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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Bier (Hygienisches, chemische Analyse)

schen Gewicht dieser Flüssigkeit läßt sich der Extraktgehalt ermitteln. Die Kohlensäure, welche einen so wesentlichen Einfluß auf den Geschmack und die Haltbarkeit des Biers besitzt, ermittelt man in der Weise, daß man eine gewogene Menge B. erwärmt und die entweichenden Gase durch einen Absorptionsapparat leitet, welcher die Kohlensäure zurückhält. Schulze u. Langer haben einen hierzu geeigneten Apparat konstruiert. Man kann auch einen kohlensäurefreien Luftstrom durch das B. und dann durch Barytwasser leiten und durch Wägung des gefällten kohlensauren Baryts oder durch Titrieren des Barytwassers die Kohlensäure bestimmen. Den Zucker (Maltose) bestimmt man im verdünnten B. mit Fehlingscher Lösung. Kocht man das B. mit Salzsäure am Rückflußkühler, so wird das Dextrin und die Maltose in Dextrose (Traubenzucker) verwandelt. Bestimmt man letztere mit Fehlingscher Lösung, zieht den der Maltose entsprechenden Teil ab (19 Maltose = 20 Dextrose) und multipliziert den Rest mit 0,9, so erhält man den Dextringehalt des Biers. Die Summe der stickstoffhaltigen Bestandteile des Biers erfährt man durch Verdampfen von 10-20 ccm B. im Hofmeisterschen Glasschälchen und Verbrennen des trocknen Rückstandes mit Natronkalk. Durch Multiplikation des gefundenen Stickstoffs mit 6,25 berechnet man den entsprechenden Gehalt an Eiweißkörpern, erhält aber eine zu hohe Zahl, weil neben den Eiweißkörpern in vorwiegendem Maß von diesen sich ableitende stickstoffhaltige Zersetzungsprodukte im B. vorhanden sind. Durch Verbrennen von trocknem Verdampfungsrückstand im Plannschälchen bei möglichst niedriger Temperatur ermittelt man den Aschengehalt des Biers, während die Phosphorsäure in dem mit Knochenkohle entfärbten V. durch Titrieren mit Uranlönmg bestimmt wird. Man hat vielfach angenommen, daß man aus niedrigem Phosphorsäuregehalt des Biers auf Verwendung von Surrogaten (Stärkezucker etc.) schließen könne; der Phosphorsäuregehalt der Rohmaterialien ist aber ein so schwankender, daß sichere Anhaltspunkte zur Beurteilung des Biers aus dessen Gehalt an Phosphorsäure nicht gewonnen werden können. Normales B. reagiert sauer und enthält innerhalb enger Grenzen schwankende Mengen von Milchsäure und Bernsteinsäure, dagegen nur Spuren von Essigsäure, deren Menge aber "mit dem Alter des Biers und dem Eintritt des Verderbens schnell zunimmt. Man neutralisiert 100 ccm in B. mit Normalalkalilauge und multipliziert die verbrauchten Kubikzentimeter mit 0,?9, indem man die Säure als Milchsäure berechnet. Die Zahl, welche das Verhältnis der Milchsäure zum Extraktgehalt ausdrückt, ist der Aciditätsquotient, das Verhältnis selbst heißt Relation. Dieselbe soll für Schankbiere höchstens 2, für Lagerbiere höchstens 4 betragen. Um Essigsäuregehalt nachzuweisen, destilliert man das B. unter Zusatz von etwas Phosphorsäure. Der qualitative Nachweis im Destillat genügt, um ein Verdorbensein des Biers festzustellen. Die Farbe des Biers bestimmt man mit dem Stammerschen Farbmaß, die Vollmundigkeit mit dem Viskosimeter. Von den Bierverfälschungen steht der Stärkezucker in erster Reihe. Unterwirft man B. der Dialyse, so geht ein nicht vergärbarer Bestandteil des Stärkezuckers, das Amylin, durch das Pergamentpapier, und wenn man das Dialysat verdampft, entfärbt und zur Beseitigung von Zucker mit Hefe vergären läßt, so kann man im Filtrat das rechts polarisierende Amylin nachweisen. Ein hoher Alkoholgehalt bei sehr niedrigem Extraktgehalt läßt mit nahezu gleicher Sicherheit auf

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Stärkezucker schließen. Glycerin findet sich auch im normalen B., ein Gehalt von mehr als 0,3 Proz. deutet aber auf Zusatz von Glycerin. Um dasselbe zu bestimmen, verdampft man B. zum Sirup, dann unter Zusatz von Ätzkalk und Sand zur Trockne, extrahiert mit Alkohol, mischt die Lösung mit dem gleichen Volumen Äther, filtriert noch einige Stunden und verdampft vorsichtig bis zur Konstanz des Gewichts. Häufig wird B. mit Bierkouleur gefärbt; es gibt dann gelben Schaum, und wenn man es mit schwefelsaurem Ammoniak sättigt u. mit dem gleichen Volumen Alkohol schüttelt, so erscheint die wässerige Schicht bei reinem B. wenig gefärbt, bei Anwendung von Bierkouleur dunkel. Saure Biere werden durch Zusatz von doppeltkohlensaurem Natron oder Pottasche entsäuert und zeigen dann sehr hohen Aschengehalt. Weißbier versetzt man bisweilen mit Schwefelsäure, um ihm einen pikanten Geschmack zu geben. Dampft man 0,5 Lit. solchen Biers auf 100 ccm ein, filtriert und hängt 24 Stunden einen Streifen Filtrierpapier hinein, so färbt sich derselbe nach dem Trocknen bei 100° an den Rändern schwarz. Gelegentlich ist eine Verfälschung des Biers mit Süßholz oder Lakritzen vorgekommen. Man erkennt dieselbe durch Fällen des konzentrierten Biers mit Bleizucker, Erhitzen des Niederschlags, Zersetzen desselben mit Schwefelwasserstoff und Auskochen des ausgewaschenen Schwefelbleies mit Alkohol. Beim Verdampfen der alkoholischen Lösung, Versetzen mit Ammoniak und Eintrocknen bleibt ein Rückstand, dessen Lösung beim Erwärmen mit Salzsäure braunes Glycyrrhizin abscheidet, während das Filtrat Fehlingsche Lösung reduziert. Die Hopfensurrogate, welche als die weitaus bedenklichsten Bierverfälschungen anzusehen sind, weist man nach einer von Dragendorff angegebenen Methode nach. Es bedarf dazu aber großer Umsicht, da Verwechselungen mit normalen Bierbestandteilen leicht möglich sind. Um Pikrinsäure nachzuweisen, schüttelt man B. mit dem halben Volumen Amylalkohol, verdampft letztern und er wärmt den Rückstand mit Cyankalium, wobei er sich, wenn Pikrinsäure zugegen ist, blutrot färbt. Als Konservierungsmittel des Biers werden saures schwefligsaures Natron und Salicylsäure angewandt. Geringe Mengen dieser Mittel sind kaum zu beanstanden, größere können schädlich wirken. Versetzt man B. mit Schwefelsäure und Zink und bedeckt es mit Bleizuckerpapier, so färbt sich dasselbe bei Gegenwart von schwefligsaurem Natron unter Bildung von Schwefelblei schwarz. Schüttelt man B. mit Äther und einigen Tropfen Salzsäure und gießt den abgehobenen Äther vorsichtig auf stark verdünntes Eisenchlorid, so entsteht bei Gegenwart von Salicylsäure an der Berührungszone eine violette Färbung.

Der Name des Porterbiers soll aus Gent stammen. Dort heißen die Vollbürger, die innerhalb der Stadtmauer wohnen, Portenses oder Porter. Sie brauten ein weit und breit berühmtes B., und als die Stadt unter spanische Herrschaft kam, führten Emigranten dasselbe in England ein. Nach einer andern Lesart braute Harwood nach 1730 ein B., welches besonders für Lastträger (porters) geeignet erschien.

Das Gewerbe der Bierbrauerei ist im allgemeinen ein gesundes. Abgesehen von Verbrühungen, Verbrennungen und Verletzungen, gegen welche die gewöhnlichsten Vorsichts- und Schutzmaßregeln sichern, sind Erkältungen am häufigsten. Staubeinatmung beim Umwenden und Entkeimen des Malzes sowie Kohlensäureerstickung in engen und mangelhaft ge-