum existieren. In großen Städten überwiegen die Rücksichten auf den Verkehr so außerordentlich, daß neben denen auf Ökonomie, Sicherheit und Schönheit für die Gesundheitspflege in der Regel nicht viel übrigbleibt. Die Bauquartiere sollten in großen Städten möglichst klein sein, da das Hinterland doch nur zur Errichtung von Gebäuden benutzt wird und bei der üblichen geschlossenen Bauweise selbst die größten Höfe weniger Luftwechsel haben als die engsten Straßen, auch die Gebäudefronten an Straßen viel mehr von der Sonne beschienen werden als die auf den Höfen, welche von den im Winkel anstoßenden Gebäuden beschattet werden. Die kaum 1 m breiten Zwischenräume zwischen je zwei Häusern, die man in alten Städten findet, werden gegenwärtig wegen ihrer Feuergefährlichkeit und der Reinlichkeit halber nicht mehr geduldet. Die großen Städte haben durchweg die geschlossene Bauweise angenommen, und nur an den Peripherien findet sich noch die offene, bei welcher zwischen je zwei Häusern ein meist sehr reichlich bemessener Zwischenraum bleibt, der den Höfen frische Luft zuführt. Erzwingen läßt sich diese Bauweise ohne sehr große Härte gegen die Grundbesitzer nicht. Die Richtungslinie der Straßen mit Rücksicht auf die Sonnenstrahlen läßt sich kaum bestimmen, und bei der allgemein üblichen Anlage von Seiten- und Quergebäuden hat das auch wenig Bedeutung. Für die Beleuchtung der Vorderzimmer ist die nordsüdliche Richtung am vorteilhaftesten, für eine möglichst gleichmäßige Verteilung des Lichts aber die Richtung von NW. nach SO. oder von NO. nach SW. Straßen, die von W. nach O. verlaufen, sollten vermieden oder wenigstens breiter angelegt werden als andre Straßen. Im Interesse der Feuersicherheit fordern die Bauordnungen, daß jedes Grundstück, sofern es nicht an eine öffentliche Wasserleitung angeschlossen ist, einen eignen Brunnen besitze. In Bezug auf die Güte des Wassers beschränkt sich die Polizei darauf, die Benutzung von Brunnen mit gesundheitsschädlichem Wasser zu untersagen und die Verunreinigung von Grund und Boden nach Möglichkeit zu verhindern. Sie verbietet daher Abtrittsgruben gänzlich oder fordert wenigstens, dan die Gruben undurchlässig seien (was sich auf die Dauer doch nicht kontrollieren läßt). Versitzgruben dürfen nicht geduldet werden. Gesundheitsschädliche Abfälle aus Fabriken sind so zu beseitigen, daß weder Grund und Boden noch die Luft oder die öffentlichen Wasserläufe verunreinigt werden. Die Abwässer (s. d., Bd. 17) und die Meteorwässer dürfen nur in kleinen Städten in offenen Rinnsteinen mit gutem Gefälle und quter Spülung abgeleitet werden. Für größere Städte ist ein Netz unterirdischer Röhren (Kanalisation) anzuwenden, in welches vorteilhaft auch die Exkremente eingeleitet werden, da hierdurch eine Steigerung der Kosten kaum verursacht wird.

Für die Salubrität eines Gebäudes ist die Reinheit des Baugrundes von großer Bedeutung. Ist der Boden start verunreinigt, so sollte er durch reinen ersetzt oder die ganze Fläche, auf welcher sich das Gebäude erhebt, durch eine Betonschicht od. dgl. isoliert werden. Dies ist namentlich, auch bei reinem Boden, wichtig für ein nicht unterkellertes Gebäude. In der Regel verlangt die B. nur, daß der Fußboden von bewohnten Kellergeschossen um etwa 30-50 cm über dem höchsten bekannten Grundwasserstand liegt; indes liegt es im Interesse des Bauherrn selbst, bei jedem Bau, dessen Fundamente vom Grundwasser erreicht werden können die Mauern durch horizontale Isolierschichten (Asphalt) gegen aufsteigende Feuchtigkeit und durch vertikale Isoliermauern zugleich gegen das von oben eindringende Niederschlagswasser zu sichern. Feuchtigkeit der Wände hindert die Ventilation und macht die Luft in den geschlossenen Räumen feucht und kalt, so daß namentlich bei Armut der Bewohner nachhaltige Krankheiten entstehen können. Dies gilt besonders für Kellerwohnungen, deren Wände ohnehin zum Teil, weil sie in der Erde stecken, nicht ventilieren, und bei denen die Fensterfläche eine erheblich geringere zu sein pflegt als in den Räumen der obern Geschosse. In sanitätspolizeilichem Interesse sind Wohnungen, deren Fußboden niedriger liegt als das umgebende Terrain, zu verbieten; da eine solche Maßregel aber nicht überall durchzuführen ist, so sollten wenigstens Maßregeln ergriffen werden, um die Nachteile der Kellerwohnungen möglichst zu vermindern. Dies geschieht durch Isolierung des Fußbodens und der Mauern, durch die Forderung, daß ein möglichst großer Teil (mindestens zwei Drittel) der Kellerhöhe über dem Terrain liegt, und daß die Räume ausreichende Höhe und Fensterfläche erhalten. Isoliert man die Außenmauer von Kellerwohnungen mittels eines Luftraums (Lichtgrabens), dessen Tiefe mindestens den Kellerboden erreicht, und dessen Breite mindestens dem Höhenabstand zwischen Terrain und Kellerboden gleichkommt, so hören die Wohnungen auf, Kellerwohnungen zu sein. Für Straßenfronten ist solche Konstruktion freilich nicht durchführbar, wohl aber für Hoffronten, wo sie überdies viel wichtiger ist. Im übrigen ist die Schädlichkeit der Kellerwohnungen von der Lage zur Himmelsrichtung und zur Umgebung abhängig; doch handelt es sich hier so sehr um besondere lokale Verhältnisse, daß kaum allgemeine Bestimmungen zu geben sind. Man kann fordern, daß Kellerwohnungen nur in Hauptgebäuden und in solchen Räumen angelegt werden, welche nach O., S. oder W. gelegen sind, und welchen die Zuführung des Lichts in einem Winkel von 45° gewahrt ist; besser noch wären Kellerwohnungen nur nach der Straße hinaus oder nach ganz freien Höfen zu gestatten.

Die Höhe der zu bewohnenden Räume richtet sich nach der Lage und nach der Anzahl von Personen, denen der Raum zum regelmäßigen Aufenthalt dienen soll. Als Minimalhöhe kann man 2,5 m im Lichten (zwischen Fußboden und Decke) ansehen, und ein geringeres Maß sollte für Keller, Dachwohnungen und Hängeböden nicht gestattet sein. Letztere sollten als Aufenthalts- oder Schlafräume gar nicht geduldet werden, am wenigsten, wenn sie nicht einmal direkt ins Freie führende Fenster besitzen. Über Zahl und Größe der Fenster lassen sich keine allgemeinen Bestimmungen geben. Nur ist selbstverständlich zu fordern, daß jeder zum Wohnen und Schlafen bestimmte Raum wenigstens ein direkt ins Freie führendes und zum Öffnen eingerichtetes Fenster besitze. Vom hygienischen Standpunkt erfordern die untern Geschosse, zumal der Keller, mehr Fensterfläche als die obern. Zu ausreichender Beleuchtung ist erforderlich, daß für je 30 oder doch für je 40 cbm Zimmerraun 1 qm freie, zum Öffnen eingerichtete Fensterfläche vorhanden sei. Im Interesse der Ven-^[folgende Seite]